Jochen Vollmond, einer der vier Künstler, die für die kleine Galerie in der Hindenburgstraße verantwortlich sind, war der erste, der von der Polizei am Abend des 15. Dezember angerufen wurde, weil die dortige Schaufensterscheibe zerbrochen war. Die kürzlich gestaltete Rauminstallation "Europas Frauen" seiner Kollegin Christine Wehe-Bamberger befand sich darin.
Sie besteht aus Strumpfhosen, die bis kurz vor dem Zerreißen gespannt sind und an den Spagat erinnern sollen, den viele Frauen in ihren unterschiedlichen Rollen bewältigen müssen. War das ein Anschlag auf die Ausstellung, eine mutwillige Beschädigung oder ein unglücklicher Zufall? Das fragen sich die Künstlerinnen und Künstler nun.
Polizei Bad Königshofen sucht Zeugen des Vorfalls
Doch zurück zum Anfang: Die Feuerwehr war alarmiert worden, sie fegte die auf die Straße gefallenen Glassplitter zusammen und sicherte die entstandene Öffnung mit einer Spanplatte. Ein Gegenstand wie ein Stein oder ähnliches, der als Tatwerkzeug in Frage käme, fand sich nicht, es gab auch keinen Hinweis darauf, dass sich jemand verletzt hätte. Entwendet wurde nichts, wie Wehe-Bamberger später feststellte.
Nachbarn berichteten von einem lauten Geräusch und von drei Mädchen oder jungen Frauen, die wegliefen. Diese werden dringend von der Polizei als Zeugen gesucht und sollten sich umgehend in der Polizeistation in Bad Königshofen melden, bittet Wehe-Bamberger.
Jochen Vollmond vermisst Interesse an Kunst
Der Vorfall ist laut der Künstlerin kein Einzelfall. "Immer wieder gibt es Meldungen, dass Skulpturen oder andere Kunstwerke beschmiert oder zerstört werden", sagt Christine Wehe-Bamberger. Fühlte sich jemand provoziert, weil mit der Installation anhand eines intimen Kleidungsstücks auf die Rolle der Frauen hingewiesen wird, die aktuell in vielen Ländern unterdrückt werden?
Die Künstlerin erinnert sich an einen Vorfall, als sie hinter verhängten Fenstern ihre Ausstellung aufbaute. Ein Mann kam auf die Eingangstreppe, murmelte etwas und klebte einen Kaugummi über das Wort "Europas Frauen".
"Ich finde die Installation sehr stimmig, sie passt in unsere Zeit", sagt Künstlerkollege Jochen Vollmond. In einer Besprechungsrunde der vier Künstler, zu der auch Ulrich Zühlke und Peter Picciani gehören, warf er die Frage auf, ob man sich überhaupt noch bemühen sollte, zeitgenössische Kunst in Bad Königshofen auszustellen.
Er wundere sich, dass niemand bei ihm oder seinen Kollegen nachgefragt habe, was da passiert ist, wie es jetzt weitergeht oder wer den Schaden verursacht hat. Sein Fazit: "Interesse gleich Null!" In der Stadt kümmere es anscheinend niemanden, ob hier noch zeitgenössische Kunst ausgestellt wird oder nicht. "Deshalb könnte man es auch lassen", sagt Vollmond.
Vielen Fragen sind noch ungeklärt
Auch während der offiziellen Öffnungszeiten bei anderen Ausstellungen während des Kunsthandwerkermarktes zum Beispiel habe es viele Besucher gegeben, es seien aber keine Bad Königshöfer darunter gewesen, soweit er das beurteilen könne. Vollmonds Albtraum: Er stellt eines seiner wertvollen Bilder aus und es wird durch einen Vorfall beschädigt – das Risiko trage allein der Künstler.
Peter Picciani erinnerte an die Anfänge, als zur 1275-Jahrfeier die unattraktiven Leerstände in der Stadt von den Künstlern mit Ausstellungen schöner gestaltet werden sollten. Davon übrig geblieben ist der kleine Laden in der Hindenburgstraße, den die Besitzerin bis zum Verkauf des Hauses kostenfrei zur Verfügung stellt, nur die Stromkosten müssen übernommen werden.
"Die Nachbarn fanden es gut, dass der Leerstand nicht so trist aussah. Wer soll die Schaufensterscheibe nun bezahlen? Ob die Stadt einen Zuschuss geben würde? Ob sich noch ein Verursacher findet?", so Picciani. Diese Fragen sind noch ungeklärt.
Fehlt in Bad Königshofen das Interesse an Kunst?
Die Gruppe erinnerte an die großen Bad Königshöfer Kunstausstellungen, zum Beispiel an die Ausstellung "40 Jahre zeitgenössische Kunst", die 2008 in der Trink- und Wandelhalle und in der Schranne mit großem organisatorischem Aufwand unter anderem von Wehe-Bamberger und über 1000 Besuchern stattfand.
Im Museum sei seit dem Umbau dafür kein Platz vorhanden, die Trink- und Wandelhalle sei abgerissen und werde neu gebaut, der große Kursaal stehe wochenlang nicht zur Verfügung. "Kein Platz und anscheinend kein Interesse – dann gehen wir woanders hin", so der Tenor der Künstlerinnen und Künstler bei dieser Besprechung.
Mangelnde Kennzeichnung der Kunst als Kunst führte schon dazu, dass ein ein Werk von Joseph Beuys verschwand.
https://www.spiegel.de/geschichte/skandal-um-beuys-badewanne-a-947414.html