An diesem Vormittag ist die Kaffee-Ecke im Willmarser Dorfladen voll besetzt. An einem langen Tisch sitzen neun Frauen, trinken Kaffee, lachen und unterhalten sich. „Das ist ihr monatlicher Stammtisch“, klärt Susanne Hofmann, die im Laden „Dreierlei“ arbeitet, auf.
Der absolute Dorftreff
Seit über einem Jahr gibt es in der Gemeinde nun wieder einen Dorfladen – der schnell zum neuen Mittelpunkt geworden ist. „Es ist wieder der absolute Dorftreff“, sagt Inhaber Werner Palancares. In der liebevoll eingerichteten Ladenecke sitzen Bauarbeiter bei ihrer Frühstückspause, Senioren treffen sich zum Kaffeetrinken und sogar Geburtstage werden dort gefeiert. „Es ist selten, dass die Tische nicht belegt sind“, sagt Hofmann.
Dabei ist der Laden aus der Not heraus entstanden
Ein zeitintensives Hobby
Der 56-jährige Palancares stammt aus Hessen und wohnt seit vier Jahren in Willmars. Von hier aus betreibt er ein Marktforschungsunternehmen. Der Dorfladen ist für ihn nur ein Hobby, wenn auch ein zeitintensives. „Etwa 15 Stunden Arbeit in der Woche sind das für meine Frau und mich“, sagt er.
Geld verdient er mit dem Geschäft nicht. „Das ist für mich Sozialengagement“, sagt er. „Im letzten Jahr sind wir plus minus Null herausgekommen und das war das Ziel.“ Im Laden selbst hält er sich im Hintergrund, regelt die Finanzen und Verträge mit den Zulieferern. Um das Tagesgeschäft kümmern sich abwechselnd seine drei Angestellten Susanne Hofmann, Yvonne Nöthling und Claudia Barthelmes.
Maximale Solidarität
Dass das Dreierlei auch ein Jahr nach der Eröffnung noch so gut läuft, verdankt er dem Engagement der Bürger, ist Palancares überzeugt. „Hier herrscht die maximale Solidarität seitdem wir eröffnet haben“, so der 56-Jährige. „Das ist unglaublich und macht einen stolz.“
Eigentlich sei das Konzept eines Dorfladens kleine Dinge noch schnell im Laden holen zu können, während der Großeinkauf im Supermarkt getätigt werde, erklärt Hofmann. In Willmars sei das anders. „Hier gehen die Leute regelmäßig mit vollen Körben raus“, sagt die 37-Jährige sichtlich stolz.
Die Bratwurst aus dem Laden
Und auch die Vereine tun ihr Möglichstes um den Laden zu unterstützen. „Sie lassen keine Gelegenheit aus den Dorfladen mitein zu beziehen“, so Palancares. „Sie bestellen zum Beispiel die Bratwürste für ihre Feste nicht direkt beim Metzger, sondern bei uns im Laden vor Ort.“
Das Engagement geht soweit, dass viele sich sogar nach Feierabend für den Willmarser Dorfladen Zeit nehmen. „Bei unserer Inventur vor Weihnachten standen plötzlich drei Leute vor der Tür, um uns zu helfen“, erzählt Palancares. Und Gemeindehelferin Roswitha Trost ist auch in ihrer Freizeit regelmäßig zur Stelle, um mit Hand anzulegen, schwärmt Hofmann von der Unterstützung.
Großes Angebot auf wenig Quadratmetern
Ihr Einsatz ist nicht umsonst. In Willmars finden die Bürger vieles, für das sie normalerweise fahren müssten. „Wir bieten alles, was der Supermarkt auch bietet, nur eben auf 100 Quadratmetern“, sagt Palancares. Mit 1450 verschiedenen Artikeln herrscht in dem rund 600-Einwohnerort ein großes Angebot. „Wir verkaufen hier alles, vom Bier bis zur Feinstrumpfhose“, sagt Hofmann.
Vor allem die Waren der Bäckerei Schmitt aus Bad Neustadt und der Metzgerei Eckert aus Stetten sind beliebt bei den Kunden. „Samstags um kurz nach 7 Uhr stehen die Leute bis auf den Parkplatz und holen ihre Frühstücksbrötchen“, erzählt Hofmann.
Das Internet als Verkaufsschlager
Und auch mit einem ganz modernen Produkt kann der kleine Dorfladen bei seinen Kunden punkten: dem Internet. „Wir haben hier einen Hotspot“, so Palancares. „Wer im Laden einkauft, bekommt auch den WLAN-Code.“ Da es im Ort kein Handynetz gibt, checken Urlauber hier regelmäßig ihre Mails und am Abend sitzen Jugendliche um das Gebäude verteilt und surfen im Netz.
Nur ein Ziel, dass sie sich vorgenommen hatten, hat nicht geklappt: Mehr Produkte aus der Region anzubieten. „Wir sind zwar als einziger Dorfladen Teil der Dachmarke Rhön, aber es gibt kein Vertriebsnetz“, sagt Palancares. Wöchentlich die Obere Rhön mit dem Auto abzufahren, um einzelne Produkte einzuladen – das können sie nicht leisten, so Hofmann.
Bürokratie als Hürde
Kompliziert machen es für den Ladenbesitzer, der nicht aus dem Lebensmittelhandel kommt, die zahlreichen Vorschriften. „Letzt war jemand vom Eichamt da und hat unsere zwei Wagen geeicht“, erzählt er. „Das hat 15 Minuten gedauert und 157 Euro gekostet. Bis wir das wieder erwirtschaftet haben, müssen wir 2000 Pakete Mehl verkaufen.“
Im Dreierlei waren schon einige Bürgermeister zu Gast, um sich das Erfolgskonzept anzuschauen. Aber der 56-Jährige glaubt nicht, dass ein Dorfladen heutzutage noch funktionieren kann, wenn der Besitzer davon leben muss. „Es braucht Privatleute, die sich engagieren, um solche Projekte auf die Beine zu stellen“, ist er überzeugt.
So kann es weiter gehen
Auch wenn ihm viele gesagt haben, dass er spinne sich auf dieses Geschäft einzulassen, Werner Palancares bereut es nicht sich auf das Abenteuer Dorfladen eingelassen zu haben: „Es macht Spaß, weil wir ein super Team sind und eine super Gemeinschaft hier haben.“ Er und seine Angestellten sind glücklich darüber, wie der Laden läuft und sind sich einig: „Es wird weiter so gut laufen.“