Für Orgelbauer Herbert Hey entwickelt sich Mellrichstadt immer mehr zur Orgelstadt im Altlandkreis. Die beiden prachtvollen Orgeln in der evangelischen Gustav-Adolf-Kirche (Wolfgang Hey, 1966, II/15) sowie die neue große Hey-Orgel in der katholischen Stadtpfarrkirche St. Kilian (III/42) sind wohl vielen Mellrichstädtern bekannt. Dass aber in der Spitalkirche eine sehr wertvolle historische Orgel steht, dürfte nur den Insidern geläufig sein. Das Kirchlein findet sich in der Innenstadt, gegenüber der Verwaltungsgemeinschaft. Das Gotteshaus ist ein Überbleibsel des ehemaligen Spitals, das heute die Kreisgalerie beherbergt.
315 Orgelpfeifen
Seit einigen Wochen sind die Spezialisten der Orgelbaufirma Herbert Hey damit beschäftigt, das kleine Orgelpositiv zu restaurieren. Ein Orgelpositiv ist eine einmanualige Standorgel mit wenigen Pfeifen. In der Kirchenmusik diente es zur Unterstützung des Gesangs. In der weltlichen Musik wurde es sowohl solistisch als auch mit anderen Instrumenten eingesetzt. Das Mellrichstädter Positiv hat sechs Register mit 315 Orgelpfeifen. 90 Pfeifen sind aus Holz und 225 aus einer Zinn-Blei-Legierung gefertigt.
Zunächst wurden alle Pfeifen ausgebaut, in der Orgelbauwerkstatt in Urspringen gereinigt und restauriert. Die Schaflederdichtungen der Holzpfeifen mussten zum größten Teil erneuert werden, und gerissene Leimfugen wurden wieder akkurat verleimt. „Viel Mühe bereitete die Restaurierung der historischen Manualklaviatur mit seinen 45 Tasten. „Die Einscharnierungen aus Pergament, die die Tasten halten und führen, waren abgerissen und mussten sorgfältig erneuert und fixiert werden“, berichtet Orgelbaumeister und Restaurator Herbert Hey. Alle sonstigen Orgelteile wurden vor Ort gereinigt und überarbeitet.
Das Orgelpositiv hatte ursprünglich eine sogenannte kurze Oktave, so Hey. Darunter versteht man eine spezielle Anordnung der Tasten bei Orgeln des 16. bis 18. Jahrhunderts. Da in der Musik der damaligen Zeit die Basstöne Cis, Dis, Fis und Gis nicht benutzt wurden, entfielen diese Töne. Die Töne D, E und B wurden auf die schwarzen Tasten gelegt. Dies war für viele Organisten praxisfremd und verwirrend, daher hat man vor Jahren die Töne dem tatsächlichen chromatischen Tastenverlauf zugewiesen.
Quietschen oder gar kein Ton
Mit der Restaurierung sind nun die Zeiten vorbei, in denen der Mellrichstädter Organist Herbert Schmitt fast verzweifelte, wenn er an dem Instrument spielte – Tasten blieben hängen, manchmal kam gar kein oder nur ein Quietschton heraus. Daran erinnert sich auch Peter Neuner, Stiftungsverwalter der Juliusspitalstiftung. Oftmals habe er den Organisten bedauert.
Neuner weiß auch, dass die Orgel eigentlich gar nicht Eigentum des Juliusspitals ist. Das Orgelpositiv in der Spitalkirche in Mellrichstadt befand sich nämlich bis 1956 in der Kapelle in Hendungen.
Anlässlich des Kirchenbaus in Ostheim wurde das Instrument 1956 in Hendungen abgebaut und in der neuen Pfarrkirche Maria Königin in Ostheim aufgestellt. Die Orgel diente dort bis 1976 als Übergangsinstrument. Anschließend wurde sie in der katholischen Pfarrkirche St. Alban in Hendungen aufgestellt. 1984 wurde das Instrument im Auftrag der Juliusstiftung Mellrichstadt in der Spitalkirche aufgestellt und ein Erbpachtvertrag zur Nutzung über 99 Jahre geschlossen.
Positiv rund 400 Jahre alt?
Die Geschichte des Instruments in früheren Zeiten ist noch nicht geklärt, sagt Orgelbauer Herbert Hey. Doch so viel scheint sicher: Bei dem Mellrichstädter Orgelpositiv handelt es sich um das einzige historische Positiv der Orgellandschaft in Rhön und Grabfeld, das eventuell vor 1619 gebaut wurde.
Die restauratorischen Arbeiten werden mit Ablauf des Jahres abgeschlossen sein und Meister Herbert Hey wünscht sich, „dass das das kleine Orgeljuwel künftig besser im Fokus der Öffentlichkeit verankert wird“. Am 20. Januar, dem Fest des heiligen Sebastian, Patron der Spitalkirche, kann man dann erstmals hören, wie die restaurierte Orgel klingt.