
Wie zeitgemäß ist Briefeschreiben, wenn sich die Jugend in sozialen Medien tummelt? Sind Menschenrechte noch in Mode, im Krieg oder beim "Kampf gegen den Terror"? Die Schweinfurter Gruppe von Amnesty International (ai) wird 50 Jahre alt und ist in beiden Fällen gerne "altmodisch".
Der Markenkern der global vernetzten Menschenrechtsorganisation sind Briefe an autoritäre Staaten und Justizbehörden, die sich nicht an verbriefte UN-Standards halten. Amnesty möchte unbequem sein, überall dort, wo Menschen aus politischen Gründen inhaftiert oder in unfairen Verfahren mit Folter und Todesstrafe bedroht werden. "Unsere Waffe ist der Stift", sagt Ulrich Philipp, Sprecher der "Gruppe 1418 Schweinfurt". Der Staat sei kein Garant für die Wahrung der Menschenrechte, umso wichtiger sei der Einsatz nichtstaatlicher Akteure. Organisiert werden Petitionen und Briefe gegen das Vergessen, für Langzeithäftlinge, die aus der öffentlichen Wahrnehmung zu verschwinden drohen.
Monatlich werden hundert oder mehr Briefe geschrieben
Rund hundert Mitglieder zählt die Gruppe, einschließlich der Förderer, mit einem harten Kern von sieben bis acht Aktivisten. Monatlich werden in Schweinfurt hundert Briefe oder mehr geschrieben, bei großen Amnesty-Kampagnen insgesamt schon mal bis zu 30.000 "Kettenbriefe" verschickt. Aktuell betreuen die Menschenrechtler vom Main Abdullah al-Huwaiti, der im Alter von 14 Jahren mehrere Morde begangen haben soll. Die Beweislage im Schariastaat Saudi-Arabien ist dürftig, das Geständnis kam unter körperlichem Zwang zustande. Der Teenager wurde dennoch zum Tode verurteilt. Nun erhält der saudische König Post aus Franken.

Am Samstag, zwischen 11 und 13 Uhr, wird die Gruppe auf al-Huwaitis Schicksal hinweisen mit einem Stand an der Ecke Spitalstraße/Lange Zehntstraße, einem von mehreren im Jahr. Auch Esmail Abdi zählt zu den "Adoptionen". Der iranische Mathematiklehrer wollte eine freie Gewerkschaft gründen, in der Mullahkratie ein Verbrechen, das mit Haft im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis bestraft wurde. "Ehemalige Inhaftierte sagen, dass es für sie wichtig war, zu erleben, dass es Menschen gibt, die an sie denken", sagt Philipp.
Die Freilassungsquote liegt bei etwa 30 Prozent
Amnesty wurde 1961 durch den Londoner Rechtsanwalt Peter Benenson gegründet. In Schweinfurt war es der Direktor des Celtis-Gymnasiums, Fritz Zahn, der 1972 den Anstoß für die Ortsgruppe gab. Der erste gewaltlose politische Gefangene, der von ihr betreut wurde, war der Literat Kim Chi Ha, Opfer des südkoreanischen Autokraten Park. 1980 wurde er freigelassen. Es folgten weitere 18 Adoptionen.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 ist Grundlage der Arbeit unter dem Motto "Hinsehen und Handeln". Oft hat die Arbeit Erfolg, sagt Philipp. Als 1977 die globale ai-Kampagne gegen die Todesstrafe gestartet wurde, hatten gerade mal 16 Länder sie abgeschafft, heute sind es 144. Die Freilassungsquote liegt bei etwa 30 Prozent, bei weiteren 30 Prozent der Gefangenen werden Hafterleichterungen erreicht.
Es gibt aber auch Rückschritte im Kampf für weltweit gültige Rechtsprinzipien. Putin habe mit "Memorial" die letzte Menschenrechtsorganisation in Russland liquidiert, so Philipp, Bush den Einsatz von Folter im "Kampf gegen das Böse" legitimiert. China verfolge Uiguren, Johnson lasse Asylsuchende in Ruanda internieren. Auch die EU ist keine Insel der Seligen. Philipp verweist auf den Mord an der Journalistin Galizia auf Malta. Amnesty versteht sich als unabhängig. Im "Kalten Krieg" sei man wechselseitig verdächtigt worden, für die CIA und den KGB zu arbeiten, schmunzelt der hiesige Vorsitzende.

In einer internen Feierstunde am "Celtis" will ai Schweinfurt nun der Gründung gedenken und hofft, dass der Funke wieder auf die nächste Generation überspringt. Ansonsten trifft man und frau sich an jedem dritten Donnerstag im Monat um 19.30 Uhr im KulturPackt-Büro in der Burggasse 2. Neue Aktive sind willkommen.