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OBERELSBACH
Wissenschaftler wollen die Rhönwiesen retten
Thomas Pfeuffer
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:28 Uhr

In der oberen Rhön wäre eigentlich für Michael Geier, den Leiter der bayerischen Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats Rhön, „eigentlich alles in Ordnung.“ Aber nur eigentlich. Denn in den Hochlagen ab 600 Metern sind die einzigartigen, artenreichen Bergwiesen inzwischen massiv gefährdet. „Lupinus polyphyllus Lindl“, so der wissenschaftliche Name der Bedrohung. Michael Geier nennt sie einfach „Aliens“, also Invasoren, die nichts übrig lassen von der schützenswerten, mageren Wiesenlandschaft, haben sie erst einmal Fuß gefasst, beziehungsweise Wurzeln getrieben.

Verbreitung trotz Gegenmaßnahmen

Gemeint sind die Stauden-Lupinen, die sich in der gesamten Rhön stark vermehren und immer mehr überhandnehmen. Und das trotz verschiedenster Gegenmaßnahmen, die in den vergangenen Jahren entwickelt wurden.

So herrschte in der Region eine gewisse Ratlosigkeit. Warum vermehrt sich die in den 30er-Jahren einführte Lupine gerade in den vergangenen Jahren so stark? Wie kann eine erfolgreiche Bekämpfung und Zurückdrängung aussehen? Kann man die Rhönwiesen danach überhaupt wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückbringen? Das Fragen, denen sich jetzt auch Forscher der Universitäten Gießen und Kassel widmen.

Rege Diskussion

Und Fragen, die auch in der Rhön auf Interesse stoßen. Immerhin 70 Interessierte kamen jetzt in die Elstalhalle, um sich von den Professoren Annette Otte und Michael Wachendorf über das Forschungsprojekt „Erhaltung und Wiederherstellung der Artenvielfalt in den Bergwiesen des Biosphärenreservates Rhön – Management der invasiven Stauden-Lupine“ informieren zu lassen und mit den Wissenschaftlern rege zu diskutieren.

Zwei Vorprojekte

Auch wenn das bis 2019 laufende – unter anderem von der Deutsche Bundesstiftung Umwelt geförderten – Forschungsvorhaben erst im Sommer gestartet wurde, konnten die Wissenschaftler schon einige spanende Erkenntnisse präsentieren. Sie bezogen sich dabei auf Ergebnisse zweier „Vorprojekte“, in deren Rahmen in den vergangenen beiden Jahren bereits das Ausmaß der Verbreitung der Lupine in der Rhön und die Potenziale für die Wiederherstellung der artenreichen Bergwiesen sowie eine mögliche energetische Nutzung des Grüngutes untersucht wurden.

Weitere Forschungen nötig

„Es ist noch nicht zu spät für die Wiederherstellung der Rhöner Wiesen“, lautete die gute Nachricht, die Annette Otto als Fazit ihrer bisherigen Forschungen in die Rhön mitbrachte. Dafür sind allerdings die verschiedensten Maßnahmen und auch weitere Forschungen erforderlich.

Die Gießener Professorin für Landschaftsökologie und Landschaftsplanung wies darauf hin, dass die Lupineninvasion der vergangenen Jahre kein spezielles Rhöner Thema ist. Im Schwarzwald, Harz und verschiedenen weiteren deutschen Mittelgebirgen breitet sich die Staudenpflanze ebenfalls aus und ist dort ein Problem. Ob dies als eine Folge des Klimawandels gesehen werden kann, thematisierte die Wissenschaftlerin allerdings nicht.

An Steinriegeln und Wegen

Anhand von Untersuchungen aus dem Jahr 1998 wies sie nach, dass sich die Lupine seither deutlich ausgebreitet haben. Das geschehe vor allem entlang von Steinriegeln und Wegen. In Ersteren können sie kaum gemäht werden, über das Wegenetz werde das Heu abtransportiert, wobei dann auch Samen verbreitet werden. Inwieweit Schafe oder Wildschweine Samen über den Kot oder ihr Fell weiterverteilen, müsse noch untersucht werden.

Man werde die Lupine aus der Region nicht mehr herausbekommen, betonte Otte. Man könne sie lediglich zurückdränen und eindämmen. Entscheidend seien dazu Landwirte, die die Wiesen rechtzeitig und möglichst zwei Mal im Jahr mähen und so das Aussamen zu verhindern. Dass dabei der Schutz von Birkwild und anderen Wiesenbrütern berücksichtigt werden müsse, wurde als ein Problem diskutiert.

Bekämpfung von den Rändern her

Zentral bei der Lupinenbekämpfung, so Otte, sei es, einzelstehende Exemplare zu beseitigen, die die meisten Samen verbreiten. Man müsse vom Rand auf die stark belasteten Flächen vordringen. Das Zurückdrängen der Lupine dauert so seine Zeit. Sieben bis zehn Jahre treibt die Pflanze auch nach dem Mähen immer wieder aus.

Mit dem Zurückdrängen der Lupinen stellt sich allerdings die Frage, wie sich die Wiesen danach entwickeln. Auch hier hatte die Wissenschaftlerin ein erfreuliches Ergebnis mitgebracht. Proben auf den Testflächen in der Langen Rhön hätten ergeben, dass sich in vormals stark von Lupinen bewachsenen Böden noch viele Samen der ursprünglichen Arten finden, die austreiben können. Lupinensamen dagegen seien nur in sehr geringer Zahl festgestellt worden.

Im Rahmen des Forschungsprojektes soll nun ermittelt werden, wie die ursprünglichen Wiesen wiederhergestellt werden können. Neben einer gewissen Bodenbearbeitung soll dabei Mähgut von lupinenfreien Wiesen aufgebracht werden, um über den darin enthaltenen Samen eine größere Artenvielfalt herzustellen.

Pellets und Biogas

Für Michael Wachendorf von der Universität Kassel steht neben der Erfassung der Pflanzenbestände mit modernster Technik vor allem die Verwertung der Biomasse in einer integrierten Festbrennstoff- und Biomasseproduktion im Blickpunkt. Wie der Professor für Grünlandwissenschaft und nachwachsende Rohstoffe erläuterte, laufen derzeit Gespräche mit einem Investor eine entsprechende Anlage, die wirtschaftlich betrieben werden solle, zu erreichten.

Schwerpunkt der Diskussion in der Elstalhalle war neben den verschiedenen Mähtechniken der nach Ansicht der Landwirte durch den Vertragsnaturschutz zu starr festgelegte Mähzeitpunkt. Wie Thomas Stumpf vom Landratsamt Rhön-Grabfeld verdeutlichte, seien auch hier Umstellungen zu erwarten.

„Es ist noch nicht zu spät für die Wiederherstellung der Rhöner Wiesen“
Professor Annette Otte, Universität Kassel
 
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