
Was pickt man sich heraus aus den über 60, 70 Malen, die Peter Ames aus Bad Königshofen die Männerwallfahrt nach Vierzehnheiligen begleitet hat, und zwar als wichtiger Mann auf dem Gepäck-Bulldog. Vielleicht die kleine, bezaubernde Geschichte mit dem Rotkehlchen.
Schon die ganze Zeit über hatten Peter Ames und ein Wallfahrer-Kollege bemerkt, dass der große Tross der Pilger von einem Rotkehlchen begleitet wurde. Von Bad Königshofen an schwirrte es immer wieder um den Bulldog herum und piepte und zirpte. "Als wir in Seßlach Station machten, da löste sich das Rätsel auf. Zwischen den Achsen des Anhängers hatten die Rotkehlchen-Eltern ihr Nest angebracht, ein Elterntier hatte darum aufgeregt den Bulldog begleitet. Und in Seßlach machten die Jungvögel dann auch noch ihren Jungfernflug und schwirrten davon", lächelt Peter Ames über seinen vielleicht ungewöhnlichsten Transport.
Die Geschichte der Wallfahrt reicht weit zurück
Die Wallfahrt hat das ganze Leben des Bad Königshöfer Landwirts begleitet. "Mit vier Jahren war ich schon dabei und saß mit auf dem Planwagen", erzählt der Mann. Das war damals aber noch ein Vorläufer der Männerwallfahrt, die zurückreicht ans Ende des 19. Jahrhunderts. Die heute so bekannte Männerwahlfahrt wurde 1946 von Otto Heintz ins Leben gerufen. "Er hatte ein Gelübde abgegeben, weil er im Krieg in Russland verschont worden war. Zehn Meter sind die russischen Panzer an ihm vorbeigefahren, aber er kam nicht zu Tode", weiß Peter Ames aus seiner Erinnerung an Gesprächen mit Heintz.
Mit 14 Jahren war der junge Peter Ames das erste Mal dabei. Sein Vater Alfred war damals für den Transport zuständig. In den ersten Jahren kamen noch Pferdefuhrwerke zum Einsatz, die das Gepäck der Wallfahrer auf der über 60 Kilometer langen Strecke transportierten. "Das war eine Belastung für die Pferde. Ich weiß noch, wie ich ein etwas schwächeres Pferd einmal ausspannen musste, kurz vor der Basilika. Die Wallfahrer mussten ihre Sachen am Ende der Wallfahrt selbst hochtragen. Die Stelle erkenne ich bis heute sofort", weiß Peter Ames.
Bewegt vom Gelübde eines glücklichen Kriegsheimkehrers
Das Gelübde von Otto Heintz hat ihn schon als Jugendlichen so bewegt, sodass eigentlich klar war, dass er sich der Männerwallfahrt ebenfalls verschreiben würde. Die Aufs und Abs im Laufe der Geschichte hat Ames alle miterlebt. Auch eine Episode, als aus rechtlichen Gründen der Gepäck-Transport mit landwirtschaftlichen Fuhrwerken auf der Kippe stand. Die Sache ging damals sogar vor Gericht. "Aber der Richter war wohl ein Freund der Wallfahrt", erinnert sich Ames. Weil die Wallfahrer natürlich auch für die Landwirtschaft und gute Ernten beteten, konnte der Richter sein salomonisches Urteil fällen und die Fuhrwerke der Bauern konnten weiter genutzt werden.

