Eigentlich arbeitet Werner Palancares in einer ganz anderen Branche. Der 54-jährige Hesse betreibt von Willmars aus medizinische Marktforschung. Doch vor Kurzem stürzte er sich in ein Abenteuer – den Dorfladen. Dieser öffnete an diesem Mittwoch wieder die Türen unter seiner Regie. Palancares verbindet mit dem Geschäft einige Hoffnungen.
So richtig vorwärts ging es nicht auf der extra einberufenen Gemeinderatssitzung im Herbst, erinnert sich der Unternehmer. Im selben Monat wollte die langjährige Pächterin, Renate Baumbach, ihren Laden in der Alleestraße schließen. Ruhestand. Der Gemeinde waren schon zwei Interessenten abgesprungen. Als die Diskussion immer elender wurde, meldete sich Werner Palancares. Er wolle das unternehmerische Risiko stemmen. Allerdings mit Unterstützung durch die Gemeinde. „Es war eine Entscheidung aus dem Bauch heraus.“
Bürgermeister Reimund Voß und die Räte suchten gemeinsam mit dem Unternehmer nach einem Konzept, das Geschäft weiterzuführen. Ein Verein oder eine Genossenschaft als Träger – diese Lösungen besaßen Tücken. Zumal wieder die Willmarser in der Verantwortung gestanden hätten, die eh viel im Ort tun – die von Feuerwehr und Sportverein.
Doch Palancares hatte sich inzwischen überlegt, die Sache allein durchzuziehen. Der Mann aus Hattersheim bei Frankfurt ließ sich von Renate Baumbach die Umsatzzahlen ihres Geschäfts zeigen. Sein Fazit: „Die sind so, dass sich der Laden tragen kann.“ Und zwar so, dass aus den Erlösen eine Angestellte bezahlt werden kann. Palancares' Angestellte heißt Susanne Hofmann. Die 35-Jährige aus Filke wird hauptsächlich Ansprechpartnerin im Dorfladen sein, er selbst mehr im Hintergrund wirken.
Die Beiden sehen sich einigen Zweifeln gegenüber. Kann ein Dorfladen an diesem Standort mit nur 400 bis 500 Einwohnern als potenzielle Kunden langfristig überleben? In der ganzen Gegend scheinen Läden auf- und wieder zuzumachen. Zuletzt schloss nach langen Jahren der Dorfladen im benachbarten Nordheim. Das hat immerhin knapp 1000 Einwohner. „Wir glauben, dass es geht“, sagt Palancares selbstbewusst. Und fügt hinzu: „Weil wir flexibel sind.“
Der Willmarser Laden wird ein gewisses Grundangebot an Lebensmitteln bieten, inklusive Obst, Gemüse und Waren aus dem Kühlregal. Auch eine Metzgertheke und eine kleine Getränkeabteilung stehen bereit. Eine Café-Ecke wurde mit einer historischen Bilderwand und Bücherregal eingerichtet.
In Willmars und der näheren Umgebung existieren seit Längerem keine Bäckereien, Metzgereien und Gasthöfe mehr – ein Riesenvorteil für den Dorfladen, meint Palancares. Neben den Willmarsern sieht er die Filker, Völkershäuser und Menschen aus dem thüringischen Stedtlingen als potenzielle Kunden an.
Ihren großen Wochenendeinkauf werden diese wohl nicht im Dorfladen erledigen. Da gibt sich Palancares keinen Illusionen hin. „Aber eine gewisse Grundversorgung wollen wir schon abdecken. Und wir hoffen auf die Solidarität im Dorf.“
Apropos Grundversorgung: Großen Raum in den Regalen nehmen Süßigkeiten ein. Dabei spekuliert der Unternehmer auf die Kinder aus dem Nicolheim, ein paar Straßen weiter, oberhalb des Rathauses.
Der Laden soll aber nicht nur Einkaufsstätte, sondern Treff für Dorfbewohner sein. Daher die Café-Ecke und die „offene Bücherbox“. Dort kann jeder Bücher und CDs herausnehmen und nutzen. Und etwas hineinstellen.
Bei den Kunden punkten will der 54-jährige Betreiber auch mit einem W-Lan-Hotspot. „Wer bei uns einkauft, bekommt Zugang zum Internet.“ In Willmars lässt es sich bekanntlich, wenn überhaupt, nur sehr schwer per Handy telefonieren. Übers Internet klappt das besser.
Die Annehmlichkeiten bilden die eine Seite von Palancares' Konzept. Noch wichtiger erscheinen die Quellen, aus denen er seine Ware bezieht. Viele Dorfhändler klagen, weil sie von Großversorgern eine bestimmte Menge Frischware abnehmen müssen. Die findet bei sinkender Kundenzahl immer häufiger keine Abnehmer. Zurückgeben geht nicht; also wandert die Ware in die Tonne.
Werner Palancares hat vorgesorgt. Er arbeitet mit dem Sälzer Lebensmittel-Großhandel Igros zusammen. „Igros ist in der Lage, mir 'Anbruchmengen' zu liefern.“ Das bedeutet, dass der Unternehmer ausverkaufte Einzelware nachbestellen kann. Umgekehrt kann er Ladenhüter nach vier Wochen zurückgeben. Ähnlich verfährt der 54-Jährige mit der Bäckerei Schmitt aus Bad Neustadt. Für die sechs Wochen nach Eröffnung nimmt diese nicht verkaufte Ware zurück. „Die tun das, um uns den Einstieg zu erleichtern.“
Komplett übernimmt Palancares das Dorfladen-Konzept von Igros aber nicht. Der Großhändler hätte neben der Ware die Einrichtung gestellt. Und den Laden vermarktet. In Willmars hat die Ausstattung entweder die Gemeinde besorgt oder Palancares sie selbst angeschafft. Die Einwohner spendeten dafür reichlich, allen voran Horst Rothhaupt. Der Ladenbetreiber konnte auf weitere Helfer bauen: auf Klaus Börners Malerbetrieb, der das Innere gestaltet hat, und Gemeindehelferin Roswitha Trost, deren Idee die Café-Ecke war.
Beim Einräumen der Ware musste Susanne Hofmann nicht viel tun. Das übernahmen Igros-Mitarbeiter für sie. Sie verteilen alle 14 Tage Prospekte in Willmars, Völkershausen, Neustädtles, Stedtlingen und Weimarschmieden – eigentlich Teil des Igros-Konzeptes. Aber Werner Palancares zahlt extra dafür.
Im Moment hält Susanne Hofmann den Dorfladen werktags von 7.30 bis 12.30 Uhr offen, freitags auch von 15 bis 17 Uhr. Werner Palancares und sie glauben „zu 100 Prozent, dass wir es mit dem Dorfladen schaffen“. Angst zu scheitern, haben sie nicht. Auch, weil sie nicht aus dem Lebensmittelhandel kommen. „Ich bin unternehmerisches Risiko gewohnt, sagt der Hesse, der seit drei Jahren fest in Willmars wohnt.
Am Samstag, 13. Februar, wird der Dorfladen um 10 Uhr offiziell mit einem Fest eröffnet. Dann schauen Bürgermeister Voß, die Musikkapelle und weitere Ehrengäste vorbei. Und hoffentlich viele künftige Kunden.