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Die Zeit der bösen Geister: Alte Bräuche in den Rauhnächten zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag
Dem  Beräuchern der Wohnräume, das Lioba Kinzinger aus Burgerroth praktiziert, kam früher  in den Rauhnächten eine besondere Bedeutung zu.
Foto: Hannelore Grimm | Dem Beräuchern der Wohnräume, das Lioba Kinzinger aus Burgerroth praktiziert, kam früher in den Rauhnächten eine besondere Bedeutung zu.
Hannelore Grimm
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:14 Uhr

Um keine der Nächte im Jahresverlauf ranken sich so viele Mythen und Sagen wie um die so genannten "Rauhnächte." Die zwölf Nächte zwischen Heiligabend und dem 5. Januar galten, besonders bei der ländlichen Bevölkerung, als die Zeit, in der böse Geister das Leben von Mensch und Tier bedrohten. Um sich dagegen zu schützen, entstand nach alten Überlieferungen ein Brauchtum, das auch heute noch nicht gänzlich in Vergessenheit geraten ist.

Neben den Gebeten und Regeln, die es zu beachten gab, um Mensch und Tier vor den bösen Mächten zu schützen, waren die Rauhnächte angeblich auch die beste Zeit, um Orakel zu befragen und in die Zukunft zu schauen. Der Ursprung der von uralten Aberglauben umrankten Rauhnächte geht vermutlich auf den germanischen Mondkalender zurück. Der bezifferte ein Jahr mit zwölf Mondmonaten mit 354 Tagen. Bei dem Wechsel zum heutigen Sonnenkalender mit jährlich zwölf Monaten und 365 Tagen sind demnach elf Tage oder zwölf Nächte aus der Zeit gefallen.

In grauer Vorzeit, in der die Tage kurz und die Nächte lang, kalt und stürmisch waren und die Menschen – was heute kaum vorstellbar ist – ohne elektrisches Licht im Schein von Kerzen zusammensaßen, kamen die gruseligen Geschichten auf, die dann von Haus zu Haus weitergetragen wurden.

Keine weiße Bettwäsche auf die Leine hängen

Die Mär von den bösen Geistern und wilden Horden, die während dieser Nächte ihr Unwesen treiben, setzte sich ebenso fort wie die Praktiken, die als Vorsorge gegen die bösen Mächte eingesetzt werden können. So galt es, darauf zu achten, dass in Haus und Stall keine Unordnung herrschte und vor allem, dass keine Bettwäsche auf die Leine gehängt wurde. Die wilden Reiter könnten die weiße Wäsche stehlen, um sie für deren Besitzer im Laufe des Jahres als Leichentuch zu verwenden. Überhaupt sollten Wäscheleinen nicht gespannt werden, weil sich die wilden Horden darin verfangen könnten. Um den bösen Geistern nicht zu begegnen,  sollten in der Dunkelheit Frauen und Kinder die Häuser nicht mehr verlassen.

Nach alten Volksglauben geben die bösen Mächte in der Nacht zum 6. Januar, dem Fest der Erscheinung des Herrn oder Dreikönigstag, endlich Ruhe nach ihrem stürmischen Auftreten und die guten Geister übernehmen wieder die Regie.

Zunehmendes Interesse an dem alten Brauchtum

Dass die Rauhnächte auch heute noch im Bewusstsein der Menschen wach sind und das Interesse an dem Brauchtum eher zunimmt, diese Erfahrung hat Gertrud Schneider gemacht. Als Mitglied des Museumsverein Kloster Frauental und Führerin durch die uralten Klosteranlagen bietet sie, nach der durch Corona bedingten Pause, am 5. Januar 2023 wieder eine "Raunachtwanderung" an.

Die vor einigen Jahren ins Leben gerufene Veranstaltung, an der sich in der Vergangenheit zirka 100 Teilnehmer auf den Weg durch die Nacht gemacht haben, steht unter dem sehr aktuellen Thema "Zeitenwende – Zeichen der Hoffnung finden", so die Führerin.

Die zwölf Nächte zwischen Weihnachten und Dreikönig sind nach den Worten von Gertrud Schneider die dunkelsten im Jahr. Die Zeiten der dunklen Stunden und Tage, die Menschen immer wieder erleben, werden auf dem Rundweg um das Klosterdorf Frauental an verschiedenen Stationen sichtbar gemacht.

