zurück
Schweinfurt
125 Jahre Schweinfurter Alpenverein: Obwohl als Altenverein verspottet, hat die Sektion keine Nachwuchsprobleme
Was mit einer Handvoll Gründer begann, hat sich im Laufe der Zeit zum größten Schweinfurter Verein mit über 4500 Mitgliedern entwickelt. Ein Rückblick und Ausblick.
Bea Rose klettert in den höchsten Schwierigkeitsgraden. Die 38-jährige Schweinfurter Sportkletterin verbringt jede freie Minute im DAV-Kletterzentrum an den 'Drei Eichen'.
Foto: René Ruprecht | Bea Rose klettert in den höchsten Schwierigkeitsgraden. Die 38-jährige Schweinfurter Sportkletterin verbringt jede freie Minute im DAV-Kletterzentrum an den "Drei Eichen".
Irene Spiegel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:07 Uhr

Wandern boomt. Was früher als Alte-Leute-Hobby belächelt wurde, hat sich zum Trendsport entwickelt. Immer mehr Menschen schnüren die Wanderstiefel, und immer mehr Menschen werden Mitglied im Alpenverein. Auch in Schweinfurt. Obwohl oft als Altenverein verspottet, wächst die Sektion in allen Altersklassen und hat im Gegensatz zu vielen anderen Vereinen kein Nachwuchsproblem. Mit über 4500 Mitgliedern ist der Alpenverein sogar der größte Verein in Schweinfurt. In diesem Jahr feiert er sein 125-jähriges Bestehen.    

Es braucht viel Idealismus und Engagement, um einen Verein dieser Größe zu führen. An der Spitze steht ein Dreigestirn mit den Vorsitzenden Hermann Frömel, Manfred Endres und Michaela Böhm, die von weiteren Ehrenamtlichen und einem hauptamtlichen Geschäftsführer unterstützt werden. Mit Rat und Tat steht auch Ehrenmitglied Joachim Lindner zur Seite, der von 2013 bis 2020 Vorsitzender war und die Sektion mit dem Bau der Kletterhalle an den "Drei Eichen" in ein neues Zeitalter geführt hat.

Die Stützen der Sektion Schweinfurt (von links): Ehrenmitglied Joachim Lindner, Erster Vorsitzender Hermann Frömel und Marketingchef Klaus Neumann vor der Kletterhalle.
Foto: René Ruprecht | Die Stützen der Sektion Schweinfurt (von links): Ehrenmitglied Joachim Lindner, Erster Vorsitzender Hermann Frömel und Marketingchef Klaus Neumann vor der Kletterhalle.

"Mit der Kletterhalle hat ein regelrechter Boom eingesetzt", erinnert sich Marketingchef Klaus Neumann. Die Mitgliederzahlen schnellten in die Höhe. Vor allem junge Menschen kamen. "Während viele Vereine unter Corona litten, ging's bei uns nach oben", erzählt Vorsitzender Hermann Frömel. Mit 1500 Quadratmeter Kletterfläche gehört die Halle, die mit Bistro, Veranstaltungs- und Seminarraum ausgestattet ist, zu den größten in der Region. 200 verschiedene Routen bis Schwierigkeitsgrad 12 können geklettert werden, bei einer Wandhöhe von 14 Metern und fünf Metern Überhang. Seit 2018 gibt es auch eine Außenkletterwand.

30.000 Griffe und Tritte an der Kletterwand

Bea Rose kommt dreimal in der Woche zum Klettern in die Halle. Sie ist eine erfahrene Sportkletterin, eine der besten der Schweinfurter Sektion. Wie eine Gämse steigt sie die Wand empor. 30.000 Griffe und Tritte sind hier angebracht. "Das Geld steckt in der Wand", sagt Vorsitzender Hermann Frömel. Zweimal im Jahr werden die Routen neu gemacht, die Griffe ab- und umgeschraubt. 

Wer hier klettern will, braucht einen Partner, eine Partnerin zum Absichern. Und Erfahrung. Bea Rose klettert seit zehn Jahren. Jede freie Minute ist sie in der Halle oder in Sportklettergebieten unterwegs, zum Beispiel im Fränkischen Jura. Der Sport vereint Spaß und Fitness.

