
Einfach die herrliche Natur genießen. Das ist das Ziel vieler, die im Frühsommer die Hochrhön besuchen. Und die bunten Rhönwiesen bieten diesen Genuss. Gelb, blau, rot oder weiß bezaubern sie nicht nur die Wanderer. Meist lila leuchtend ragt dazwischen immer wieder eine langstielige Blüte mit dichtem grünen Blattwerk heraus und bereichert das Bild. Doch die Idylle trügt. Gerade diese eigentlich schöne Blume gehört nicht nur nicht hierhin, sie gefährdet gar den Bestand der Rhöner Wiesen: die Lupine.
„Die Lupine ist die Geißel der Rhönwiesen“, bringt es der Gebietsbetreuer der Wildland-Stiftung für das Naturschutzgebiet Lange Rhön, Torsten Kirchner, auf den Punkt. Auch wenn es ihm manchmal wie ein Kampf gegen Windmühlen vorkommt, organisiert er seit Jahren die Maßnahmen gegen die weitere Ausbreitung der Lupine im Schutzgebiet.
Denn die Pflanze aus der Familie der Hülsenfrüchte ist gleich in mehrfacher Weise höchst problematisch. Zum einen verbreitet sie sich schnell und großflächig und nimmt anderen Pflanzen den Raum. Zum anderen reichert sie die Böden mit Stickstoff an, weshalb viele der raren, aber an magere Standorte gebundenen Pflanzen hier nicht mehr wachsen können. Und nicht zuletzt verderben Lupinen das wertvolle Rhönheu, da es ab einem entsprechenden Lupinenanteil von den meisten Tieren nicht mehr gefressen wird.
Um das Ausmaß der Lupinenverbreitung zu dokumentieren, hat Kirchner, dessen Stelle vom Bayerischen Naturschutzfonds finanziert wird, die Lange Rhön überflogen, fotografiert und die Bilder auf Karten übertragen. Und das Ergebnis war erschreckend. Was einst als Störung auf kleinen Flächen begonnen hat, ist inzwischen zum „Flächenbrand“ geworden, bedauert er. Wer heute zum Beispiel über den Oberelsbacher Graben läuft, kann ein eindrucksvolles Bild von der Tristesse einer Lupinen-Monokultur gewinnen.
Seit Jahren gehen Naturschützer daher gegen die Lupinen in der Rhön vor. Allerdings mit eingeschränktem Erfolg, wie Kirchner festgestellt hat. In Flächen, auf denen die Pflanze regelmäßig bekämpft wird, geht ihr Bestand zurück, auf vielen anderen Flächen nimmt er gleichzeitig stark zu. Die Entwicklung droht dramatisch zu werden.
Ein Grund, warum der Kampf gegen die Lupinen bislang weitgehend erfolglos war, ist ein klassischer Naturschutzkonflikt. Um die Lupinenproblematik effektiv anzugehen, müssten die Pflanzen vor dem Aussamen, also möglichst früh, gemäht werden. Dagegen spricht, dass bei zu frühem Mähen die sensiblen und höchst seltenen Bodenbrüter in den Wiesen gestört würden, die gerade in der Zeit bis Mitte Juli ihre Eier ausbrüten beziehungsweise den Nachwuchs aufziehen.
Die Lupinen zugunsten der Bodenbrüter wachsen zu lassen, funktioniert auch nicht. Die Vögel benötigen die reichhaltigen Magerwiesen als Lebensraum. Eine Lupinenwiese ist eine „ökologische Falle“, wie es Biologe Kirchner bezeichnet. Zum einen überwuchern die Pflanzen die Nester, zum anderen finden die Vögel hier kaum Nahrung und der Nachwuchs verhungert regelrecht.
