Ein eisiger Wind fegt über den ehemaligen Truppenübungsplatz bei Oberstreu. Hagelschauer wechseln sich mit Schneegestöber ab, hin und wieder schaut auch einmal die Sonne heraus. Nicht gerade die besten Bedingungen für eine Rettungsaktion der letzten Geburtshelferkröten, die an der Panzerwaschanlage einen idealen Lebensraum gefunden hatten.
Nur im Augenblick ist es für die seltene Lurchart ungemütlich: Es ist laut, drei Pumpen der Feuerwehren aus Frickenhausen sowie Ober- und Mittelstreu laufen auf Hochtouren. In hohen Fontänen wird das abgepumpte Wasser in den Wald gesprüht. Seit zwölf Stunden wird die 50 Meter lange und drei Meter tiefe Betonwanne geleert, in der einst Panzer gereinigt wurden.
Goldfische und jede Menge Nachwuchs
Inzwischen hat sich der Wasserspiegel stark gesenkt. Schlamm, verschiedene Gegenstände wie eine Rolle Maschendrahtzaun kommen zum Vorschein – und der eigentlichen Grund für die aufwendige Aktion: rund 20 ausgewachsene, wohlgenährt aussehende Goldfische und jede Menge Nachwuchs.
"Goldfische sind die reinsten Fressmaschinen", erklärt Daniel Scheffler, Naturparkranger, Experte in vielen Bereichen des Naturschutzes und fachlicher Betreuer der Aktion, die von der unteren Naturschutzbehörde in Zusammenarbeit mit Bundesforst und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geplant wurde. Wie die Tiere dorthin gekommen sind, darüber kann man nur Vermutungen anstellen.
"Die Goldfische haben dafür gesorgt, dass die Population nahezu komplett zusammengebrochen ist". Eine Vernichtung wäre fatal, weil der Bestand zu den letzten sechs Standorten im Landkreis Rhön-Grabfeld gehört, der damit die letzten Vorkommen der Geburtshelferkröte in Bayern besitzt.
Die Anwesenheit der Geburtshelferkröte ist seit den 80er Jahren bekannt, erzählt Scheffler, der auch Kreisvorsitzender des Landesbunds für Vogelschutz ist. Damals herrschte noch normaler Betrieb auf dem Truppenübungsplatz.
Weitere seltene Arten werden angelockt
Nach dessen Aufgabe wurde im Jahr 2010 das Gelände an die Deutsche Bundesstiftung Umwelt übergeben und das Vorkommen unter besonderen Schutz gestellt. Durch verschiedene Eingriffe wurde seit dem versucht, den Lebensraum zu verbessern und zu erhalten, denn es hat sich auch gezeigt, dass die Geburtshelferkröte offensichtlich eine Leitart ist und weitere seltene Arten anzieht.
Erst kürzlich wurde 200 Meter vom Becken entfernt ein Wall aufgeschüttet und die Grasnarbe entfernt, um offenen Boden zu schaffen, auf dem die von Trespen, einer Grasart, verdrängten Kräuter wieder wachsen können. Die Kräuter sind wiederum Lebensraum für gefährdete Insektenarten. "Am besten wäre es, wenn ein Panzer hier seine Runden drehen würde und die Grasnarbe aufreißt". In den Spuren sammelt sich außerdem Wasser, das ebenfalls neuen Lebensraum bietet.
Für die Geburtshelferkröte wurde unmittelbar neben dem Becken ein Steinhaufen aufgeworfen, um geeignete Rückzugsbereiche zu schaffen, da sich die Art durch ein außergewöhnliches Fortpflanzungsverhalten auszeichnet. Sowohl Männchen wie Weibchen geben in der Paarungszeit Rufe ab, mit denen sie sich gegenseitig anlocken.
Die Kaulquappen und die Goldfische
Bei der Paarung übergibt das Weibchen ihre Eier in Form einer Laichschnur, die sich das Männchen um die Beine wickelt. Dieser Vorgang kann sich mit anderen Weibchen wiederholen. Ist der Laich schlupfreif, begibt sich das Männchen zur Ablage in ein Gewässer, wo sich die Kaulquappen weiter entwickeln können - wenn da nicht die Goldfische wären.
Inzwischen zappeln aber die ersten Exemplare der unerwünschten Bewohner in den Käschern. Der Wasserstand hat sich so weit gesenkt, dass die Tiere jetzt leicht eingefangen werden können. Sie werden später von Mitarbeitern der Unteren Naturschutzbehörde in einem Teich bei Wollbach ausgesetzt. Zum Vorschein kommen aber auch Hunderte von Teich- und Bergmolchen und – was Scheffler besonders freut – ein paar äußerst seltene Kammmolche, die bis zu 18 Zentimeter groß werden und die größte heimische Molchart darstellen.
Damit sich ein solcher Lebensraum entwickeln kann, sollten Störungen vermieden werden. Löcher in der Umzäunung des Beckens deuten jedoch auf ungeladene Besucher – Scheffler vermutet Hundebesitzer, die ihre Tiere im Wasser schwimmen lassen. Sein Appell daher, "bitte nicht betreten, aber vor allem: keine Fische einsetzen!"
Nun hofft Scheffler, dass die Aktion auch Erfolg hat und die letzten verbliebenen Kröten zurückkehren. Bald wird man es hören, denn die Paarungszeit beginnt und dann sollten die Rufe wieder erklingen.