Dass Abfall am Ende wiederverwertet werden kann, ist das Ziel der heutigen Zeit. So etwas ist mit der Gewinnung von Kohle aus Klärschlamm gelungen. Seit weit über einem Jahrzehnt arbeitet die Firma Renergie gemeinsam mit der Agrokraft an diesem Prozess und hat schon mehrere Pilotanlagen in Betrieb genommen. Jetzt sind die Akteure – und mit ihnen fünf weiteren Initiativen aus Unterfranken – in den Genuss eines europäischen Förderprogramms gelangt, mit dessen Hilfe die Herstellung von Düngemittel aus Klärschlamm zur Marktreife gebracht werden soll.
Die mit der Zusage bedachten Anträge sind ausnahmslos von der Agrokraft eingereicht worden und stellen Initiativen im landwirtschaftlichen Raum vor, erklärt Projektmanagerin Sarah Flach. Vertreten ist unter anderem ein Projekt zur Untersuchung der Wechselwirkung von Photovoltaik und Ackerbau, ein weiteres Projekt beschäftigt sich damit, wie die Herstellung von Biogas mit der Förderung von Biodiversität in Einklang gebracht werden kann. Außerdem befasst sich ein Projekt damit, wie Übernachtungsangebote in landwirtschaftlichen Betrieben geschaffen werden können.
Die am weitesten fortgeschrittene Innovationsinitiative ist jedoch das Projekt von Renergie. Am Sitz des Unternehmens in Bad Königshofen beschreibt Geschäftsführer Peter Wieczorek die Funktionsweise einer Pilotanlage.
Anlage ahmt die natürliche Braunkohleentstehung nach
Der Prozess, der in der Anlage stattfindet, ahmt die natürliche Braunkohleentstehung nach. In der Natur entstand Braunkohle, indem organische Substanzen wie beispielsweise abgestorbene Pflanzen für Millionen von Jahren unter Sauerstoffabschluss, hohen Temperaturen und hohem Druck ausgesetzt gewesen sind. Diese beiden Parameter werden in der Anlage so stark erhöht, dass die Umwandlung nun nur noch wenige Stunden in Anspruch nimmt. Als Ausgangsmaterial dient der Klärschlamm und das Ergebnis ist eine Hydrokohle, die als Brennstoff oder Düngung eingesetzt werden kann.
Durch weitere chemische Reaktionen während des Vorgangs werden außerdem unerwünschte Substanzen wie etwa Reste von Medikamenten und Reinigungsmitteln entfernt. Zwar sei das Endprodukt noch nicht für den ökologischen, aber für den konventionellen Landbau zugelassen. Im Gartenbau eigne es sich zudem bestens als Ersatz für Torf, dessen Abbau ökologisch höchst problematisch ist.
Der Klärschlamm, der in der Kläranlage von Bad Königshofen anfällt, wäre ausreichend, um etwa 50 Prozent des Düngerbedarfs auf der Gemarkung der Stadt zu decken. Im Landkreis Rhön-Grabfeld gebe es drei Einrichtungen, die von ihrer Kapazität her für den Einbau einer Carbonisierungsanlage prädestiniert sind.
Michael Diestel: "Es muss auch gehandelt werden"
"Es muss auch gehandelt werden", erinnert der Kreisgeschäftsführer des Bayerischen Bauernverbands (BBV) Michael Diestel an das europäische Kreislaufwirtschaftsgesetz. Danach wird ab 2029 die Ausbringung von Klärschlamm auf Feldern drastisch eingeschränkt und die thermische Verwertung untersagt, weil wertvolle Bestandteile wie Phosphor vernichtet würden.
Das Fördergeld soll nun dazu eingesetzt werden, ein Konzept zu erarbeiten, wie Anlagen wie die der Renergie marktreif gemacht werden können. Diestel stellt sich dazu eine Demonstrationsanlage auf dem Gelände des Klärwerks von Bad Königshofen vor. An diesem Punkt greift das Förderprogramm, das darauf abzielt, Akteure aus Ernährungs-, Land- und Forstwirtschaft untereinander und mit Akteuren aus Wissenschaft und Wirtschaft zu vernetzen. Hand in Hand sollen sie zukunftsweisende Innovationen schneller in die Praxis bringen.