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Schweinfurt
4. Corona-Meditation: Graswurzeln auf dem Volksfestplatz
Etwa 300 Gegner von Lockdown, Mundschutz und Impfpflicht versammeln sich auf dem Volksfestplatz. Doch es gibt auch Applaus für die Polizei.
Platz nehmen auf Asphalt: Die vierte Corona-Meditation fand auf dem Volksfestplatz statt.
Foto: Uwe Eichler | Platz nehmen auf Asphalt: Die vierte Corona-Meditation fand auf dem Volksfestplatz statt.
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 22:25 Uhr

"Muss ich oder sollte ich den Mundschutz anlegen?" fragt der Fahrer des dunklen Van, durchaus ein bisschen frech, als ihn ein Polizeiwagen stoppt, zwei Tage vor der Coronademo, in der Innenstadt. Das Greifen-Logo weist die Kontrolleure als Mitglieder des "Unterstützungskommandos" (USK) aus, einer überlokalen Spezialtruppe, die bei schweren Delikten oder Krawallen eingesetzt wird. Die kleine Szene, im Vorfeld eines lautstarken Bauernprotests gegen die Agrarpolitik, ist vermutlich harmlos, zeigt aber: Gerade die "Spatzen" reagieren eher widerspenstig statt eingeschüchtert, sobald der Staat schweres Geschütz auffährt.

Weit ab vom Schuss, aber Platz zur Entfaltung

Das weiß auch die Schweinfurter Polizei, die sich dann am Samstag wieder sehr zurückhaltend zeigt, beim einstündigen Protest von 300 Gegnern der Corona-Maßnahmen. Demonstration Nr. 4 findet auf dem Volksfestplatz statt, nachdem sie zuletzt an den Stadtstrand hatte ausweichen müssen. Die Anwesenheit des USK am Donnerstag sei Zufall gewesen, betont ein freundlicher Beamter. Die Teilnehmer der friedlichen Meditationsdemo für die Grundrechte entrollen ihre Matten zwar weitab vom Schuss. Haben aber anders als auf dem Markt viel Platz zur Entfaltung, trotz Abstandsgebot. Von den Balkonen des Musikerviertels schauen einige "Zaungäste" zu.

Hauptredner Andreas Hofmann lässt seine Mitstreiter für die Polizei applaudieren. Die sei ja in einer schwierigen Position, meint der Gesundheitspraktiker, einer der Organisatoren neben Medizinphysiker Dr. Rainer Klement. Dass der "Mund-Nasen-Schutz" nur eine Empfehlung sei: Die Ansage sorgt bei den Unmaskierten für Heiterkeit. Hofmann hält die Maskenpflicht für überflüssig -  wie es das RKI im Februar noch selbst gesagt habe.

Knockout für den Lockdown? Am Rande der Demo wurde mit Reißverschluss-Mundschutz und Impfspritze protestiert.
Foto: Uwe Eichler | Knockout für den Lockdown? Am Rande der Demo wurde mit Reißverschluss-Mundschutz und Impfspritze protestiert.

Man stünde hier für andere Menschen, die gerne ihre Meinung kundtun würden, glaubt der Schweinfurter, der sonst für Smoothies und Naturkost wirbt. Viele trauten sich aber nicht, aus Angst vor sozialen Nachteilen, selbst Unternehmer oder Ärzte: "Wenn wir wirklich Meinungsfreiheit hätten, gäbe es keine Zensur im Internet." Wer habe Anspruch auf "die" Wahrheit? "Wir sind für Diskurs." Hofmann beruft sich am Kennedy-Ring auf einen namhaften Impfgegner: Robert Kennedy Jr. habe in der Sache bereits zwei Prozesse gewonnen. "Herr Drosten" sei mittlerweile unter Druck geraten, aufgrund der BILD-Berichterstattung. Der Chefvirologe habe sich schon früher geirrt, etwa bei der Vogelgrippe.

Kritik an den Zahlen des RKI

Viele Daten des RKI seien falsch. Mit Immunitätsausweisen ließen sich Menschen indirekt zur Impfung zwingen. Neue RNA-Impfstoffe, wie sie gegen Covid-19 entwickelt werden, griffen sogar in die Gene ein. Das Immunsystem könne mit Krankheiten fertig werden, dafür brauche der Mensch soziale Nähe statt Stress und Angst: "Viele sind an Vereinsamung gestorben." Die Fans quittieren die Rede regelmäßig mit Beifall. Auch wenn die "Impf-Hexen" wieder da sind, mal barfuß protestiert, mal Gandhi oder Jimi Hendrix zitiert wird, ist das Outfit der Meisten auffallend unauffällig: Das Bestreben, das Extremisten- oder "Verschwörungsspinner"-Image loszuwerden, ist schwer zu übersehen. Gefordert wird eine juristische Aufarbeitung der Grundrechtseingriffe, ebenso ein Untersuchungsausschuss.  

Etwas verloren wirkt ein Fahnenträger mit schwarzweißroter Trikolore: Der Wahl-Schweinfurter stammt aus Ostberlin und ist zum ersten Mal dabei. Nein, er sei kein Reichsbürger, sagt der Mann mit Kaiserflagge: Sie soll wohl allgemein Unbehagen am "System" ausdrücken. Verboten sind die alten Preußenfarben, mit ihrem nahöstlich-hanseatischen Migrationshintergrund, nicht.

Außenseiter Erfahrungen wegen Befreiung von der Maskenpflicht 

Viel Applaus gibt es für eine Realschülerin aus dem Landkreis: Das Mädchen ist dank Gesundheitsattest von der Maskenpflicht befreit und berichtet von Außenseiter-Erfahrungen, mit Gespräch bei der Schulleitung ("Ich kam mir vor wie vorm Jüngsten Gericht") und eigener Toilette. Unter anderem sei ihr nahegelegt worden, aus "Solidarität" Mundschutz zu tragen. Die Schülerin stellt sich als Greta vor: Mehr kann sich eine jugendfrische Graswurzelbewegung nicht wünschen. Ein weiterer Redner geißelt Inflationsgefahr und Billionen-Euro-Pakete, für die nach dem "Wahnsinn" alle bezahlen müssten. Zuletzt übernimmt Meditationsbegleiterin Esther – und sorgt am Ende der Stunde noch für positive Schwingungen, ganz ohne Aluhut.

 
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