
Es ist ein standardmäßiger Eingriff, wie er am Rhön-Klinikum Campus in Bad Neustadt etliche Male pro Jahr vorgenommen wird: Ein Patient bekommt eine neue Hüfte. Bei der Einleitung der nötigen Narkose gibt dieser aber plötzlich Geräusche von sich, es kommt zu einem ungeplanten Zwischenfall. Auch wenn das ganze Operations-Szenario täuschend echt aussieht, ist in diesem erwähnten Beispiel jedoch kein Mensch möglicherweise in ernster Gefahr. Der Patient ist in diesem Fall eine Puppe.
Damit das medizinische Personal am Campus auf solche unvorhergesehenen Situationen gut vorbereitet ist und entsprechend zum Wohle des Patienten reagieren kann, werden solche Zwischenfälle simuliert. Dafür gehen die Campus-Mitarbeiter in ihr "NeST" - ins hauseigene Neustädter Simulations- und Trainingszentrum. Ganz nach dem Motto: Was sich in der Luftfahrt längst bewährt hat, ist auch für die Medizin relevant.
Ein Hebel, um Menschen von der Medizin zu begeistern
"Die Fort- und Weiterbildung ist der Hebel, um Menschen von der Medizin zu begeistern", beschreibt Professor Bernd Griewing, Vorstand Medizin der Rhön-Klinikum AG die Wichtigkeit des Simulationszentrums. Es bilde laut des Mediziners eine entscheidende Grundlage, Fachkräfte weiterzubilden oder neue Mitarbeiter erst gewinnen und gleichzeitig binden zu können. Mit den realitätsnahen Anwendungen in einem geschlossenen Rahmen biete man eine Lernplattform, um die entsprechenden Techniken einüben zu können.
Sei es im Bereich des Herzens, der Lunge oder bei Arthroskopien (Behandlung von Gelenken) - ganze Operationen können, wie anfangs erwähnt, simuliert werden. Auch das richtige Setzen von Kanülen oder Blasenkathetern befindet sich auf dem Trainingsplan, ebenso das wichtige Thema Reanimation bei Erwachsenen und Säuglingen. Rund 200 Mal pro Jahr müssen Reanimationen am Campus durchgeführt werden, so Dr. Michael Dinkel.

Das große Ziel der Patientensicherheit vor Augen
Der Chefarzt der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin, der gleichzeitig das Simulationszentrum als ärztlicher Leiter verantwortet, hat deshalb immer das große Ziel vor Augen, mit dem "NeST" die Patientensicherheit zu erhöhen."Das ist aufwendig, aber lohnt sich", ist der Mediziner überzeugt. Auch Reinigungskräfte sollen im Notfall, beispielsweise beim Auffinden von bewusstlosen Patienten, entsprechend helfen können.
Denn ganz allgemein sind Zwischenfälle bei Operationen gar nicht so selten, wie man meinen mag. Jede 200 000. Narkose habe tödliche Folgen, so Dinkel. "Da die Patienten immer älter werden und mehr Krankheiten besitzen, muss das Risiko gering sein und wir für alle Fälle gewappnet sein." Das gilt beispielsweise auch für das Trainieren bei seltener vorkommenden Komplikationen.
Grundsätzlich herrscht auch immer dort, wo neue Mitarbeiter eingelernt werden, Bedarf für Simulationstechniken. Rund 1500 Mitarbeiter-Schulungen pro Jahr finden im "NeST" statt, darunter sind etwa 45 Termine, um die Wiederbelebung einüben zu können.
Vertrauensvolle Auswertung der Trainings
Immer mit dabei ist Matthias Scholz. Der organisatorische Leiter überwacht beispielsweise die simulierte Hüft-Operation (siehe Foto) und wertet später mit den Beteiligten und gegebenenfalls weiteren Zuschauern das Verhalten und die durchgeführten Maßnahmen aus. "Wenn die Fehler selbst erkannt werden, bleiben diese sitzen", so Scholz und könnten dann beim nächsten Training ausgemerzt werden. Wichtig ist für ihn und alle Beteiligten das gegenseitige Vertrauen in diesem geschlossenen Kosmos abseits der ernsten Berufsrealität.

Eingebettet ist das Simulationszentrum in die Campus-Akademie, der zentralen Bildungseinrichtung. "Wir wollen die Mitarbeiter durch ihr komplettes berufliches Leben begleiten", sagt die zuständige Leiterin Katrin Manzau, die die diversen Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote am Klinikberg koordiniert. "Wir sind froh, dass wir das Simulationszentrum als Säule oder mittlerweile gar schon als Basis der Akademie haben", freut sich Manzau. Schließlich gewinne dieses Thema nicht nur im Facharztbereich, sondern auch in der Pflege immer mehr an Bedeutung.
Hoffnung auf neue Intensivfachkräfte
Ganz allgemein hofft man am Campus auch, mit diesen Angeboten dem deutschlandweit vorherrschenden Fachkräftemangel im Intensivbereich entgegenzuwirken. Dieser zeigt sich vor allem in der aktuellen neuerlichen Corona-Welle, die laut Bernd Griewing "durchrollen wird und nicht aufhaltbar ist".