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Ostheim
Wasserschutzgebiet verhindert Verkauf der Firma Nix & Zinn
Nachdem nun schon zwei mögliche Interessenten abgesprungen sind, fühlt sich der Ostheimer Sägewerksbesitzer Karlheinz Herda zwangsenteignet.  Was sind die Hintergründe?
Luftaufnahme des Areals der Firma Nix & Zinn. Doch die idyllische Lage an der Streu hat auch ihre Tücken.
Foto: Wolfgang Sporck | Luftaufnahme des Areals der Firma Nix & Zinn. Doch die idyllische Lage an der Streu hat auch ihre Tücken.
Tanja Heier
 |  aktualisiert: 08.02.2024 18:10 Uhr

Während andere mit 74 Jahren längst im Ruhestand weilen, bleibt Ostheims Sägewerksbetreiber Karlheinz Herda keine Wahl: Will er sein 1870 gegründetes Unternehmen nicht komplett schließen, muss der Kaufmann den Geschäftsbetrieb wie bisher in Eigenregie weiterbetreiben.  Warum das so ist, warum ein Verkauf kurzfristig scheiterte und warum eine behördliche Anordnung für ihn schwer nachvollziehbar ist, erläutert er gegenüber dieser Redaktion –mit Unmut und Unverständnis.

Eigentlich ist Karlheinz Herda nicht abergläubisch, aber Freitag, der 13. August 2021 brachte ihm kein Glück. 13 Stunden vor dem angesetzten Notartermin zum Verkauf der Firma an die Holzwerke Michael Menz in Reulbach machte deren Besitzer einen Rückzieher. Dabei habe man von Anfang an offen gesprochen und sei schließlich handelseinig gewesen, zeigt sich Karlheinz Herda noch Wochen danach tief bestürzt.

Priorität hat die Arbeitsplatzsicherung

Im Alter von 60 Jahren überlegte er erstmals, das Areal zu verkaufen. Oberste Priorität hatte dabei, dass alle Mitarbeiter (derzeit sind es zehn), übernommen werden. Betriebsleiter Wolfgang Seifert hält dem Kaufmann seit 45 Jahren die Treue, ohne Leute wie ihn wäre der Betrieb nicht das, was er ist, betont Herda dankbar.

2016 bekundete Bauunternehmer Julian Lörzel aus Oberwaldbehrungen Kaufinteresse. Wie sich herausstellte, vereitelte ein hier bestehendes Wasserschutzgebiet die Nutzungsänderung des Sägewerksgeländes in eine Baufirma. Wie die Stadt Ostheim auf ihrer Internetseite erklärt, ist das Gebiet rund um Kupfermühle/Sägewerk Nix & Zinn der Schutzzone II zugeordnet. Dabei hat Herda als Obmann der "Hege- und Fischereigenossenschaft Streu und Nebengewässer" großes Verständnis für den Gewässerschutz. Schon lange macht er sich für den Naturschutz stark. Somit stand fest, dass ein Unternehmer gefunden werden musste, der den Betrieb als Sägewerk in bewährter Weise weiterbetreibt.

Im März 2021 trat Michael Menz auf den Plan. Viele Gespräche später, bei denen auch Bürgermeister Steffen Malzer, Vertreter des Wasserwirtschaftsamtes Bad Kissingen, des Wasserzweckverbands Mellrichstädter Gruppe sowie Experten des Landratsamtes zugegen waren, blickte Karlheinz Herda optimistisch voraus. Es sah gut aus. Unterdessen hatte er seine Produktpalette den Wünschen von Michael Menz angepasst, die Vorfreude auf eine fruchtbare Zusammenarbeit – Herda sollte beratend tätig sein – stieg. Gerade mal 13 Stunden vor der Besiegelung des Vertrags trat der Reulbacher Unternehmer von seiner Zusage zurück. Als Grund nannte er hohe Auflagen, an die er bei einer Expansion gebunden wäre. Innerhalb kurzer Zeit wurde durch das Wasserschutzgebiet ein weiterer potenzieller Käufer verprellt. "Ich fühle mich zwangsenteignet", macht Karlheinz Herda seinem Unmut Luft.

Wichtiges Trinkwassereinzugsgebiet

Steffen Malzer kann den Unternehmer verstehen. Sowohl Altbürgermeister Ulrich Waldsachs als auch er als amtierender Stadtchef hätten ihr Bestes versucht, seien um konstruktive Lösungen bemüht und hätten die bisweilen nicht nachvollziehbaren Vorschriften der Behörden außer Kraft setzen wollen. Malzer verdeutlicht bildlich, wie wenig es nütze, wenn beispielsweise in Fladungen oder auf Höhe der Bionade GmbH Verunreinigungen in die Streu kämen, jedoch lediglich das Gebiet rund um die Kupfermühle als Schutzzone ausgewiesen werde. "Das macht absolut keinen Sinn, bekanntlich kennt Wasser keine Grenzen, es fließt nun einmal von oben nach unten." Geholfen hat das alles nichts. Malzers ernüchterndes Resümee: "Das Ganze ist eine Katastrophe für den Standort Ostheim."

Karlheinz Herda leitet den Familienbetrieb in der fünften Generation. Allen Widrigkeiten zum Trotz hofft er darauf, einen Käufer zu finden.
Foto: Tanja Heier | Karlheinz Herda leitet den Familienbetrieb in der fünften Generation. Allen Widrigkeiten zum Trotz hofft er darauf, einen Käufer zu finden.

