
Bei dem Luftbild vom vergangenen Montag musste man wahrscheinlich nicht lange überlegen, um auf die Ortschaft zu kommen, die beim Sommerrätsel "Rhön und Grabfeld aus der Vogelperspektive" gesucht wurde. Der Turm im Hintergrund der Aufnahme ist unverkennbar und das Wahrzeichen schlechthin für Zimmerau.
Hätte Zimmerau den Bayernturm nicht, hätte es nach dem Bau des "Eisernen Vorhangs" wahrscheinlich das Schicksal vieler Dörfer entlang der Grenze geteilt und wäre an den Rand der öffentlichen Wahrnehmung gerückt. Doch mit der Errichtung des optisch nicht gerade bemerkenswerten Bauwerks kam Leben ins Dorf, schildert René Scheider, der damals noch gar nicht geboren war.
Über eine Million Menschen haben den Bayernturm in Zimmerau besucht
Die Einrichtung entwickelte sich zu einem Magneten, bis zu 1000 Menschen wollten an besonderen Tagen einen Blick in den Bruderstaat werfen. Auf einer Informationstafel steht, dass bisher über eine Million Besucher gezählt worden sind.

Mit dem Turm kam auch der "Berggasthof", der nach einigen Jahren bereits expandierte und nun wohl über 100 Betten und für die Jugend des Dorfes eine Anlaufstelle bietet. Unterhalb des Turmes wurde eine Feriensiedlung gebaut, die heutzutage mehr als fester Wohnsitz vor allem für Zugezogene dient. "Täglich kamen Busse und es war immer Leben im Dorf."
Schleuse für DDR-Agenten: Ein versteckter Durchgang im Zaun
Unwissentlich hatten die Turmbesteiger Blick auf eine Stelle des Grenzstreifens, deren Bedeutung erst später bekannt wurde und die an die schlimmsten Auswüchse des Kalten Krieges erinnert. Nach Schilderung durch Kreisheimatpfleger Reinhold Albert aus dem benachbarten Sternberg hat sich im Zaun ein versteckter Durchgang befunden, durch den Agenten der DDR alle 14 Tage in Nacht-und-Nebel-Aktionen in die Bundesrepublik geschleust wurden.
Die Eindringlinge sollten nicht nur Spionage betreiben, sondern waren ausgebildet, im Falle eines Einmarsches von Osttruppen Sabotageakte zu begehen.
Bayernturm in Zimmerau: Ein Bedeutungsverlust nach der Grenzöffnung
Diese Geschehnisse sind jetzt Geschichte und auch der Bayernturm hat durch die Grenzöffnung längst an Bedeutung verloren, stellt der 34-jährige René Scheider fest, der im vergangenen Jahr in Sulzdorf gebaut hat. Immerhin sind jetzt Zuschüsse für eine Sanierung in Aussicht gestellt. Der Beginn der Arbeiten verzögert sich offensichtlich, weil sich die Verantwortlichen nicht auf ein Gestaltungskonzept einigen können.
Der Bedeutungsverlust des Aussichtspunktes hat nach Scheiders Ansicht aber nicht zu einer Abwanderungswelle geführt. Zwar bildete der Fremdenverkehr eine wichtige Einnahmequelle und bot zahlreiche Arbeitsplätze. Dafür hat das Dorf wieder etwas von seiner Beschaulichkeit zurückgewonnen und die Bevölkerung wurde, zumindest des Dorfkerns, zu einer engen Gemeinschaft zusammengeschweißt.

Die Abgeschiedenheit, wie er sie in seiner Kindheit nach der Grenzöffnung erlebt hat, sei kein Nachteil gewesen, beteuert Scheider, der auch in seiner Funktion als Sportvereinsvorsitzender in Sulzdorf weiterhin enge Beziehungen zu Zimmerau pflegt.
Unser heute gesuchtes Dorf hat zwar nicht die Abgeschiedenheit von Zimmerau, wirkt aber trotz seiner Lage in der Nähe der Kreishauptstadt entlegen. Die Topografie ist aus der Vogelperspektive nicht erkennbar, die Straße an einem Sportplatz am oberen Bildrand ist zum Beispiel sehr steil.