Ein Abend in der Bad Neustädter Stadthalle. Eigentlich etwas Unvorstellbares. Bald zwei Jahre Corona haben einen ja den Glauben verlieren lassen, dass so etwas wie kulturelle Normalität jemals wieder einkehren könnte. Am Freitag aber wurde der Gegenbeweis angetreten. Tolle Musik, eine scharfe Prise Kabarett und dazu eine Reise durch zehn Jahre Band-Geschichte: Der Abend mit dem Volksmusiktrio Spilk war ein großes Hoffnungszeichen, dass irgendwann, vielleicht schon bald, alles wieder gut wird.
Zehn Jahre also gibt es Spilk. Volksmusik, Alpenländisches, Zwiefache, aber vor allem brillante Texte mit mal mehr, mal weniger liebevollem Spott über Rhöner Dörfer, kleinstädtische Eitelkeiten, Kreuzberg-Biker und all die Menschen, die diesen Landstrich so besonders machen: Diese zumeist bierselige Mischung macht das Trio um Frank Schmitt (Steinach), Joachim Bühner (Sandberg) und Martin Reinhard (Großwenkheim) so einzigartig.
Auf der großen Leinwand über der Bühne bestätigten die Bilder aus den Anfängen, dass seither doch schon ein paar kleine Falten von den vielen kräftezehrenden Festzelt-Auftritten hinzugekommen sind. Der Nickersfelder Kibitzenwinkel wurde gezeigt, wo sich Schmitt und Reinhard zum ersten Mal verschanzt hatten für das Spilk-Projekt, das schnell um Joachim Bühner erweitert worden war.
Vom Hüttenfest zur Närrischen Weinprobe
Schnell machten Spilk Furore, waren schnell für das Gemündener Hüttenfest gebucht. Medialer Höhepunkt: Drei Auftritte bei der Närrischen Weinprobe im Würzburger Residenzkeller. Dass das Verhältnis zum Bayerischen Rundfunk allerdings zurzeit etwas abgekühlt ist, daraus machte Frontmann Frank Schmitt kein Hehl. Und ein Song über den einstigen Volksmusik-Sender Bayern Eins auf 98,3 dürfte dem Verhältnis den Rest geben.
Das Verhältnis zu den Spilk-Fans ist erwiesenermaßen ungetrübt. Die Stadthalle war voll inklusive der Empore. Die Bestuhlung war so gewählt, dass man auf Maskentragen während des Konzerts verzichten konnte. "Schüa, dass ihr uns seit zehn Jahren erdroochd", rief Frank Schmitt seinem Publikum im "größten Dorf der Rhön" zu, was schon Lacher provozierte. Die Neuschter kamen immer noch besser weg als die snobistischen Kurstädter aus Bad Kissingen.
Die Provinz aufs Korn genommen
Nickersfelden, Schmalwasser, Hollstadt, Heustreu oder Burglauer mit der "dauerhaft bewohnten Rudi-Erhard-Halle": Diese und andere Dörfer wurden beim Spilk-Klassiker "Provinz-Zwiefacher" herrlich aufs Korn genommen. Und die Niederläurer werden sich freuen über die Erkenntnis, dass bei ihnen nur das Seniorenheim und das Bestatterwesen florieren.
So hörte das Publikum die Klassiker vom Spottlied über den modernisierten Kreuzberg bis zum Mountainbiker-Evergreen. Alles schon mal gehört und doch immer wieder ein Genuss. An der einen oder anderen Stelle war zu hören, dass Corona und fehlende Praxis leichte Spuren hinterlassen haben. Aber die Spielfreude machte kleine Patzer wett. Und einmal warmgelaufen, waren einige unerwartete Momente höherer Musikalität zu hören. Ein Jodler von Frank Schmitt sorgte für Gänsehaut und tosenden Applaus. Und erst recht beeindruckten die Solostücke für Akkordeon, in dessen Tasten Frank Schmitt mit mehr als Inbrunst griff. Das waren ganz starke Momente. Und sie wiederholten sich bei Ausflügen nach Irland. Den Klassiker "Galway Girl" sang Martin Reinhard mit markanter Stimme, später war Georg Danzers Lied vom "Nackerten im Hawelka" noch so ein Stück, das man von diesem Abend nicht vergisst. Wien und Irland waren Ziele zweier Spilk-Touren.
Die illegale Corona-Party
Allen Bewegungsdrang hat Corona der Gruppe für ein Jahr genommen. Über Corona und seine Folgen haben die drei Männer viel nachgedacht. Im "Corona-Posch" wird mit den Corona-Regeln hart ins Gericht gegangen, der Applaus dafür war auch etwas vorsichtiger. Unpolitisch dafür das Stück von der illegalen Corona-Party in der Garage zum 60., bei der statt einer Stripperin dann doch eine Polizistin aufkreuzt. Hier sind die Texte zum Brüllen komisch. Umso mehr erstaunen dann Stücke, die eine fast schon herbe Melancholie durchzieht. Die Erinnerung an den "Schönsten Sommer 1998" ist ein Beispiel dafür, die Strophen über leblos gewordene Beziehungen das andere. Spilk können mit vielerlei Stimmungen jonglieren.
Die drei haben den langen Abend in der Stadthalle nicht alleine bestritten. Als Gast war ein gut aufgelegter Fredi Breunig mit von der Partie, der natürlich die Lacher auf seiner Seite hatte. Mit seinem Kompagnon Gotthold (Martin Wachenbrönner) war dann so etwa wie perfekte Faschingslaune geboten.
Am Ende des Abends gab es verdiente Stehende Ovationen für Spilk und die beiden Gäste. Die Rundreise vom Kreuzberg nach Irland über Wien in die Alpen und wieder zurück war ein großer Genuss nach vielen Monaten der Abstinenz. Und eine gute Botschaft war aus dem Mund von Frank Schmitt zu hören. "Wir machen weiter bis zum 25."