Der Zweite Weltkrieg, die Wiedervereinigung Deutschlands, die Gründung der EU, die erste Kanzlerin – wer 1931 geboren ist, hat meist viel erlebt. So auch Ernst Kastner. Der ehemalige Justiziar der Diözese Würzburg und frühere Landrat Gerolzhofens feiert am 6. April seinen 90. Geburtstag. Ein Blick auf das Leben eines Würzburger Urgesteins.
Nach dem Abitur studierte Kastner Rechts- und Staatswissenschaften in Würzburg und München. Danach folgten wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Studien und die Promotion in Köln. Doch Kastner zog es zurück in die Heimat, er absolvierte das Rechtsreferendariat in seiner Geburtsstadt Würzburg und arbeitete im Anschluss bei den Regierungen von Mittel- und Unterfranken. 1962 ging er ans Landratsamt Gerolzhofen.
24 Jahre im Dienst der Diözese
Zwei Jahre später wurde Kastner dort zum Landrat gewählt, mit 31 Jahren war er damals der jüngste in Bayern. Doch 1972 verlor er das Mandat, da der Landkreis im Zuge der Gebietsreform aufgelöst wurde. Noch im gleichen Jahr trat Kastner in den Dienst der Diözese Würzburg ein und wurde deren erster hauptamtlicher Justiziar.
Einer, der ihn aus der Zeit in der Diözese kennt, ist Roland Huth. Bevor Huth stellvertretender Justiziar und später selbst Justiziar des Bistums wurde, war Kastner sein Vorgesetzter. Ein Chef, der ein kollegiales Verhältnis zu seinen Mitarbeitern gepflegt habe, sagt Huth. Lachend fügt er an: "Nur wenn ich zeitgleich mit ihm Urlaub nehmen wollte, hat er auf seine höhere Position verwiesen."
An das kollegiale Verhältnis erinnert sich auch Adolf Bauer, ehemaliger Würzburger Bürgermeister. Von 1979 bis 2010 war Bauer Finanzdirektor des Bistums und hatte viel mit Kastner zu tun. "Er ist ein nobler Herr, was Kameradschaft und Teamgeist angeht", sagt Bauer. Und Humor habe Kastner auch, wie er als Leiter einer Prunksitzung der Diözese einmal gezeigt habe.
Kastner engagiert sich ehrenamtlich sehr stark
1996 beendete Kastner mit 65 Jahren seine Karriere als Justiziar. Doch jemand wie er kann nicht in Rente gehen und nichts tun. Im gleichen Jahr gründete er die Stiftung Hilfsdienste gratia deo. Huth wundert das nicht: "Er hat sich als Justiziar schon gerne um die Stiftungen und Vereine gekümmert."
Die Stiftung Hilfsdienste gratia deo war nicht Kastners erstes Ehrenamt. Anfang der Siebziger gründete er den Verein Naturpark Steigerwald und war für kurze Zeit dessen erster Vorsitzender. 14 Jahre lang leitete er zudem den Verein Arbeitnehmerbildungsstätte Benediktushöhe Retzbach, war ehrenamtlicher Geschäftsführer der Dr. Rulandschen Stiftung und mehr als ein Jahrzehnt Vorstandsmitglied des Marienvereins.
Für seine hervorragenden Leistungen für das Gemeinwesen verlieh der damalige Bundespräsident Joachim Gauck Kastner 2012 das Bundesverdienstkreuz am Bande. Jetzt, mit 90 Jahren, gebe er sein letztes Ehrenamt – seine Stiftung – ab, sagt Markus Kastner, eins der drei Kinder des ehemaligen Justiziars. Nach 60 Jahren Ehe hat seine Frau ihn nun ganz für sich.