Zeichen der Hoffnung setzen und Mut machen

Dabei möchte die Gästeführerin nicht nur das altüberlieferte Wissen über die Rauhnächte weitergeben, sondern, wie sie sagt: "Zeichen der Hoffnung setzen und Mut machen für neue Wege."

Rita Kinzinger aus dem im Auber Stadtteil Burgerroth, die am 7. Januar ihren 95.Geburtstag feiert, weiß ansonsten sehr viel aus der Vergangenheit zu berichten.  Von den Bräuchen während der Rauhnächte in Erinnerung ist ihr, dass ihre Mutter "das Wetter aufgeschrieben hat." Manchmal, hat es ihren Worten nach ja gestimmt, aber, wie sie meint, war das wohl nur Zufall.

Die geistig sehr vitale Seniorin, deren Leben vom christlichen Glauben und nicht vom Aberglauben geprägt ist, erinnert sich aber auch daran, dass ihre ältere Schwester das "Schüssele auslegen", das so genannte "Zwiebelorakel," praktiziert hat.

Dabei bilden zwölf Teile von Zwiebeln die "Schüsseln". Der Reihe nach auf ein Brett gelegt, wobei das erste Zwiebelnäpfchen den Januar markiert, wird in die Näpfchen jeweils eine Teelöffelspitze Salz gegeben. Am nächsten Tag ist zu sehen, in welchen Zwiebelnäpfchen das Salz nass geworden ist. Aus der Beschaffenheit des Salzes in den Näpfen lässt sich ablesen, in welchen Monaten mit trockenem oder mehr oder weniger nassem Wetter zu rechnen ist.

Das Zwiebelorakel, das so genannten 'Schüssele auslegen' in den Raunächten, diente vor langer Zeit als Wettervorhersage für das kommende Jahr.
Foto: Hannelore Grimm | Das Zwiebelorakel, das so genannten "Schüssele auslegen" in den Raunächten, diente vor langer Zeit als Wettervorhersage für das kommende Jahr.

Während in Rita Kinzingers Jugend im Elternhaus das "Beräuchern" von Haus und Stall nicht üblich war, setzt Schwiegertochter Lioba Kinzinger das altüberlieferte Ritual fort. Der Rauch, der aufsteigt von den Pflanzen aus dem Kräuterbüschel, das am 15. August, dem Fest Maria Himmelfahrt, in der Kirche geweiht wurde,  wird gemischt mit sehr gut riechendem Weihrauch aus dem Oman. Allerdings beabsichtigt die Burgerrotherin nicht, damit Geister zu vertreiben.

Mit Rauch die Räume des Hauses reinigen

Wenn sie an Neujahr mit dem Gefäß durch die Räume geht, dann mit dem Gedanken, dass der Rauch eine reinigende Wirkung hat. Für sie bedeutet das Ritual, dass mit dem Rauch Negatives aus dem abgelaufenen Jahr verschwindet und eine neue, gute Energie im Haus einziehen kann.

Dass dem seit dem 16. Jahrhundert bekannten "Beräuchern" mit Weihrauch während der Rauhnächte eine besondere Bedeutung zukam, das hielt der Schriftsteller Johannes Boemus, der um 1485 in Aub geboren wurde und 1534 in Rothenburg gestorben ist, wie folgt fest:

"Die zwolff naecht zwischen Weihenacht und Heyligen drey Künig tag ist kein hauß das nit all tag weiroch rauch in yr herberg mache / für alle teüfel gespenst vnd zauberey."

(Die zwölf Nächte zwischen Weihnachten und Heiligen drei Königstag ist kein Haus das nicht alle Tage Weihrauch in ihrer Herberge mache für alle Teufel, Gespenster und Zauberei.)

Durch Dunkelheit und Kälte, die das ländliche winterliche Bild zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag bestimmen, sind in grauer Vorzeit  Mythen und Sagen rund um die Rauhnächte entstanden.
Foto: Hannelore Grimm | Durch Dunkelheit und Kälte, die das ländliche winterliche Bild zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag bestimmen, sind in grauer Vorzeit Mythen und Sagen rund um die Rauhnächte entstanden.

Die Gelegenheit, der Geschichte der Raunächte nachzuspüren, bietet sich bei der Rauhnachtwanderung am Donnerstag, 5. Januar 2023 um 18.30 Uhr. Treffpunkt ist an der evangelischen Kirche in Creglingen-Frauental, www.kloster-frauental.de

Anmeldung per E-Mail an info@kloster-frauental.de oder Tel.: (07931) 9588 700.

 
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