Friedrich Schiller nannte Theaterbühnen "Bretter, die die Welt bedeuten". Ähnlich ist es auch für die die Wargolshäuser Gardemädchen. Sie trainieren oftmals monatelang und studieren ihre anspruchsvollen Tänze ein. Bedingt durch die Corona-Pandemie konnten und können sie keinem Live-Publikum präsentieren. Abhilfe sollten digitale Alternativformate schaffen.
Deshalb war die Anspannung für die "Blauen Dragoner" der Wargolshäuser Wa-Ka-Ge ähnlich hoch wie bei einer normalen Prunksitzung. Vielleicht sogar noch ein Ticken höher, da sie bei der Aufzeichnung der FEN-Auftaktsitzung am 15. Januar mit ihrem Schautanz den krönenden Abschluss liefern sollten. So ein "Finaltanz" ist schließlich für die Tänzerinnen eine Ehre. Alles lief bei der Aufzeichnung nach Plan und die Trainerinnen Hannah Reinhart und Eva Gans waren zufrieden mit der Leistung ihrer Garde. Der Aufwand schien sich gelohnt zu haben.
Die närrischen Bildschirme blieben schwarz
Eine Woche nach der Aufzeichnung, am Samstagabend, sollte dann ein Zusammenschnitt der Sitzung über die Videoplattform YouTube veröffentlicht werden. Gespannt warteten da schon viele Närrinnen und Narren vor TV-Geräten und Tablets, freuten sich auf vier Stunden Faschingsunterhaltung in trüben Corona-Zeiten. Schließlich war dieses Faschingsevent im Vorfeld angekündigt worden. Doch die närrischen Bildschirme blieben schwarz. Was war passiert?
"Wir wollten das Video der FEN-Auftaktsitzung am Samstagnachmittag hochladen und pünktlich um 19 Uhr online gehen. Doch dann erschien eine Nachricht, die uns die Veröffentlichung nicht erlaubte. Eine fehlende Lizenz war das Problem", erklärt Heiko Förster, Präsident der Föderation Europäischer Narren Deutschland. Wie alle anderen Vereine hatten sich auch die Wargolshäuser im Vorfeld um eine GEMA-Lizenz gekümmert. Diese zählte für alle verwendeten Lieder. Nur gab es offenbar einen Sonderfall.
Helene Fischers "Achterbahn" sorgt für enttäuschte Gesichter
Nach hektischem Suchen kristallisierte sich schnell die Ursache heraus: Schlager-Superstar Helene Fischer. Denn die Wargolshäuser Garde nutzten in ihrem Schautanz Fischers Lied "Achterbahn". Gerade einmal für 90 Sekunden des besagten Liedes tanzten die "Blauen Dragoner" in ihrer sechsminütigen Vorstellung.
Das war aber offenbar der Videoplattform egal. Ohne Lizenzvertrag durfte das Video nicht publiziert werden. Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder die ganze Sitzung ins Wasser fallen lassen beziehungsweise nicht veröffentlichen, oder das Video ohne die Wargolshäuser Garde zeigen. "Wir haben an diesem stressigen Nachmittag wirklich alles versucht, um den Wargolshäuserinnen die "Teilnahme" noch zu ermöglichen. Doch die Option, auf die Schnelle noch eine Lizenz für "Achterbahn" zu erwerben, scheiterte."
Notgedrungen und schweren Herzens musste Heiko Förster entscheiden, dass die Firma, die den Videoschnitt übernahm, den Wargolshäuser Schautanz aus der FEN-Sitzung entfernen musste. Es kam noch schlimmer. Die Änderung des Videos und das erneute Hochladen nahm so viel Zeit in Anspruch, dass man die Veröffentlichung der Sitzung um einen ganzen Tag, auf Sonntag, verschieben musste. Auch ohne die "Blauen Dragoner."
"Es ist unglaublich enttäuschend"
Das, was sich die Wargolshäuser Garde in diesem Jahr für den Schautanz hatte einfallen lassen und wofür sie unzählige Stunden trainierten, konnte letztendlich auch am Sonntag nicht mitverfolgt werden. Hannah Reinhart: "Da hast du endlich mal, nach zwei Corona-Jahren, wieder einen Auftritt und kannst den Tanz einem großen Publikum präsentieren und dann das. Es ist unglaublich enttäuschend für uns alle, vor allem aber sehr schade für die Mädels, die für diesen Tag so lange und so hart gearbeitet haben."
Auch Heiko Förster ist enttäuscht: "Es ist eine herbe Niederlage für uns und vor allem für die Wa-Ka-Ge. Für die tut es mir am meisten leid. Schließlich machen wir solche Sitzungen – egal ob digital oder in Präsenz – nicht für die FEN, sondern für die Aktiven, die den Fasching in der Region mitgestalten und zu dem machen, was er ist.
Minimallösung kostet 800 Euro
Mittlerweile mussten Hannah Reinhart und Eva Gans feststellen, dass die Verantwortlichen von Universal Music, welche Helene Fisches Lieder lizensiert, in Bezug auf Lizenzrechte keinen Spaß verstehen. Mindestens 800 Euro Lizenzgebühren, die "Minimallösung", würden anfallen, um das Video auch über YouTube verwenden zu dürfen. Viel Geld für einen Faschingsverein in einem Dorf mit 430 Einwohnern. Dazu nimmt so ein Vertrag bis zu drei Wochen in Anspruch. Dann wäre der Fasching schon vorbei.
Wargolshäuser bei Urheberrecht gebrannte Kinder
Es ist nicht das erste Mal, dass Wargolshausen mit Rechte-Lizenzen in Konflikt kommt. Zum einen musste 2016 – wegen Verletzung des Markenrechts – eine "Moulin-Rouge"-Faschingsparty umbenannt werden, zum anderen musste die Wargolshäuser Feuerwehr wegen einer "Malle"-Party 2018 eine hohe Geldstrafe zahlen, weil das Wort "Malle" ein geschützter Begriff ist.
Zwei kleine Lichtblicke gibt es trotz allem für die Blauen Dragoner. Zum einen war wenigstens der Marschtanz in dem Video zu sehen, zum anderen präsentieren sie ihren Schautanz am Faschingssamstag ihrem "Heimpublikum". Da will die Wa-Ka-Ge mit einer eigenen Digitalsitzung eine Stückchen Fasching feiern. Auch Universal will da dann ein Auge zudrücken, weil die Sitzung nicht auf einer öffentlichen Plattform veröffentlicht werden soll und keine "kommerziellen Ziele" verfolgt.