Die großen, dunklen Augen blicken noch etwas ängstlich in die Welt. Schließlich hat das Rehkitz seine Mutter verloren und wird jetzt von Hubert Balda, dem Ersatzvater, mit Ziegenmilch aufgepäppelt. Der Euerbacher Tierfreund kümmert sich liebevoll um das drei Wochen alte Waisenkind und schläft sogar nachts bei seinem Schützling.
Alle drei Stunden, auch in der Nacht, wärmt Hubert Balda die Ziegenmilch auf, die er zuvor am Biohof Kuhn in Oerlenbach geholt hat. "Das ist Erstmilch, die sogenannte Biestmilch, das brauchen die neugeborenen Kitze, weil sie viele lebensnotwendige Schutzstoffe hat." Denn die Jungtiere kommen ohne Antikörper zur Welt und müssen anfangs diese Milch erhalten, die auch reich an Eiweiß, Mineralstoffen und Vitaminen ist.
Nur 1500 Gramm wog das kleine Reh, als es zu Balda auf den Hof kam. Bis vor wenigen Tagen gab der 59-jährige Euerbacher seinem Rehböckchen "Basti" sogar alle zwei Stunden die Milchflasche, den Zeitabstand hat er nun etwas gedehnt. Jetzt kann das kleine Reh die 120 Gramm Milch aus dem Schälchen trinken, auch wenn es dabei ziemlich herumschlabbert.
"Das ist wie bei einem Baby", kommentiert Bernhard Rudloff die Fürsorge. Der Euerbacher Jäger begleitet Balda bei seinen Aufnahmefällen, berät ihn in rechtlichen Fragen zu den Tierwaisen und vermittelt auch Jungtiere hierher. Denn es gibt in der Region kaum Möglichkeiten zur Aufzucht und Unterbringung. "Aber viele Jäger kennen den Hubert und seinen Gnadenhof schon", schmunzelt er.
Kitz Basti kommt aus der Rhön
Kitz Basti kam aus der Rhön nach Euerbach. Das Jungtier war vor einer Wiesenmahd per Drohnenflug ausfindig gemacht und von Helfern kurzfristig weggenommen worden. Allerdings kam die Rehgeiß nicht mehr zurück zu ihrem Jungen, so dass irgendeine Unterbringung gesucht werden musste. "Für den Drohnenflug und die Rettung gibt es Zuschüsse und Helfer", weiß Balda. "Aber was danach ist, da ist man auf sich allein gestellt." Denn neben Futter- und Tierarztkosten ist die Tierpflege für ihn mit hohem Zeitaufwand verbunden. "Aber ich mach's ja vom Herzen her, wegen der Tiere."
Hubert Balda ist mit Vierbeinern aufgewachsen, erzählt der gelernte Schmied. Von seinem Vater, dem Jäger, habe er viel gelernt und sich über die Jahre weiteres Wissen angeeignet. In einem eigens hergerichteten großen Käfig für seinen "Basti" finden sich daher auch eine Schale frischer Erde sowie kleingeschnittene Kräuter und Blätter. "Die Rehe brauchen das."
Im September, wenn Basti gut drei Monate alt ist, wird ihn Hubert Baldau nach Ramsau bei Berchtesgaden bringen. Dort gibt es eine Alm, die verwaiste Rehe aufnimmt. Ein weites Wald- und Wiesengelände wird dann seine Heimat, denn "richtig auswildern kann man diese Tiere nicht mehr".
Tierbaby Tag und Nacht gepflegt
Bis vor kurzem kümmerte sich der 59-Jährige sogar noch um ein weiteres Rehkitz. "Die Mutter war am Ortseingang von Schweinfurt, im Bereich von Eisstadion und Feuerwehr, von einem Hund gerissen worden", berichtet Rudloff. Die von der Polizei benachrichtigte Jagdpächterin wandte sich wegen des Kitzes an ihren Euerbacher Kollegen. Dieser informierte Balda, der natürlich nicht Nein sagen konnte.
Er machte dem Kitz ein Lager zurecht, holte Wärmelampe und Milchwärmer und hegte und pflegte das Tierbaby Tag und Nacht. "Ich hab' da auch die volle Unterstützung von meiner Frau Doris", unterstreicht Balda.
Allerdings hatte der Hund auch das Kitz mehrfach gebissen. Es wurde zwar von der Euerbacher Tierärztin Jessica Denner-Zirkel genäht und ihm wurden sogar Infusionen verabreicht. Aber die Darmverletzungen waren so schwer, dass das kleine Reh vier Tage später starb. "Da kommen einem die Tränen, wenn man ein Grab schaufeln muss", bekennt der sichtlich gerührte Tierfreund.
Angesichts des Leides der Tiere ärgert sich Jäger Bernhard Rudloff über manches unverantwortliche Verhalten von Hundebesitzern. "Es herrscht Leinenzwang draußen", unterstreicht er. Zumal derzeit die Brut- und Setzzeit der Wildtiere ist.
Der Jäger verweist auch darauf, dass ein Jungtier nicht einfach mitgenommen werden darf. "Das wäre Wilderei", erklärt er. Nur bei besonderen Umständen und immer in Absprache mit dem zuständigen Jagdpächter kann das geschehen.
Rehböckchen Basti stakst derweil auf seinen langen Beinen über den Balda-Hof und erkundet die Gegend. Die hat es in sich: Denn sein Ziehvater hat gerade einen kleinen, schwachen Wildschweinfrischling aufgenommen. Dessen Mutter wurde totgefahren, ein Jäger nahm das einzig auffindbare Junge an sich und brachte es nach Euerbach.
Mit angerührtem Ferkel-Milchpulver zieht Hubert Balda jetzt das kleine Schwein auf, das er später auf einen Hof bei Binsbach bringen will.
Aufzuchterfahrung hat er bereits: Denn vor drei Jahren nahm er schon einmal zwei Wildschwein-Frischlinge bei sich auf. Fritzi und Resi sind jetzt ausgewachsene, mächtige Tiere, die in Baldas Gehege eine Heimat bis zu ihrem natürlichen Tod haben. So wie die anderen Tierwaisen auf seinem Hof: die sechs Enten, 20 Tauben und drei Schildkröten.