Klettern ist voll im Trend, noch mehr aber Bouldern, das im Vergleich zum Sportklettern und alpinen Klettern wesentlich einfacher umzusetzen ist. Durch die geringe Wandhöhe von vier Metern ist ein Absprung auf eine Weichbodenmatte kein Problem. Man braucht keinen Kletterpartner zum Sichern, keine teure Ausrüstung, wie Gurt und Seil, und keine Vorkenntnisse.

Seit 2018 gibt es an der DAV-Kletterhalle auch eine Außenkletterwand.
Foto: René Ruprecht | Seit 2018 gibt es an der DAV-Kletterhalle auch eine Außenkletterwand.

Auch der DAV Schweinfurt bietet Bouldern an, in einem separaten Raum im Untergeschoss. Knapp 200 Quadratmeter Kletterfläche, mehr als 60 verschiedene Boulderprobleme in sieben Schwierigkeitsstufen bieten einen abwechslungsreichen Spielplatz. "Bei den Jugendlichen geht Bouldern durch die Decke", freut sich Hermann Frömel über das große Interesse. Auch Oberbürgermeister Sebastian Remelé komme zum Bouldern vorbei. 

Fotoserie

Aber nicht alle Vereinsmitglieder waren begeistert, als 2015 das Kletterzentrum eröffnet wurde. "Es gab teilweise Austritte", erinnert sich der frühere Sektionschef Joachim Lindner. Die Gründer des Alpenvereins vor 125 Jahren waren Verehrer der Alpenwelt. Und anders als bei den meisten heutigen Berg-Communitys stand damals nicht ausschließlich das Berggehen zum Selbstzweck in ihrem Interesse. Vielmehr ging es darum, neue Gipfelrouten zu erkunden, regelmäßig Schriften herauszugeben, zu kartieren und eine Infrastruktur zu errichten, um den Tourismus in den Alpen überhaupt erst zu ermöglichen. Man wollte einen breiten und nicht exklusiven Kreis Alpeninteressierter ansprechen.

23 Schweinfurter Männer legten den Grundstein der Sektion

Den Grundstein in Schweinfurt legten 23 "Herren" unter der Führung von Staatsanwalt Dr. Ernst Müller am 5. Januar 1898. "Sie hatten für die damalige Zeit schon beachtliche Bergtouren durchgeführt und aus eigenem Erleben die Organisation und die Einrichtungen des bereits seit 30 Jahren bestehenden deutschen und österreichischen Alpenvereins kennengelernt", heißt es in der Chronik zum 100-jährigen Bestehen der Schweinfurter Sektion. Zum Ersten Vorsitzenden wählten sie Bezirksrat Dr. Erwin Bruglocher.

Anfang der 1930er-Jahre baute der Schweinfurter Alpenverein in Eigenregie in Thomashof die Hütte an der Haselstaude.
Foto: Hermann Frömel | Anfang der 1930er-Jahre baute der Schweinfurter Alpenverein in Eigenregie in Thomashof die Hütte an der Haselstaude.

Die Geschäftsstelle in der Linsengasse 13 war der zentrale Anlaufpunkt für die Mitglieder. Hier wurden die Verwaltungsaufgaben erledigt, hier konnte man Karten und Wanderführer ausleihen.

Es entwickelte sich ein reges Sektionsleben mit Zusammenkünften, Vorträgen und Wanderungen. Schon am Ende des ersten Jahres hatte die Sektion 95 Mitglieder. Hauptsächlich waren es Beamte, Ärzte, Geschäftsleute und Fabrikanten – kurz gesagt: Menschen der gehobeneren Gesellschaftsschicht. Denn der kleine Mann hatte weder die Zeit noch das Geld für einen Urlaub in den Bergen.

Idyllisch gelegen ist die Hütte an der Haselstaude ein beliebter Anlaufpunkt für Wanderer.
Foto: Hermann Frömel | Idyllisch gelegen ist die Hütte an der Haselstaude ein beliebter Anlaufpunkt für Wanderer.

In Eigenregie Hütte an der Haselstaude gebaut

Schon früh bestand in der Sektion der Wunsch nach einer eigenen Hütte in den Allgäuer Alpen. 1911 wurde ein Hüttenbauausschuss gegründet und mit 500 Mark aus dem Vereinsvermögen ein "alpiner Baufond" aufgestellt. Man ging mit Begeisterung ans Werk. Doch der Ausbruch des Ersten Weltkrieges machte die Pläne zunichte und versetzte auch dem Sektionsleben einen herben Rückschlag. Es dauerte sehr lange, bis sich nach dem Krieg die noch verbliebenen Mitglieder wieder zusammenfanden. Erst ab 1925 entwickelte sich in der Sektion wieder das frühere Leben.

