Anfang 1987 hatte sich Fritz Steigerwald, der damalige Landrat von Rhön-Grabfeld auf nach München gemacht. Sein Ziel: das Finanzministerium. Da kommt ein bayerischer Landrat zwar öfter hin, doch diesmal war nicht der Minister oder einer seiner Staatssekretäre der Gesprächspartner Nummer eins. Diesmal sprach Steigerwald mit einem gebürtigen Rhöner. Steigerwald war auf Abwerbetour. Er brauchte einen Kreiskämmerer. Und der gebürtige Wechterswinkeler Winfried Miller, der damals im Finanzministerium in München arbeitete, schien ihm genau der richtige Mann zu sein. Ihm konnte man die Kreisfinanzen anvertrauen.
Ab Mai 1987 Chef der Kreiskämmerei
Wir wissen nicht, ob Steigerwald lange brauchte, um Miller zu überzeugen, wieder in die Heimat zurückzukehren, fest steht: er hatte Erfolg. Miller trat im Mai 1987 seinen Posten als Chef der Kreiskämmerei in Bad Neustadt an. 32 Jahre lang war er seither für die Kreisfinanzen zuständig. Offiziell genau bis zum 27. Juni 2019. Denn tags darauf begann Millers passiver Teil der Altersteilzeit. Verabschiedet wird er am Montag, 8. Juli, im Kreistag.
Nach einem vierjährigen Gastspiel in München kehrte Miller 1987 in die Heimat zurück. Ein Rückkehrer mit besten Vorkenntnissen für seinen neuen Job. Denn in der Landeshauptstadt hatte er durch seine Arbeit im Finanzministerium bereits viel mit Kämmerern zu tun gehabt und hatte gute Kontakte zu vielen Kommunen. "In die Heimat zurückzukehren, hatte ich schon immer für die berufliche Entwicklung in Betracht gezogen", so Miller.
Großinvestition Kreiskrankenhaus
Nach der Realschule in Bad Neustadt, dem Studium an der Schule für Steuerverwaltung in Herrsching, die er als Diplom-Finanzwirt abschloss, und zwei Zwischenstationen an den Finanzämtern Bad Neustadt und Würzburg, war er nach München gekommen. Im Landratsamt Bad Neustadt hatte Miller in seinen 32 Jahren übrigens gerade einmal zwei Chefs. Bis 2003 war es Steigerwald, danach Thomas Habermann.
In dieser Zeit hat Miller Millionen von zunächst DM und dann Euro bewegt. Fragt man ihn nach den größten Investitionen in seiner Amtszeit, dann kommt eine Antwort von ihm, an die man zunächst nicht denkt. "Der Neubau des Bad Neustädter Kreiskrankenhauses!" Das war eine der ganz großen Investitionen, die Miller gleich zu Beginn seiner Kreiskämmerer-Zeit abwickelte. "Über 90 Millionen DM waren das damals", erinnert sich Miller. Und jetzt, am Ende seiner Dienstzeit, steht das Gebäude der Kreisklinik nach dem Umzug zum Rhön-Klinikum Campus leer. Noch steht nicht fest, was daraus wird.
30 Millionen DM Begrüßungsgeld
Auch 1989/90 zählt er als markantes Jahr auf. "Bei der Grenzöffnung waren allein an Begrüßungsgeld bei uns 30 Millionen DM auszuzahlen", weiß Miller noch genau. Und: "Wie das an die Auszahlungsstellen kam, war teilweise abenteuerlich." Sämtliche Sicherheitsvorschriften habe damals Landrat Steigerwald missachtet, als er im Auto Tüten voller Geld an die Auszahlungsstellen nach Mellrichstadt brachte, das damals wegen des Ansturms von DDR-Bürgern als erste größere Anlaufstelle nach der Grenze aus allen Nähten platzte. Und im Anschluss an die Grenzöffnung explodierte der Ausbau und damit die Finanzierung der Verbindungstraßen Ost-West, erinnert sich Miller. Wieder viel Arbeit.
Großen Wert hat der Landkreis immer auf seine Schulen gelegt. Das hat vor etwa 30 Jahren mit dem Neubau und der Sanierung der Fachoberschule begonnen, dem ersten Schulprojekt von Miller. Gymnasien, Realschulen, die Berufsschule und Fachschulen - viele Millionen sind in deren Sanierung geflossen und fließen immer noch, so Miller.
Umwälzungen in Schüben
Viel Arbeit war die Umstellung des Kreishaushalts vom sogenannten kameralistischen System, das praktisch nur Ein- und Ausgaben erfasste, auf das deutlich komplexere kaufmännische System, die sogenannte Doppik, oder doppelte Buchführung. Die stellt alle Werte dar, unter anderem auch Immobilien. Da musste vieles zusammengesucht und bewertet werden. 2010 präsentierte Miller die Doppik zum ersten Mal im Kreistag
Ein großes, ein umwälzendes Thema war in Millers Amtszeit die Digitalisierung. "Die Betriebsabläufe wurden dadurch immer schneller", sagt Miller. Er erinnert sich noch gut an die Zeit, in der man noch mit Durchschlagpaier auf der Schreibmaschine arbeitete, als Excel noch nicht automatisch gleich mitrechnete. Datenverarbeitung beginnt für ihn mit Lochstreifen als Speichermedium. Die waren aber bald überholt, ebenso wie inzwischen Disketten. "Es waren gewaltige Umwälzungen", stellt Miller fest. Umwälzungen, die in Schüben kamen. Und das wird so weiter gehen, ist Miller überzeugt. Der nächste große Schritt wird sein, dass Rechnungen und Kassenanweisungen digital erstellt und verschickt werden, sagt Miller. Das geschieht derzeit am Landratsamt noch auf Papier. "Behördengänge werden mehr und mehr digital", so die Einschätzung Millers für die Zukunft.
Und jetzt: Kein Zeitdruck mehr
Und was macht nun ein Kreiskämmerer, wenn er nicht mehr mit Zahlen jonglieren muss? Erst einmal kommt da natürlich ein bisschen Wehmut auf, denn "der Job hat ja Spaß gemacht", sagt Miller. Auf der anderen Seite hat man mehr Zeit. "Es gibt keinen Zeitdruck mehr. Man kann Urlaub machen, wann man will", freut sich Miller. Dass es ihm langweilig werden wird, befürchtet der 62-Jährige jedenfalls nicht. Er will sich verstärkt um Haus, Hof und Garten in Rödelmaier kümmern. Und er freut sich auf mehr Zeit, um zu verreisen - sei es zum Skifahren im Winter, ans Meer im Sommer, oder einfach nur zum Wandern in der Rhön. Außerdem hat Miller jetzt mehr Zeit für ein echtes Rhöner Hobby: mit der Motorsäge in den Wald gehen und Holz machen für den Winter.
Dass sein Abschied aus der Kreiskämmerei nicht nur bei ihm selber ein wenig Wehmut aufkommen lässt, das hat sich im Frühjahr gezeigt, als Miller seinen letzten Haushaltsentwurf im Kreistag vorlegte. Dabei gab es noch mehr lobende Worte für seine Arbeit aus allen Fraktionen für die gute Zusammenarbeit. Doch für adäquate Nachfolge ist ja gesorgt. Seit 1. Juli vergangenen Jahres war bereits Heidrun Vorndran als Millers designierte Nachfolgerin in der siebenköpfigen Kreiskämmerei. Sie hat nun nach einem Jahr Einarbeitungszeit Millers Position übernommen.