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Kreis Schweinfurt
50 Jahre Landkreis Schweinfurt: Ein neues Ganzes aus sechs Puzzleteilen
Sie war umstritten und wirkt bis heute nach. Die Gebietsreform von 1972, bei der auch der Landkreis Schweinfurt in neuer Form entstand. Was sich damals verändert hat.
Schwarz, Gold, Rot mit Reichsadler und Frankenrechen: So stellt sich die offizielle Flagge des 1972 vergrößerten Landkreises Schweinfurt dar (Bildmitte). Das Wappen stammt aus dem Jahr 1962. Vorne eine Fahne mit dem modernen Logo des Kreises.
Foto: Anand Anders | Schwarz, Gold, Rot mit Reichsadler und Frankenrechen: So stellt sich die offizielle Flagge des 1972 vergrößerten Landkreises Schweinfurt dar (Bildmitte). Das Wappen stammt aus dem Jahr 1962.
Josef Schäfer
 |  aktualisiert: 05.07.2022 02:27 Uhr

Der Landkreis Schweinfurt in seiner heutigen Form existiert genau seit 50 Jahren: Am 1. Juli 1972 ist der erste große Teil der Gebietsreform auf kommunaler Ebene in Bayern in Kraft getreten. Von vormals 143 Landkreisen blieben mit 71 die Hälfte übrig. Die andere Hälfte verschwand von der Landkarte, wie der Landkreis Gerolzhofen, der zwischen den neuen Kreisen Schweinfurt und Kitzingen aufgeteilt worden ist. Die heutige Verwaltungsgemeinschaft Gerolzhofen und das Gebiet der heutigen Gemeinde Kolitzheim bildeten damals den größten Zuwachs für den neuen Landkreis Schweinfurt.

50 Jahre Landkreis Schweinfurt: Ein neues Ganzes aus sechs Puzzleteilen

Insgesamt aus sechs bisherigen Landkreisen kamen Gebiete dazu. Im Norden waren dies – bis auf Ballingshausen – die damals selbstständigen Gemeinden, die heute den Markt Stadtlauringen bilden; sie gehörten bis dato zum Kreis Hofheim. Im Westen stießen Wasserlosen und Greßthal aus Hammelburg sowie Wülfershausen, Burghausen, Schwemmelsbach, Rütschenhausen, Kaisten und Mühlhausen aus Karlstadt dazu. Und ein kleines Kuriosum: Das gemeindefreie und unbesiedelte Gebiet Jeusing als Teil des damaligen Truppenübungsplatzes Brönnhof wurde aus dem Landkreis Bad Kissingen dem Schweinfurter Land zugeschlagen.

Ziel: Effiziente Verwaltungsstrukturen

Ziel der Staatsregierung war es in den 1960er-Jahren, effizientere Verwaltungseinheiten zu bilden. Schließlich herrschte noch die königlich-bayerische Landkreisstruktur, wie Kreisheimatpfleger Guido Spahn heute in einem Internet-Interview der Kreispressestelle formuliert. Die neuen Gebiete "sollen die notwendigen, kostspieligen Investitionen betriebswirtschaftlich sinnvoll tätigen können", heißt es in einem Sitzungsprotokoll des Landtags aus dem Januar 1971: "Bei der Neugliederung sollen die kulturellen, historischen und sonstigen Bindungen berücksichtigt werden."

Hier fand sich die Sollbruchstelle, denn ohne Konflikte waren diese Neubildungen nicht zu bewerkstelligen. Nicht nur weil Kommunalpolitikerinnen und -politiker Ämter und Posten verloren haben, sondern weil einige die Maßnahmen als übereilt eingeschätzt und sie sich vielfach von der Staatsregierung nicht ausreichend beteiligt gefühlt hatten, wie ein Aufsatz im Historischen Lexikon Bayerns ausführt. Ein Volksbegehren, an dem sich auch 60 bayerische Landräte beteiligten, scheiterte aber 1971.

Drohender Identitätsverlust

Zudem sollten auch Einheiten gebildet werden, zu denen die Bürgerinnen und Bürger nur wenig Bezug verspürten. Gewachsene Strukturen und Verbindungen zwischen den Ortschaften seien oftmals zu wenig berücksichtigt worden, bilanziert Spahn. Und Städte, die ihren Kreissitz verloren, befürchteten den Niedergang ihrer Bedeutung, wie etwa Gerolzhofen. Der drohende Identitätsverlust schlage auch heute noch in manchem Herzen von Menschen des Altlandkreises, hat Kreisheimatpfleger Stefan Menz ausgemacht – vor allem bei Älteren. Sein Vater beispielsweise orientiere sich immer noch stark in Richtung Gerolzhofen und Volkach, das bis 1972 ebenso zum Landkreis Gerolzhofen gehörte. Die Jüngeren dagegen ziehe es eher nach Schweinfurt. Merz' Kollege Spahn plädiert dafür, dass auch größere Einheiten Merkmale der Identifikation finden müssten: "Da ist noch Wachstum notwendig." Immerhin: Seit 2013 werden auf Wunsch wieder die Kfz-Kennzeichen alter Landkreise ausgestellt, also auch GEO.