Michael Menz ließ der Redaktion eine Erklärung zukommen, in der er betont, sich lange und intensiv mit dem eventuellen Erwerb des Sägewerks beschäftigt zu haben. Die Gespräche mit Karlheinz Herda seien sehr angenehm gewesen und er habe sich auf das Projekt gefreut, gerade weil Herda seine Unterstützung zugesagt habe. Über das Thema Bachlauf und Wasserschutzgebiet sei ausführlich gesprochen worden. Auch, dass das Werk Bestandsschutz hat und nur ein holzverarbeitender Betrieb an diesem Standort betrieben und eventuell erweitert werden könne. Leider sei ihm bis zum Termin mit den Behörden (Bürgermeister, Landrat, Naturschutz, Wasserbehörde und Spezialisten für Trinkwasser) nicht bekannt gewesen, dass "das Gelände Nix & Zinn das wichtigste Trinkwassereinzugsgebiet für den Bezirk Rhön-Grabfeld ist".

Er sei immer nur vom Graben und Hochwasserschutz ausgegangen. "Einen Tag vor Vertragsunterzeichnung stellte sich dann heraus, dass jegliche Veränderungen am Gelände und an den Gebäuden mit hohen Auflagen verbunden sind! Es ist zwar mehrfach gesagt worden, dass dies nicht grundsätzlich unmöglich sei, jedoch gab es auch keine feste Zusage. Unter diesen Umständen war ich gezwungen, vom Kauf abzusehen. Diese Entscheidung ist mir alles andere als leichtgefallen", so Menz.

Risiko für die Trinkwasserversorgung

Das Landratsamt Rhön-Grabfeld als untere Wasserrechts- und Bauaufsichtsbehörde bestätigt in einer Stellungnahme, dass das bestehende Sägewerk  umfassenden Bestandsschutz genießt und auch nach den Festsetzungen des Wasserschutzgebietes weiterbetrieben werden könne. Allerdings habe der "Erwerber beabsichtigt, den Gebäudebestand zu modernisieren und darüber hinaus eine nicht unwesentliche Erweiterung um weitere Anlagenteile vorzunehmen".  In den dann erforderlichen Genehmigungsverfahren wären wasserwirtschaftliche und naturschutzfachliche Gegebenheiten zu berücksichtigen. Das hätte dann "zu erhöhten Anforderungen bei der Bauausführung" führen können.

Der Betrieb, so die Wasserrechtsbehörde weiter, liege in der engeren Schutzzone des Wasserschutzgebietes für die Trinkwasserversorgung des Wasserzweckverbandes Mellrichstädter Gruppe (Mittelstreuer Quellen). Aufgrund geologischer Besonderheiten könnten hier innerhalb kurzer Zeit Schadstoffe in die Brunnen der Trinkwasserversorgung in Mittelstreu gelangen. Vor allem im Hochwasserfall sei ein "nicht unerhebliches Risiko" von Verunreinigungen vorhanden. Entsprechend seien "wasserwirtschaftliche Auflagen an Bau und Betrieb des Werkes zu stellen, insbesondere bei Niederschlagsentwässerung, Eingriffen in den Untergrund bei Bautätigkeiten oder Geländeveränderungen etc."

Die Hoffnung bleibt

Daher sei dem Kaufinteressenten empfohlen worden, das Vorhaben und die konkreten Auflagen auf dem Weg einer Bauvoranfrage prüfen zu lassen. Dabei hätten naturschutzfachliche Belange geklärt werden können. Dazu sei es aber nicht mehr gekommen, da der mögliche Käufer das Projekt aufgegeben habe.

Bei allem Ärger lautet die gute Nachricht, dass es im Sägewerk zunächst wie gewohnt weitergeht. Den treuen Kundenstamm sowie manchen privaten Häuslebauer dürfte es freuen. Indes hofft Karlheinz Herda darauf, einen passenden Käufer zu finden. Wie heißt es so schön: Aller guten Dinge sind drei.

Die Kupfermühle

Seit 1870 ist die Kupfermühle im Familienbesitz. Bis Ende des Ersten Weltkriegs wurde sie als Mahl- und Schneidmühle betrieben. Seit 1929 heißt die Firma Nix & Zinn. Schreinermeister Hermann Zinn führte die Holzverarbeitung ein. Stück für Stück wurde der Betrieb aus der Hochwasserzone nach Norden auf höheres Terrain verlegt. 1940 übernahm Tochter Elfriede die Büroarbeit. Nach Kriegsende beschlagnahmte die US-Armee das Werk. Nach seiner Internierung übernahm es Hermann Zinn 1947 wieder. Kurz darauf kehrten seine beiden Schwiegersöhne Johannes Herda (Elfriedes Ehemann) und Hermann Pfefferkorn zurück. Mit Johannes Herda stieg nach erfolgreicher Ausbildung 1969 auch dessen Sohn Karlheinz in den Familienbetrieb ein. Inzwischen leitet Karlheinz Herda das Sägewerk in der fünften Generation. Wäre nicht die Pandemie dazwischengekommen, hätte man 2020 das 150-jährige Bestehen gefeiert.
hei
 
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