
Das einprägsamste Statement des Vortragsabends, im Pfarrer-Hersam-Haus in Gerolzhofen, stammt von Papst Franziskus: "Unser Verständnis der Offenbarung verändert sich." Dr. Katharina Ganz, Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen, hatte sich in Rom mit dem Kirchenoberhaupt getroffen, wurde von Seiner Heiligkeit korrekt mit "Mutter" angesprochen – und schmunzelt bei diesem Titel.
Die selbstbewusste, weltzugewandte Ordensfrau entspricht nicht unbedingt dem klassischen Bild einer Äbtissin. Franziskus, dessen Reformweg Ganz unterstützt, habe bei seinen Worten an die Überwindung von Sklaverei oder Todesstrafe gedacht, im Christentum. Die Theologin wünscht sich gerne ein neues Verständnis der Frauenrolle in der Kirche.
Für gleiche Rechte von Frauen in der Katholischen Kirche
Rund 100 Besucherinnen hatten sich vergangenen Donnerstag im Saal eingefunden, ebenso einige Besucher, auf Einladung des Katholischen Frauenbund Gerolzhofen, in dessen hundertsten Jubiläumsjahr. Seit 2019 setzt frau sich mit der Bewegung "Maria 2.0" auseinander, die gleiche Rechte von Frauen in der katholischen Kirche einfordert, bis hin zu höheren Ämtern und Weihen. "Maria, schweige nicht", nennt sich die Initiative des Katholischen Deutschen Frauenbunds, der sich kritisch mit Pflichtzölibat, Missbrauchsskandalen oder althergebrachter Sexualmoral auseinandersetzt.
Anfang Oktober soll die Weltsynode ihren Abschluss in Rom finden, eine Zusammenkunft, bei der es um Reformen gehen wird, und erstmals auch Laien stimmberechtigt sind. Ganz ist eine enge Begleiterin des "Synodalen Wegs" und hat an der vorbereitenden europäischen Kontinentalsynode in Prag teilgenommen. Gerade erst war sie zu Gast auf einer Tagung in Leipzig, Titel: "Gottes starke Töchter". Wer Menschenrechte propagiere, komme um Frauenrechte in der Gemeinschaft der Gläubigen nicht herum, ist die Autorin überzeugt: "Frauen stören – und ohne sie hat Kirche keine Zukunft" lautet der Titel ihres aktuellen Buchs.
Unmut über den Status Quo wächst weltweit
In Deutschland würden sich 96 Prozent der Befragten für einschneidende Kirchenreformen einsetzen. Die ehemalige Missionarin betont, dass es keinesfalls nur die Deutschen seien, die hier oberlehrerhaft die Einheit der Weltkirche gefährden würden: "Der Unmut über den Status Quo wächst, und zwar weltweit." Auch die Amazonien-Synode habe sich dafür eingesetzt, wenn schon keine Priesterinnen, dann zumindest Diakoninnen zu weihen.
Frauen hätten am Amazonas ohnehin vielerorts die Gemeindeleitung inne. Egal ob in Sibirien, Südafrika oder im Senegal: "Ohne Frauen wäre die Kirche leer". Eine kleine, aber gut vernetzte und finanzstarke Minderheit in der Kirche setze sich für den Erhalt der Machtstrukturen ein. Mannsein sei gemäß traditioneller Auffassung das Normale, die Frau "das andere Geschlecht".
Ganz kann sich unterschiedliche Geschwindigkeiten bei der weltweiten Kirchenerneuerung vorstellen. Auch und gerade im Mittelalter wäre die Weltkirche vielfältig und erst im 19. Jahrhundert zentralisiert worden, mit dem Papst als letzter Entscheidungsinstanz. Der müsse heute "den Laden zusammenhalten" und stoße auf starken Widerstand der Ultrakonservativen: "Papst möchte ich nicht sein."
Papst setzt auf längerfristige Umdenkprozesse
Ganz sieht kleine Fortschritte, etwa bei den Rechten homosexueller Kirchenmitarbeiter(innen): Die sogenannten Loyalitätsanforderungen wurden auf äußeren Druck gelockert. Die Generaloberin ist überzeugt, dass der Papst auf längerfristige Umdenkprozesse setzt. Vielleicht gäbe es in zehn Jahren ja ein Drittes Vatikanisches Konzil, nach dem letzten großen Aufbruch in den 1960ern?
"Es braucht einen langen Atem", glaubt auch Eva Maria Ott, als Vertreterin des Frauenbunds. Der Gerolzhöfer Pfarrer stehe hinter den Anliegen von Maria 2.0 und dem sechs- bis achtköpfigen Kernteam. Auch die Gemeinde mache mit, bei den Aktionen, von der Mahnkerze bis zum Rosenkranz im Zeichen biblischer Heldinnen.
Ehemann Ruthard ist skeptisch, ob sich je etwas ändern wird, Eva Maria Ott sieht schon Chancen. Monika Sahlender ist dabei, sie leitet eine "Offene Frauenrunde", mit Frauengottesdiensten und gemeinsamen Veranstaltungen. "Es müsste schon ein bisschen schneller gehen", findet eine Großmutter und fürchtet, dass die Kirche die nächste Generation verliert, angesichts von mehr als einer halben Million Austritten 2022.

Verrat an der christlichen Botschaft
Oft ist vom gerissenen Geduldsfaden die Rede, vom Verrat an der christlichen Botschaft. Jesus' Privatsekretär werde in der Bibel nirgendwo erwähnt, heißt es. Ein Besucher versucht sich in einen konservativen, standfesten Kirchenmann hineinzuversetzen, der wohl glaube, gerade in der Krise jungen Menschen Orientierung bieten zu müssen. "Entweder wir biegen nach rechts ab und werden eine Großsekte", findet eine Zuhörerin, "oder wir biegen nach links ab und kommen ins 21. Jahrhundert."
Am 15. Oktober geht die Feier des Jubiläumsjahres weiter, mit einem Konzert der Liedermacherin Stephanie Schwab, die sich ab 15 Uhr mit starken Frauen befassen wird, im Pfarrer-Hersam-Haus. Der Eintritt ist frei, Spenden kommen einem indischen Mädchen- und Frauensozialprojekt zugute.