Für den Bau einer Hütte in den Bergen reichte das angesparte Kapital aber nicht aus. Man musste kleinere Brötchen backen und baute Anfang der 1930er-Jahre in Eigenregie in Thomashof die Hütte an der Haselstaude als Erholungsstätte für Familien, für Zusammenkünfte von Gruppen und Feste. Dann kam der Zweite Weltkrieg, und die Sektionsarbeit ruhte wieder. Erst 1948 konnte das altgewohnte Sektionsleben wieder aufleben.    

In den Anfangsjahren betrieb der Schweinfurter Alpenverein die Hütte in den Stubaier Alpen in Partnerschaft mit der Sektion Guben.
Foto: Archiv Hermann Frömel | In den Anfangsjahren betrieb der Schweinfurter Alpenverein die Hütte in den Stubaier Alpen in Partnerschaft mit der Sektion Guben.

Von da an ging es aufwärts. Die Mitgliederzahl stieg. Erstmals entstand eine Jugendgruppe, später eine Skigruppe, und beachtliche hochalpine Bergtouren wurden unternommen. In der so erstarkten Sektion klappte es dann auch mit einer eigenen Hütte im Hochgebirge. Zuerst in Partnerschaft mit der Sektion Guben und seit 1973 in Eigenregie bewirtschaftet die Sektion die Schweinfurter Hütte in den Stubaier Alpen, oberhalb von Niederthai auf 2028 Metern Höhe.

Sie ist Anlaufpunkt für Wanderer und Mountainbiker, Ausgangspunkt für Ski- und Schneeschuhtouren, Hochtouren und Bergwanderungen mit gutem Anschluss an weitere Hütten im Sellrain – abseits viel begangener Routen.

Bergemesse auf der Schweinfurter Hütte oberhalb von Niederthai auf 2028 Meter Höhe.
Foto: Archiv Hermann Frömel | Bergemesse auf der Schweinfurter Hütte oberhalb von Niederthai auf 2028 Meter Höhe.

Die Schweinfurter Sektion besteht aber nicht nur aus dem Hüttenleben. Im Lauf der Jahre sind viele neue Interessen und Aktivitäten hinzugekommen. Es gibt die Berg- und Klettergruppe, Skitourengeher, die Jugendabteilung und die Seniorengruppe, die Freitags- und Sonntagswanderer, die Mountainbikefahrer und die offenen Angebote auch für Nicht-Mitglieder im Kletterzentrum. Zum Beispiel Anfängerkurse, Firmenklettern, Schnupperklettern oder Bouldern, der neue Lifestyle.

Bouldern, der neue Lifestyle

Weil die Nachfrage hier so groß ist, plant die Sektion den Bau einer eigenen Boulderhalle. Eine Arbeitsgruppe soll bis 2024 eine Bedarfsanalyse erstellen und einen Standort suchen. "Mein Wunsch wäre eine Boulderhalle neben dem Kletterzentrum auf der grünen Wiese", sagt Vorsitzender Hermann Frömel.

Mit der Klimaneutralität bis 2030 hat sich der Schweinfurter Alpenverein ein weiteres ehrgeiziges Ziel gesetzt. Eine Photovoltaik-Anlage ist bereits auf dem Dach des Kletterzentrums, LED-Beleuchtung ist selbstverständlich. Aber es geht um mehr, vor allem um die Vermeidung von Emissionen in der Mobilität, bei der Anreise in die Berge zum Beispiel. "Das ist der größte Brocken", sagt Hermann Frömel.   

125 Jahre Sektion Schweinfurt: Zur Feier des 125-jährigen Bestehens lädt die Sektion am Samstag, 10. Juni, ab 13 Uhr in das DAV-Kletterzentrum Schweinfurt an den "Drei Eichen" ein. Es gibt Vorführungen der Bergretter Niederthai, Schau- und Schnupperklettern, Mitmachaktionen und Vorträge über die Geschichte des Vereins, der Schweinfurter Hütte und der Hütte an der Haselsstaude. 

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Schweinfurt
Irene Spiegel
Bau
Bergtouren
Ernst Müller
Kletterzentren
Manfred Endres
Sebastian Remelé
Trendsport
Vereinsgeschichte
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top