
"Er redet nichts". "Ich weiß nicht, was in ihm vorgeht". "Ich tue doch alles, was will sie noch?". "Ihr kann man nichts recht machen". "Immer bin ich an allem schuld". Diese und ähnliche Sätze hören die Mitarbeiter der Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragenhäufig. Derzeit kommen noch andere Sätze hinzu, Sätze wie "Ich bin so einsam", "aber das geht ja im Moment alles nicht", "ich fühle mich alleingelassen", "ich verstehe das Ganze nicht" oder auch "es ist alles zu viel". Die Corona-Pandemie schlägt auf die Psyche mit Folgen für so manche Ehe, Familie oder alleinstehende Person. Das bekommt auch die Beratungsstelle der Diözese Würzburg in der Bad Neustädter Bauerngasse zu spüren.

"Die Menschen sind nach über einem Jahr Corona oft am Rande ihrer Kräfte, besonders Familien mit Kindern, die nicht selten gleichzeitig Homeschooling und Homeoffice unter einen Hut bringen müssen", erklärt Ute Breitenbach-Maier, Leiterin der Beratungsstelle und Diplom-Pädagogin sowie Paar- und Familientherapeutin. Die immer wiederkehrenden Einschränkungen würden vielen Menschen zu schaffen machen. Die Pandemie wirke sich wie ein Katalysator, wie eine Art "Brandbeschleuniger", besonders auf bereits vorhandene Probleme in einer Paarbeziehung, in der Familie oder bei einzelnen Personen aus. "Menschen, die vorher schon in einer Krise waren, erleben nun eine zusätzliche Belastung. Was schon da ist, verstärkt sich." Hinzu komme, dass Ausgleichsmöglichkeiten, wie Freizeitaktivitäten oder Kontakte, wegfallen. Viele allein lebende Personen würden unter der Isolation leiden.
Corona fördert vieles zutage
Das bestätigt ihr Kollege Edgar Enders, Sozialpädagoge, Traumaberater sowie ebenfalls Paar- und Familientherapeut. Vielfach höre er in der Beratung die Worte: "Ich fühle mich eingesperrt und einsam in meiner Wohnung und es geht nicht so wie ich will." Demgegenüber kämen gerade von Eltern immer häufiger die Worte: "So ein Berg von Arbeit. Ich kann nicht mehr." Der "Dritte im Bunde" in der Beratungsstelle ist Ulrich Emge."Corona wird uns noch lange beschäftigen", ist der Pastoralreferent sowie Ehe-, Familien- und Lebensberater überzeugt. "Es fördert vieles zutage."
Ehe- und Beziehungsprobleme bilden den Schwerpunkt der Beratungstätigkeit. Auch hier gelte die Regel: Gibt es bei einem Paar Spannungen, dann können die in einem Ausnahmezustand verstärkt werden. Was bringt eine Beziehung zum Kriseln? "Wenn man aufhört, miteinander zu reden, Bedürfnisse nicht mehr kommuniziert, sich nicht mehr traut, die Dinge klar darzulegen und wenn man sich nicht mehr verbunden fühlt", antwortet Breitenbach-Maier. Fachleute fassen Letzteres unter dem Begriff "Bindungssicherheit" zusammen. Dahinter verbirgt sich unter anderem die Frage "Kann ich meinem Partner vertrauen und ist unsere Beziehung verlässlich - auch in schwierigen Zeiten?" Hinzu kämen äußere Faktoren - wie momentan nicht selten - finanzieller Druck, Kurzarbeit sowie die Inanspruchnahme durch das Homeschooling.
Aushalten und Durchhalten als Konfliktstrategie
Viele Menschen reagierten in einer persönlichen Notsituation mit einem Rückzug auf sich selbst, führt Ute Breitenbach-Maier aus. Aushalten und Durchhalten laute die Devise. Zurzeit würden Paare krisenhafte Beziehungen eher durchstehen wollen, da eine befürchtete mögliche Trennung noch mehr Instabilität bedeuten würde, als Corona eh schon verursacht. Eine weitere Konfliktstrategie sei ein Sich-Wehren gegen die Beschränkungen - trotz aller Gefährlichkeit. "Bewusst wird zum Beispiel gegen die Kontaktbeschränkungen verstoßen, weil keine andere Bewältigungsmöglichkeit erworben wurde." Viele Klienten würden sich durch die aktuelle Situation - dauerhafte Einschränkungen und die Gefährlichkeit einer Ansteckung - überfordert fühlen. Diese Überforderung würden sie aber nicht der Situation, sondern sich selbst zuschreiben und als persönliche Unfähigkeit ansehen. Das könne in Depressionen oder Ausgebranntsein münden oder die aufgestauten Konflikte könnten nicht mehr kontrolliert werden und brechen in Form von körperlicher Gewalt hervor.
Wie versucht die Beratungsstelle zu helfen? "Es braucht oft jemanden, der mit einem die unübersichtlichen Belastungen und Probleme sortiert, einordnet, mit schaut, wo man was wie regeln oder managen könnte und mit Einschätzungen und Empfehlungen unterstützt", sagt Ute Breitenbach-Maier. Oft helfe es schon, wenn man seine Probleme erzählen kann und ein Gegenüber zuhört und die erschwerten Bedingungen anerkennt. "Wo gibt es kleine Nischen im Alltag?", sei dabei laut Ulrich Emge eine zentrale Frage. "Es gibt sie, es ist nur schwierig, sie zu finden."
Dinge bewusst machen und Teufelskreise erkennen
Paare mit Beziehungsproblemen unterhalten sich in der Beratungsstelle mit einem unvoreingenommenen Therapeuten über die momentane Situation und überlegen miteinander, welche Schritte notwendig sind, um in der Krisensituation wieder besser miteinander zurechtzukommen oder wieder mehr miteinander verbunden zu sein, führt Ute Breitenbach-Maier aus. "Dinge bewusst machen und Teufelskreise erkennen, das ist häufig unsere Aufgabe", meint die Paartherapeutin.
Die Klienten lernen auch unter Anleitung, wie man zur Ruhe kommt, sich wieder auf sich besinnt und dadurch Kraft schöpft. "Meistens bekommt man selber wieder einen Lichtblick in seinen Tunnelblick und entdeckt neue Möglichkeiten, wie man weiterkommt oder wie es einem wieder besser geht", weiß Ute Breitenbach-Maier aus ihrer beruflichen Erfahrung. "Wichtig ist nicht nur immer Aushalten und Durchhalten, sondern sich trauen, den ersten Schritt zu machen und sich Unterstützung zu holen."