„Die Lupinen sind eine absolute Gefahr für die Rhön geworden“, so das Fazit von Kirchner. Daher hat er zusammen mit der mit der Unteren Naturschutzbehörde und dem Landschaftspflegeverband des Landkreises Rhön-Grabfeld ein neues Bekämpfungskonzept entwickelt: „Um die Bestände der Bodenbrüter und die Wiesen zu retten, müssen wir jetzt in den saueren Apfel beißen und früher mähen“, so der Fachmann. Das soll vor allem auf Flächen geschehen, wo der Befall am schlimmsten und der Konflikt mit dem Bodenbrüterschutz überschaubar ist. Dabei sieht er es als unausweichlich an, dass es mit dem Vogelschutz Probleme geben wird.
Möglich wurde das neue Konzept auch, weil die fünfjährige Laufzeit vieler Verträge für den Vertragsnaturschutz in der Langen Rhön mit den Bauern ausgelaufen ist. Nach den neuen Vereinbarungen liegt der Mahd-Beginn jetzt zwei Wochen früher, also schon Mitte Juni. Pächter von Landkreisflächen wurden gar verpflichtet, ihre Wiesen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu mähen. So sind Landwirte schon in diesen Tagen mit ihren Mähwerken in den Hochlagen der Rhön unterwegs.
Die Landwirte sind dazu angehalten, auch in Randbereichen, die nicht maschinell erfasst werden können, Lupinenpflanzen zu beseitigen. „Die alten Rhöner hatten früher immer Sense und Rechen bei der Heuernte dabei, um auch die Ecken sauber auszumähen“, möchte Kirchner die Landwirte ermuntern, dass jeder für seine Flächen wieder mehr Verantwortung übernehmen soll. Es seien häufig nur fünf Minuten Arbeit, um ein am Rand gelegenes Lupinennest zu beseitigen.
Neu ist auch, dass Justin Fuß mit dem Pistenbully der Kreuzberglifte in die Lange Rhön kommt. Eigens für die Lupinenbekämpfung hat er ein spezielles Mähwerk angeschafft, das gleich das Mähgut aufnimmt und so ein Aussamen verhindert. Das Fahrzeug, mit dem im Winter die Pisten am Kreuzberg präpariert werden, kann dank seiner Ketten in ansonsten nicht befahrbaren extrem nassen Flächen arbeiten, ohne größere Schäden zu verursachen.
Nach dem Mähen sollen dann Schafherden über die freien Flächen ziehen und sich an Steinriegeln oder anderen nicht mähbaren Bereichen die Lupinen schmecken lassen. Aber auch das muss schnell geschehen. Andernfalls tragen die Schafe über Samen in der Wolle, den Klauen oder ihren Ausscheidungen sogar dazu bei, die Lupinen zu vermehren. Finanziert werden all die Maßnahmen über das Vertragsnaturschutzprogramm und den Landschaftspflegeverband.
Gleichzeitig rücken auch heuer wieder zahllose freiwillige Helfer mit Sensen und anderen Gerätschaften in der Rhön ein, um an Steinriegeln und anderen für die Landwirte unzugänglichen Stellen, ihren Beitrag zur Lupinenbekämpfung zu leisten.
Wer, wann und wo mäht, all das koordiniert Torsten Kirchner. Da müssen wieder Schulklassen, Behinderteneinrichtungen oder Einzelkämpfer eingeteilt werden. Der Rhönklub-Zweigverein Bad Brückenau schützt zum Beispiel auf seiner Patenfläche am Franzosenweg eine wunderschöne Arnikawiese vor dem drohenden Lupinenbefall. Auch Mitarbeiter des Landratsamts mit Landrat Thomas Habermann betreuen seit Jahren eine solche Patenfläche.
Natürlich ist auch die für ihr Lupinenengagement hoch ausgezeichnete Bergwacht wieder dabei. Heuer hat „Lupinenbeauftragte“ Bärbel Ludwig um die Ehre und eine deftige Brotzeit gewettet, dass es der Sparkasse nicht gelingen wird, 50 Mitarbeiter an einem bestimmten Termin zum Lupinenmähen auf die Rhön zu schicken. Weiter werden zum Beispiel zahlreiche Freiwillige des bundesweit aktiven Bergwaldprojekts zu zwei Projektwochen erwartet, in denen auch sie Lupinen auf den Rhönwiesen mähen wollen.
