Der Ablasshandel wurde zwar durch Luther vor 500 Jahren zu Recht als Volksverdummung entlarvt, er hat aber auch manches Positive hervorgebracht. Weil die Herren Siegfried und Eberhard von Stein und ihre verwitwete Schwägerin Elsbeth frühzeitig für die Rettung der Seelen ihrer Familien sorgen wollten, stifteten sie im Jahre 1356 die Sebastianuskapelle in Mellrichstadt, auch Spitalkirche genannt.
Das und noch viele weitere Details erfuhren die Teilnehmer an einer Führung, die Karl Naumann im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kultur im Sommer“ unter dem Schlagwort „Sebastianuskapelle – ein Kleinod in Mellrichstadt“ leitete.
In der Entstehungszeit war die Region stark gebeutelt von der Pest und von Hungersnöten durch schlechte Ernten. Viele Orte leerten sich, manche Ortschaften, wie Bischof nahe des Mauerschädel bei Filke, starben aus. Die Menschen lebten in Angst und sorgten sich im Angesicht des Todes um ihr Seelenheil.
Das veranlasste die Familien von Stein dazu, nach Würzburg zu reisen, um am Bischofssitz Feste Marienberg von Bischof Albert von Hohenlohe die Erlaubnis zu bekommen, eine Kapelle „zum Lobe Gottes und zu Ehren der Jungfrau Maria, des Hl. Nikolaus, des Hl. Sebastianus und aller himmlischen Heere“ in Mellrichstadt zu bauen, gab Naumann Einblick in seine Aufzeichnungen.
Geld und Platz zum Bauen war da
Für die Erlaubnis schrieb das damalige Kirchenrecht vor, dass Folgendes vorhanden sein musste: Ein Bauplatz, Geld zum Bauen und für die Ausstattung der Kapelle sowie genügend Güter, aus denen der Vikar an der Kapelle finanziert werden konnte. Dieses garantierten die begüterten Familien von Stein.
Immerhin durfte der Älteste der Familie von Stein zusammen mit dem Pfarrer von Mellrichstadt bei der Vikarstellenbesetzung mitreden. Alles Wichtige wurde in einer bischöflichen Urkunde festgeschrieben. Dazu gehörten auch die Zahl der Messen pro Woche in der Kapelle und die Unterstützung des Pfarrers von Mellrichstadt. Mit Zustimmung des Bischofs sowie des Domherren und Pfründeherrn Otto von Wolfskeel wurde die Urkunde am 20. Juni 1356 besiegelt. Sie wird im Schlossarchiv in Völkershausen aufbewahrt.
Die Kapelle bekam den Namen des „Pestheiligen“ Sebastian. In der Kapelle wurden später einige Verwandte der Stifter bestattet, einige erhielten Gedenksteine. Folgende Grabplatten befinden sich in der Sebastianuskapelle: Heinrich von der Kere (1398), Ditz von Wechmar (1411) und Kaspar von Stein (1460).
Von dem Gründungsvertrag aus dem Jahr 1356 profitierten im Mittelalter auch die Eußenhäuser, denn die Erträge aus den zur Sebastianuskapelle gehörenden Stiftungsgütern (Benefizium) wurden auch für die Errichtung der Pfarrei Eußenhausen verwendet und ein Kaplan hielt viermal wöchentlich dort Messen.
Drei der in der Sebastianuskapelle aufgestellten Büsten und Figuren sind Kunstwerke aus der Zeit von 1460 bis 1480. Das sind die Reliquienbüste des ersten Würzburger Bischofs Burghard, die Figurengruppe der beiden Diakone Stephanus und Laurentius sowie die Madonna mit Kind. Die Figur des Kirchenpatrons wurde erst um 1700 geschaffen.
Imposant der große Altar, der früher in der Sankt-Kilian-Kirche stand und nach einer Aussonderungsaktion von der Pfarrkirche 1760 aufgekauft wurde. Das Altarbild zeigt Jesus am Kreuz, im Hintergrund Jerusalem. Es wird flankiert von den Figuren der Mutter Maria und des heiligen Johannes. Die Kapelle hat einige Beschädigungen in der Bildersturmzeit und im Dreißigjährigen Krieg erlebt und wurde 1585, 1612 und 1669 erneuert. Bis zum Schwedenkrieg hatte sie sogar drei Altäre.
1662 wechselte die Kapelle den Besitzer
Weil die Familien von Stein nach der Reformation evangelisch wurden, hatten sie kein Interesse mehr an der Renovierung der Kapelle. Deshalb gab es 1662 einen Besitzerwechsel, und die Erneuerung wurde danach durch Beiträge des Spitals, des Großenbergs und des Armenfonds erst ermöglicht.
Eines der wertvollsten Stücke in der Kapelle ist die kleine Orgel auf der Empore. Sie stammt aus dem Jahr 1619 und ist laut Naumann die älteste Orgel in ganz Franken. Sie hat sechs Register und 315 Pfeifen. Weil man sie transportieren konnte, wurde sie sogar bei weltlichen Festen eingesetzt. Sie steht erst seit 1984 in der Spitalkirche. Zuvor war sie in Hendungen und Ostheim zu finden, wusste der Mellrichstädter.
Die Sebastianuskapelle heißt im Volksmund Spitalkirche, weil sie eine Verbindungstür zum früheren Spital hat, in welchem jetzt die Kreisgalerie beheimatet ist. An dieser Stelle stand bis 1836 der sogenannte Wechterswinkler Hof, der ab 1688 als Spital genutzt wurde. Dieses Spital wurde 1664 ins Leben gerufen, um „Pfründer“ (notleidende und pflegebedürftige Mellrichstädter) zu versorgen. Der Wechterswinkler Hof wurde 1836 abgerissen. An seiner Stelle wurde ab 1838 das jetzige Gebäude errichtet und bis 1968 als Spital und Altersheim genutzt. Seit 1969 gibt es das Franziska-Streitel-Altenheim am Hainberg.
Naumann hatte in diesem Zusammenhang auch von dem Vorgängerspital berichtet, welches bis zu seinem Abriss 1639 an der Straße „Am See“ gestanden hatte, allerdings schon 1631 beim Einfall der Schweden stark beschädigt wurde und dann aufgelöst werden musste. Seitdem gibt es auch die Laurentiuskapelle nicht mehr, die an diesem Spital angebaut war.