
Sie gehört zu Mellrichstadt wie die Stadtmauer und der Bürgerturm: Die Spitalkirche, angrenzend an die Kreisgalerie, ist ein Kleinod in der Altstadt, das in den vergangenen Jahren ein Schattendasein geführt hat. Zwar wurde die schöne Kapelle, die dem heiligen Sebastian gewidmet ist, vereinzelt für Trauungen und Gottesdienste genutzt, ansonsten blieben die Türen zumeist verschlossen. Das soll sich ändern: Die Julius-Spital-Stiftung Mellrichstadt, die die Baulast für die Spitalkirche trägt, will dafür sorgen, dass hier wieder Leben einzieht.
Seit 665 Jahren steht das kleine Gotteshaus an der oberen Hauptstraße und ist damit die älteste erhaltene Kapelle der Stadt. 1356 wurde sie von der Familie von Stein gestiftet. Als die ursprünglich katholische Familie zum evangelischen Glauben konvertierte, wechselte die Kapelle den Besitzer und gehörte fortan der Julius-Spital-Stiftung. Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wurde die Kapelle zerstört und von 1662 bis 1669 wieder aufgebaut. Wegen der unmittelbaren Nachbarschaft zum damaligen Pfründnerspital (heute Kreisgalerie) wurde sie seit 1688 auch als Spitalkirche bezeichnet, wie auf einer Infotafel an der Kapelle zu lesen ist.
Verborgene Schätze in der alten Kapelle
Wer an dem Kirchlein vorbeiläuft, sieht schon an der Fassade, dass der Zahn der Zeit an der Bausubstanz nagt. Die letzte Renovierung fand von 1979 bis 1981 statt. Zeit also, die Kapelle wieder in den Blickpunkt zu rücken. Die Verantwortlichen der Julius-Spital-Stiftung, allen voran Bürgermeister Michael Kraus als Vorsitzender und Kreis-Caritas-Geschäftsführerin Angelika Ochs, die die beiden Mellrichstädter Alten- und Pflegeheime führt, haben sich in die Geschichte der Kapelle vertieft und gemeinsam mit Mitgliedern der Kirchengemeinde St. Kilian und geschichtsinteressierten Bürgern versteckte Schätze entdeckt, die auch der Öffentlichkeit nicht verborgen bleiben sollen.

"Wir haben uns zwischendurch gefühlt wie Robert Langdon aus Dan Browns Bestellerbüchern", beschreiben Angelika Ochs und Michael Kraus im Gespräch mit dieser Redaktion die Spurensuche aller Beteiligten, insbesondere was die Kunstwerke in der Kapelle betrifft. In den vergangenen Wochen wurde ein Inventarverzeichnis erstellt, das auf der Beschreibung von Pfarrer Geiling aus dem Jahr 1927 fußt. Und es wurden Schätze gehoben, von deren Existenz kein Mensch mehr gewusst hat. "Die Bischofsbüste des heiligen Kilian, die um 1460 gefertigt wurde und mit weiteren Figuren eine Wand der Kapelle ziert, beinhaltet eine Reliquie, die lange Jahre als verschollen galt", sagt Angelika Ochs. Weitere Reliquien wurden unter dem Altar vermutet, dies habe sich letztendlich aber nicht bestätigt.
Wer weiß, was mit den Wandgemälden passiert ist?
Pfarrer Thomas Menzel, zugleich stellvertretender Vorsitzender der Julius-Spital-Stiftung, ist natürlich maßgeblich in die Inventarisierung eingebunden, zumal sich die Pfarrgemeinde in Mellrichstadt seit jeher um die Spitalkirche kümmert. Küster Elmar Will und Verwaltungsleiter Willibald Hoch haben ebenfalls nach Sichtung alter Unterlagen dazu beigetragen, Licht ins Dunkel um einige Kunstwerke zu bringen. Wichtige Hinweise konnten auch Chronist Helmut Schlereth sowie Wolfgang Hippeli aus Mellrichstadt liefern. Letzterer wusste etwa aus seiner Zeit als Ministrant, dass die Madonna aus der Spitalkirche noch Mitte der 1960-er Jahre bei Maiandachten am Großenberg aufgestellt wurde.

Hippeli erinnert sich zudem daran, dass zwei große Gemälde die Wände der Kapelle geschmückt haben, die allerdings spurlos verschwunden sind. Letztmals wurden sie 1914 schriftlich erwähnt, vermutlich sind sie in der Zeit zwischen 1965 und 1980 abgehängt worden. Doch was ist mit ihnen passiert? Michael Kraus und Angelika Ochs hoffen diesbezüglich auf Hinweise aus der Bevölkerung. Wer sich an die Gemälde erinnern kann und etwas über ihren Verbleib weiß, ist aufgerufen, sich bei der Stadtverwaltung oder im Pfarrbüro zu melden.
Es gibt noch viel zu entdecken
"Wir konnten schon vieles klären, was die Kunstwerke betrifft, einiges ist aber noch im Dunkeln", sagt Angelika Ochs. Bekannt ist etwa, dass die Monstranz eine Reliquie des heiligen Sebastian beinhaltet. Geforscht wird noch, woher das Gemälde Madonna mit Kind aus der Sakristei kommt und wer es gemalt hat.
Es gibt noch viel zu entdecken und aufzudecken in der jahrhundertealten Kapelle, die in den kommenden Jahren mehr und mehr für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll. Den Auftakt macht ein Gottesdienst am Sonntag, 1. August, bei dem das kleine Jubiläum 665 Jahre im Mittelpunkt steht. Aufgrund der Corona-Beschränkungen wird dieser Gottesdienst im Kirchlein nur mit geladenen Gästen gefeiert. Im Anschluss haben aber alle Interessierten von 11.30 bis 17 Uhr die Gelegenheit, die Spitalkirche zu besichtigen, die Figuren und Kunstwerke zu betrachten und sich über die Kirchengeschichte zu informieren. Entsprechende Experten stehen den ganzen Tag über als Ansprechpartner zur Verfügung.

Dabei werden auch kleine Schutzengel, Lesezeichen und die sogenannten Sebastianuströpfle verkauft sowie Spenden gesammelt, die für die anstehenden Renovierungsarbeiten eingesetzt werden. Zugleich öffnet an diesem Tag um 11 Uhr das benachbarte Café Art in der Kreisgalerie die Pforten.
Angelika Ochs hat darüber hinaus schon weitere Pläne, um mehr Leben ins Spitalkirchlein zu bringen, wie etwa spezielle Führungen und Orgelkonzerte, zumal die Kapelle wohl auch die älteste Orgel im Landkreis, wenn nicht gar in ganz Franken beinhaltet. Ein Gottesdienst für die Mitarbeiter der Mellrichstädter Altenheime ist ebenfalls angedacht. Außerhalb dieser Veranstaltungen wird die Tür zur schmucken Kapelle aber weiterhin abgeschlossen bleiben. Zu groß ist die Angst vor Beschädigungen oder Diebstahl. Eine Alarmanlage sichert die Sebastianuskapelle schon jetzt. Damit die Spitalkirche und ihre Kunstwerke Schmuckstücke bleiben.