Aber auch andere leisten einen wichtigen Beitrag. So kümmert sich die Straßenmeisterei seit Jahren darum, dass die Straßengräben entlang der Hochrhönstraße, in denen sich Lupinen sehr verbreitet haben, rechtzeitig gemäht werden. Einige Bürgermeister anliegender Gemeinden sorgen dafür, dass dies auch in ihrem Zuständigkeitsbereich geschieht. Neben all den touristischen, naturschutzfachlichen oder auch ästhetischen Beweggründen für dieses vielfältige Engagement, weist Kirchner auf ein weiteres entscheidendes Argument hin, die so artenreichen und hochwertigen Rhöner Bergmähwiesen zu schützen. Es gibt nämlich eine Verpflichtung, die wertvolle Pflanzengesellschaft zu erhalten. Schließlich handelt es sich hier um nach der FFH-Richtlinie geschützte Bereiche, und für solche Gebiete gebe es ein rechtlich verankertes Verschlechterungsverbot.
Bis Mitte Juli, wenn die Arbeiten abgeschlossen sein sollen, hat Kirchner also noch viel zu tun. Für ihn ist das Ganze ein „wahnsinnig arbeitsintensives Projekt“. Manchmal mische sich die Farbe der Lupinenblüte gar in seine nächtlichen Träume. Da bleibt ihm und seinen Mitstreitern nur zu hoffen, dass alles klappt: „Wenn das Wetter nicht mitspielt, dann mäht keiner und die Lupine bekommt wieder einen Vorsprung.“
Helfer willkommen
Auch in diesem Jahr sind wieder die verschiedensten Organisationen und freiwillige Helfer dabei, wenn es gilt, auf der Hochrhön die Lupinen zu mähen und somit zum Erhalt der Rhöner Bergwiesen beizutragen. Die Vegetationsentwicklung in diesem Jahr ist gegenüber 2014 etwas verzögert, sodass die Teilnehmer, mit Sensen ausgestattet, noch vor Entwicklung der Samenreife die weitere Ausbreitung der „blauen Schönheit“ auf den Rhönwiesen verhindern können. Es gibt dazu in den kommenden Wochen verschiedene Termine. An all diesen Terminen, so Torsten Kirchner, können Freiwillige teilnehmen, unabhängig davon, ob sie Mitarbeiter oder Mitglied der jeweiligen Organisation sind.
Der nächste Termin ist Mittwoch, 24. Juni. Hier treffen sich Interessierte mit den Helfern der Bergwacht an der Schornhecke. Beginn der Aktion ist um 18 Uhr.
Am Samstag, 27. Juni, werden zahlreiche Mäher erwartet. Helfer von Rhönklub, Lebenshilfe und Landratsamt treffen sich an diesem Tag um 9 Uhr an der Schornhecke.
Am 30. Juni um 18 Uhr ist die Schornhecke erneut Treffpunkt für Lupinenmäher. Besonders eingeladen sind hier die Helfer von Bergwacht und Landratsamt.
Am Freitag, 3. Juli, um 9 Uhr wird die Aktion wieder für Mitglieder des Rhönklubs organisiert. Treffpunkt ist die Schornhecke.
Am 6. Juli steigt dann um 18 Uhr die Wette, bei der die Sparkasse gefordert ist, mehr als 50 Helfer um 18 Uhr an die Schornhecke zu bringen.
Interessierte Gruppen oder Sensenteams einzelner Rhönklub-Zweigvereine können sich bei Torsten Kirchner, Tel. (09 31) 380-16 69, Mobil: (01 75) 8 46 28 49, E-Mail: torsten.kirchner@reg-ufr.bayern.de melden, damit er Einteilung und Uhrzeit vereinbaren kann.