"Sie haben Krebs." Drei Worte, nach denen nichts mehr ist, wie vorher. "Die Diagnose Krebs stößt einen aus der Wirklichkeit", sagt Markus Besseler. Der Psychologe ist Geschäftsführer der Bayerischen Krebsgesellschaft. Er hat in seinem Berufsleben schon oft Einblick in die Gefühlswelt von Krebskranken erhalten. Krebs werde oft unerwartet im Rahmen einer Routineuntersuchung festgestellt. Der oder dem Erkrankten stünden nach dem Untersuchungsergebnis Operation und langwierige Therapien bevor. "Das ist ein enormer Einschnitt in der Biografie", so Besseler. Auch wenn heute die Behandlungsmöglichkeiten besser sind und damit die Überlebensrate deutlich höher geworden ist. "Die Krebsgesellschaft will Menschen bei der Diagnose unterstützen", betont er. Einen weiteren Schritt in diese Richtung gab er im Landratsamt im Rahmen eines Pressegesprächs bekannt.
Die psychosoziale Krebsberatungsstelle Schweinfurt der Bayerischen Krebsgesellschaft bietet in Bad Neustadt eine neue Außensprechstunde für krebskranke Menschen und deren Angehörige an. Die Sprechstunde findet in den Räumen der Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen der Diözese Würzburg in der Bauerngasse 5 statt. Doris Göb, Sozialpädagogin und Psychoonkologin, sowie Esther Balling, Psychologin und ebenfalls Psychoonkologin, beraten zweimal im Monat, montags von 9 bis 15 Uhr, persönlich oder telefonisch und helfen bei der Krankheitsverarbeitung.
Die Beratung soll, erläutert Besseler, ein niederschwelliges Angebot sein. Sie ist kostenfrei, auch ist keine Überweisung notwendig. Die Krebsgesellschaft wolle keine Parallelstruktur zur Psychotherapie bilden, ist es ihm wichtig zu betonen. Sie berate, aber therapiere nicht.
Unterstützung bei sozialrechtlichen Fragen
Krebspatientinnen und Krebspatienten sowie Angehörige aus der Region können sich bei allen Fragen und Problemen rund um die Erkrankung an die Außensprechstunde wenden. Die beiden Beraterinnen helfen nicht nur bei individuellen Problemen und der Bewältigung der Erkrankung. Sie beantworten auch sozialrechtliche Fragen, wie zum Beispiel nach Rehabilitation, Erwerbsunfähigkeit oder Krankengeld.
Eine Krebserkrankung habe großen Einfluss auf viele Bereiche des Lebens. Viele Erkrankte bräuchten Orientierung und ein offenes Ohr für ihre Fragen, Probleme und Sorgen, meint Doris Göb. "Damit sich Betroffene nicht nur ohnmächtig der Situation ausgeliefert fühlen, wollen wir ihnen ein präsentes Gegenüber sein, damit ihre Nöte, Hoffnungen, Ängste gehört und anerkannt werden, damit sich Räume eröffnen können, wo sie ihr Hier und Jetzt mitgestalten können."
Stellvertretender Landrat Bruno Altrichter zeigt sich beim Pressetermin "froh und dankbar", dass die Sprechstunde in Bad Neustadt angeboten werden kann. Damit werde eine echte Lücke geschlossen. Der Bedarf sei gegeben und Betroffene müssten nun nicht mehr den Weg in die nächstgelegene Beratungsstelle nach Schweinfurt auf sich nehmen. Altrichter dankte auch Sabine Wenzel-Geier, der Leiterin des Pflegestützpunktes im Landratsamt, die sich "mit viel Herzblut" dafür engagiert habe, dass die Sprechstunde umgesetzt werden konnte. Diese sei eine große Hilfe für Menschen, die mit einer Krebserkrankung umgehen müssen.
Ulrich Emge, Theologe in der Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen in Bad Neustadt, freut sich über die Kooperation mit der Bayerischen Krebsgesellschaft.Die Außensprechstunde sei eine wertvolle Ergänzung zu dem Angebot der Beratungsstelle. Als die Anfrage nach den Räumlichkeiten gekommen ist, habe man nicht lange überlegen müssen. Die fachlich qualifizierte Krebsberatung füge sich sehr gut ein.
Die Nachfrage im Landkreis ist sehr groß
Die Außensprechstunde ist bereits angelaufen. Die Nachfrage sei sehr groß, erklärt Doris Göb. Die meisten, die zu ihnen kämen, hätten die Behandlungen bereits hinter sich, würden nun wieder etwas durchatmen können und spüren, dass Krebs ein Lebensthema und psychisch belastend sei. Dementsprechend sei Angst das bestimmende Thema bei den Gesprächen. Angst davor, dass der Krebs wiederkommt. Angst vor der Kontrolluntersuchung, die wie ein Damoklesschwert über einem schwebe. Angst, der Familie zu viel zuzumuten.
Doris Göb erinnert sich an eine Frau, die ratsuchend zu ihr gekommen ist. Sie war unheilbar an Krebs erkrankt und hatte zwei Kinder im jugendlichen Alter. "Ihre größte Sorge war, wie es mit ihrer Familie ohne sie weiter geht." Zusammen habe man dann die Vorbereitungen getroffen für die Zeit, wenn sie nicht mehr da ist. Darunter fielen nicht nur Gespräche mit der Familie, sondern beispielsweise auch mit den Schulpsychologen.
Esther Balling erzählt ebenfalls von einer Frau, die ihr gegenüber beklagt habe, dass sie mit ihrem Partner nicht über ihre Krankheit reden könne. Sie werde ausgeblendet. In der Beratung habe man dann zusammen mit dem Partner erörtert, warum diese Scheu da ist. "Als dann ein Gesprächsanfang gefunden wurde, war bei beiden eine große Erleichterung zu spüren." Markus Besseler ergänzt in dem Zusammenhang, dass eine Krebserkrankung auch immer eine große Belastung für die Angehörigen sei.
Die Angst zu Ende denken
Wie hilft man? "Erst einmal hilft reden", sagt Doris Göb. "Und dann hilft, die Angst zu Ende zu denken." Worte dafür zu finden. Die Qualität des Lebens ändere sich, fügt Ulrich Emge an. Man müsse nach den Dingen suchen, die Halt geben, erläutert Markus Besseler. Nach Ressourcen, die in widrigen Momenten parat sind, sodass man sich nicht ausgeliefert fühlt und wieder an Stabilität gewinnt.
Kontakt: Außensprechstunde der Bayerischen Krebsgesellschaft. In den Räumen der Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen, Bauerngasse 5 in Bad Neustadt. Terminvergabe unter Telefon (09721) 4742380 oder E-Mail kbs-schweinfurt@bayerische-krebsgesellschaft.de.