Aber schnell war auch klar, dass die Männerwallfahrt zu groß geworden war, um sie alleine mit Pferdefuhrwerken zu begleiten. Also kam auch der Traktor zum Einsatz. Unvergessen der Lanz-Bulldog. Eine Lötlampe war zum Vorwärmen nötig. Und mit dem abgebauten Lenkrad wurde der Lanz an der Schwungmasse per Hand gestartet. Keine einfache Sache, aber Peter Ames hatte immer den Dreh raus.
In den über 60 Jahren, die Peter Ames die Wallfahrt mit Fuhrwerk oder Traktor begleitet hat, hat sein Verantwortungsgefühl nie nachgelassen. "Wo Rast ist, muss ich dabei sein", war immer das eiserne Prinzip. Denn mit dem Bulldog muss er immer wieder Bögen auf Landstraßen fahren, während die Wallfahrer zum Beispiel schmale Pfade nutzen bis zum nächsten Rastpunkt. Dann holen sich die Wallfahrer eine Brotzeit aus ihren Rucksäcken auf dem Anhänger.
Hilfe für wundgelaufene Füße
Und manch einer, der sich vielleicht den Fuß wundgelaufen hat, wird ein Stück auf dem Anhänger mitgenommen. "Mein Mann sieht, wie sich einer fühlt", sagt auch Ehefrau Lydia, die ihrem Mann stets den Rücken freigehalten hat für die Männerwallfahrt. "Solange mussten wir uns ja um den Stall kümmern", erzählt Lydia Ames. Aber samstags sind dann auch die Frauen gekommen, um mit ihren Männern Vierzehnheiligen zu erleben.
Eine zweite Regel, die Peter Ames den Wallfahrern immer mitgab: "Ich halte immer, merkt euch das!" Wer glaubt, sich mal schnell einen Regenschirm zu holen vom fahrenden Traktor-Anhänger, begebe sich schnell in Lebensgefahr, wenn er unter die Räder kommt.

Nach über 60 Männerwallfahrten gibt es für den 87-Jährigen noch immer nur einen Lieblingsort. "Es ist die Basilika. Und es ist immer wieder bewegend, wenn wir dort Freitagabend einziehen", sagt der Bad Königshöfer. Auch wenn er selbst gar nicht so viel Zeit habe für Ergriffenheit, weil er sich gleichzeitig um die Menschen und um seinen Bulldog kümmern müsse. "Darum bin ich auch schon oft alleine oder mit wenigen Freunden mit dem Fahrrad nach Vierzehnheiligen gefahren, um wirklich Zeit für mich zu haben", sagt Peter Ames.
Die Tochter wäre gerne dabei gewesen
Ob die Wallfahrt-Tradition im Hause Ames weitergeführt wird, hängt letztendlich am Enkelsohn. Lydia und Peter Ames haben drei Töchtern das Leben geschenkt. Tochter Christiane, die im Nebenerwerb die Landwirtschaft des Vaters weiterführt, hatte sich vor einigen Jahren bereiterklärt, den Transport-Dienst ihres Vaters zu übernehmen. Letztendlich sprachen sich die Verantwortlichen dagegen aus. Der Charakter der reinen Männerwallfahrt sollte nicht aufgeweicht werden.

Geschichten könnte Peter Ames noch viele erzählen. Wie eine Wallfahrergruppe einst die Türme vom Kloster Banz mit denen von Vierzehnheiligen verwechselt hat. Oder wie einst das Nachtlager durch zwei Feueralarme unterbrochen wurde, weil Spaßvögel offensichtlich mit Zigaretten den Alarm ausgelöst hatten. Berührend auch, wie zwei blinde Wallfahrer ihren Gang nach Vierzehnheiligen erlebten und die Landschaft immer wieder erklärt wurde.
Dankbarkeit für den jahrzehntelangen Dienst
In diesem Jahr ist Peter Ames das erste Mal nicht mehr mit dabei. Das Alter fordert seinen Tribut und eine Erkrankung. Alfred Kopp aus Breitensee hat den Fahrdienst übernommen, als sich die Gruppe am Freitagmorgen um 4.15 Uhr auf den Weg nach Vierzehnheiligen machte. "Das muss ich dem Alfred hoch anrechnen, dass er das gemacht hat", freut sich Peter Ames, dass die Nachfolge gesichert ist. Vor einigen Tagen sind sie mit dem Auto zusammen die Strecke abgefahren. Der neue Wallfahrtsführer Kilian Weigand hat mit Christoph Steinert kürzlich einen Präsentkorb bei der Familie Ames vorbeigebracht, in Dankbarkeit für den jahrzehntelangen Dienst.
Auch wenn Peter Ames heuer nicht mitfährt, so wird er in den Ohren doch den rührenden Klang der Stimmen haben. Denn wenn die Bad Königshöfer in die Basilika einziehen, stimmen sie immer das Kirchenlied "Ein Haus voll Glorie schauet" an. Dann fließen Männertränen. Und auch das Herz von Peter Ames bebt.
Die Bad Königshöfer Männerwallfahrt
www.maennerwallfahrt.de