
Ende März saßen vier afghanische Asylbewerber aus dem Ankerzentrum bei Geldersheim vor dem Jugendschöffengericht Schweinfurt – wegen gefährlicher Körperverletzung. Bei einer zur Massenschlägerei ausgearteten Auseinandersetzung zwischen Algeriern und Afghanen Mitte Oktober 2022 war ein 23-jähriger Afghane mit mehreren Messerstichen verletzt worden. Landsleute hatten ihm im Flur des Unterkunftsgebäudes 28A zunächst Nothilfe gegen die Attacke von drei Mitbewohnern geleistet, sind dann aber laut dem rechtskräftigen Urteil des Gerichts zum Gegenangriff auf die Algerier übergegangen.
Nothilfe sei natürlich gerechtfertigt und nicht strafbar, so der Vorsitzende Richter vor drei Wochen. Mit dem dann folgenden Gegenangriff hätten sich die Angeklagten aber ihrerseits der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht. Videobilder hatten gezeigt, dass sie unter anderem auf den mutmaßlichen Messerstecher noch einschlugen und ihn traten, als dieser schon am Boden lag. Dafür wurden sie zu Freiheitsstrafen von eineinhalb Jahren beziehungsweise neun Monaten verurteilt – aber auf Bewährung. Ein Grund dafür war, so der Vorsitzende Richter, dass der Angriff "von den anderen kam".
Drei "Angreifer" vor Gericht
Nun sitzen, sozusagen in gleicher Sache, die drei "Angreifer" vor dem Schöffengericht, die an der Attacke mit Messerstichen gegen den 23-Jährigen beteiligt gewesen sein sollen. Nur der 32-jährige Angeklagte, gelernter Friseur, räumte seinen in der Anklage beschriebenen "Tatbeitrag" ein. Der 27-Jährige, von Beruf Mechaniker, schwieg zunächst und ließ von seiner Anwältin erklären, er sei auf dem Video – die Attacke im Flur wurde von einer Kamera aufgenommen – nicht zu sehen. Wenig später allerdings schon – mit einem Fußtritt, und der Vorsitzende zählt drei Faustschläge. "Er sagt, er war besoffen", übersetzt der Dolmetscher.
Der 30-jährige mutmaßliche Haupttäter, von Beruf Bäcker, schwieg anfangs gleichfalls, um später über seinen Verteidiger einzuräumen: Ja, er habe ein Messer in der Hand gehabt, "aber "nicht mit jeder Stichbewegung getroffen und diese auch nicht mit letzter Kraft durchgezogen". Letztlich legte damit auch er ein Geständnis ab. Auf sieben Zeugen, die geduldig im Flur des Gerichts gewartet hatten, konnte nun verzichtet werden.
Hat das Opfer provoziert?
Das Opfer der Messerattacke schilderte, wie ihn die drei Angeklagten, nachdem er für sich und seine Landsleute Getränkenachschub besorgt hatte, im Flur angegriffen hätten. Was der Auslöser war, konnte oder wollte er nicht sagen. Er soll vorher im Freien beim Vorbeilaufen jedoch die Algerier mit einer abschätzigen Handbewegung provoziert haben.
Er könne sich nicht erinnern, sagt er. Und: "Diese Menschen ärgern uns, sie klauen unsere Fahrräder." An den Spannungen im Ankerzentrum zwischen Algeriern und Afghanen seien beide Seiten schuld, so der Zeuge. Etwa zwölf Tage lang hätten alle Wunden Schmerzen bereitet, so der 23-Jährige, nach einem Monat seien sie verheilt gewesen. Einige Stichstellen spüre er aber auch heute noch, beim Sport oder bei Belastungen.
Ein 20-jähriger Landsmann schildert, wie der dem Verletzten auf sein Klopfen hin die Zimmertür geöffnet hatte. "Er war voller Blut, ich habe ihm geholfen." Einer seiner Verfolger "hatte ein Messer in der Hand." Der hat es ja nach einigem Überlegen von seinem Anwalt einräumen lassen. Der Prozess wird am 29. April fortgesetzt, ab 8.30 Uhr.