Im zweiten Teil der Gebietsreform wurden bis spätestens 1978 neue Einheitsgemeinden gebildet: Aus über 100 eigenständigen Kleinkommunen entstanden die heutigen 29 Gemeinden im Landkreis Schweinfurt. Einige, wie in Werneck, begannen mit der Neuformierung schon 1972.

Landrat: Der alte wurde auch der neue

Mit der Neuschaffung der Landkreise gingen auch Neuwahlen einher: Ohne einen Gegenkandidaten zu haben, ist der damalige Schweinfurter Landrat Georg Burghard (CSU) 1972 zum Chef des neuen Kreises gewählt worden. Der letzte Gerolzhöfer Landrat Ernst Kastner wechselte als Justitiar zur Diözese Würzburg.

Mit dem Zuwachs an Bevölkerung vergrößerte sich auch der neu gewählte Kreistag von 45 auf 60 Mandate. Bei der Wahl 1972 wuchs die CSU um acht auf 38 Kreisrätinnen und Kreisräte, die SPD-Fraktion um zwei auf 15 Sitze. Neu waren die Freien Wähler, die sechs Mandate eroberten. Das Männer-Sextett hatte seinen Wohnsitz im Altlandkreis Gerolzhofen, wo auch heute noch die Parteilosen starken Zuspruch haben. Die FDP verfügte über einen Vertreter, der sich der CSU-Fraktion anschloss.

Feierlichkeiten? Fehlanzeige

Ohne große Feierlichkeiten, sondern in eher nüchterner Geschäftsmäßigkeit lief die erste Sitzung des vergrößerten Kreistags ab. Was auch damit zusammenhängen dürfte, dass im Jahr 1972 nicht die Gebietsreform, sondern der geplante und umstrittene Bau des Atomkraftwerks bei Grafenrheinfeld die kommunalpolitische Debatte in der Region beherrscht hat. Landrat Burghard sagte laut Bericht des Schweinfurter Tagblatts in der konstituierenden Sitzung, dass man nun auf dem aufbauen müsse, was in der 110-jährigen Geschichte des Landkreises erarbeitet worden sei. Das gelte selbstverständlich auch für die neu hinzugekommenen Gemeinden. "Unser Bestreben muss es sein, auf der Basis des Vorhandenen weiterzuarbeiten, um aus den Teilen ein Ganzes zu machen", wird der Landrat zitiert.

Eine politische Profilierung versuchten die Freien aus Gerolzhofen und Umgebung: Nachdem im vergrößerten Landkreis mehr Aufgaben zu bewältigen seien, plädierten sie für einen weiteren Landratsstellvertreter neben dem Wernecker Rudolf Reith (CSU). Sie scheiterten an der Mehrheit von CSU und SPD. Ebenso brachte ihr Wunsch keinen Erfolg ein, eine Resolution zu verfassen, damit der gesamte Landkreis in die damals geflossene Zonenrandförderung aufgenommen wird.

Auch 2022 kein Fest geplant

Auch zum 50. Jahrestag 2022 wird es keine Feierlichkeiten geben. Angesichts der unklaren Pandemielage hatte das Landratsamt frühzeitig auf eine Organisation verzichtet. Stattdessen gibt es Online-Angebote, Jubiläumsfahnen und eine Postkartenaktion mit Motiven aus den Landkreisgemeinden.

 
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Kommentare
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  • Reinshagen153@t-online.de
    Ergebnis der "Effizienten Verwaltungsstrukturen":

    Die Conn Barracks gehören zu 3 Kommunen und zwei (Stadt)Kreisen, mit 4 Zuständigkeiten für die Konversionsplanungen! Vielleicht auch ein Grund für die Intel-Absage.

    Der Hafen-Ost gehört zu zwei (Stadt)Kreisen mit 3 Zuständigkeiten!

    Der heutige LK SW ist weithin, bei Dittelbrunn bis an die Kreisgrenze, das Ergebnis ausgebliebener Eingemeidungen in die Stadt, in der irrsinnigsten "Gebietsreform" Deutschlands. Kein Wort davon von Josef Schäfer! Kritischer Journalismus ist anders.

    Mit Benachteiligungen aller Art für SW, auch finanziell: Einkommensteuer, Schlüsselzuweisungen, Zuschüsse und zu wenig Personal in der (Bau)Verwaltung, während die Aufgaben als Oberzentrum zunahmen - mit einer beispiellosen Personalüberlastung als Folge! Die Stadt wird zudem durch eine zu geringe Einwohnerzahl (Hauptkenngröße einer Stadt!) zu klein eingeschätzt und gegenüber konkurierenden Städten benachteiligt, auch zum Schaden für die GANZE Region.
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  • Lebenhan1965
    @ Andy25

    Das ist eben das Ergebnis wenn Politiker nur an Wahlen denken und nicht rational.

    Schweinfurt war damals für die SPD eine sichere Bank, deshalb hat das CSU geführte Innenministerium eben für Schweinfurt keine neuen Einwohner geplant.
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