
Vor wenigen Monaten hat ein junger Mann ein Haus in Saal gekauft. Damals ahnte er nicht, dass er dort auf einen Fund stoßen würde, der Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst alarmieren würde. Beim Entrümpeln entdeckte er am vergangenen Sonntag im Küchenschrank das silberne Gefäß mit der Aufschrift "Radium Kur".
Er schraubte es auf und sah ein kleines Döschen, das mit einem Draht gesichert und bislang wohl noch nicht geöffnet worden war. "Ich hab' das Glas dann gleich wieder verschlossen und mich im Internet kundig gemacht", sagt der Finder, der anonym bleiben möchte, auf Nachfrage.
Radioaktivität von 0,35 Mikrosievert am Gefäß in Saal
Dabei fand er heraus, dass dieses Gefäß vermutlich aus den 1920er-Jahren stammen müsste, als man Radium noch als gesundheitsfördernd eingestuft hatte. Das änderte sich erst zehn Jahre später. Im Internet wurde darauf verwiesen, dass solch ein Fund behördlich genehmigt werden muss. Deshalb informierte der Finder die Polizeistation in Bad Königshofen, verschloss das Gefäß und brachte es in die Scheune.

Die Polizei recherchierte ebenfalls zum Thema Radium und ließ die Feuerwehr in Saal und Bad Königshofen sowie den Rettungsdienst mit Einsatzleiter und Notärztin alarmieren. Diese entschied, den Finder in den Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt einzuliefern. Hier sollte er für 24 Stunden überwacht werden.
Marie und Pierre Curie entdeckten das Radium 1898
Nachdem feststand, dass keine gesundheitliche Gefahr durch das Radium für ihn besteht, konnte er das Krankenhaus wieder verlassen. Am Campus erfuhr der Finder außerdem, dass am Gefäß eine Radioaktivität von 0,35 Mikrosievert gemessen wurde.
Wie gefährlich ist dieser Wert an Radioaktivität? Dazu äußert sich Professor Dr. Michael Flentje von der Strahlentherapie der Universitätsklinik in Würzburg auf Anfrage dieser Redaktion. Bevor man die Gefahr fundiert abschätzen könne, muss der Wert erst näher "authentifiziert und charakterisiert" werden, sagt er.
Er verwies auf einen Bericht aus dem Bayerischen Ärzteblatt zur Geschichte des Radiums von Professorin Dr. Marion Ruisinger vom Deutschen Medizinhistorischem Museum in Ingolstadt. Demnach entdeckte 1898 die Physikerin Marie Curie zusammen mit ihrem Ehemann Pierre ein radioaktives Schwermetall. Weil es im Dunkeln leuchtete, nannten sie es "Radium" (von lateinisch radius, der Strahl).
Radium-Trinkglas in Saal statt Fahrt ins Kurbad?
Das neue Element erfreute sich wegen seiner Leuchtkraft rasch großer Beliebtheit und wurde für die Zifferblätter von Uhren, die Augen von Stofftieren und für Leuchtbildchen verwendet. Dass es durch seine radioaktive Strahlung für den Menschen gefährlich sein könnte, war damals noch nicht bekannt. Im Gegenteil: Laut dem Bericht schrieb man dem Radium, das sich auch in den Heilwässern von Kurorten fand, sogar eine gesundheitsfördernde Wirkung zu.
Nach 1906 gab es in Deutschland Radiumbäder wie Bad Kreuznach, Bad Schlema und Bad Brambach. Man verwendete Radium zur Herstellung von Medikamenten, Zahnpasta, Seife und Kosmetika, selbst Zwieback und Zigarren wurden mit Radium veredelt. Wer auch zuhause in den Genuss von radioaktivem Heilwasser kommen wollte, konnte sich ein "Radium-Trinkglas" anschaffen.
Das dekorativ in Überfangtechnik geschliffene, zylindrische Trinkglas aus Bleikristall, wie in Saal, stand in einer Halterung. Im Glas befand sich in einer körbchenartigen Haltevorrichtung das Radium-Präparat. Anstatt in ein Kurbad zu reisen, sollte man nur ein mit Trinkwasser gefülltes Glas in die Halterung stellen, das Ganze zuschrauben und 24 Stunden stehen lassen.
Gefäß wird am Bauhof in Saal verwahrt
Heute steht solch ein Gefäß im Medizinhistorischem Museum in Ingolstadt. Wie in Saal wurde es in einem Schrank aufbewahrt und 2017 gefunden. Die Finderin überließ dieses Gefäß dem Museum, das das Radium fachgerecht entsorgte und das dekontaminierte Glas dann an die Sammlung übergab.
"Hier kündet es nun eindrucksvoll davon, wie sorglos früher mit radioaktiven Substanzen umgegangen wurde und wie schwierig es ist, die Folgen einer neuen Technologie in ihrer ganzen Breite einzuschätzen", schreibt Professorin Dr. Marion Ruisinger in ihrem Beitrag im Bayerischen Ärzteblatt.
Zurück nach Saal an der Saale. Hier ist das Gefäß zurzeit noch im Außenbereich des Bauhofs der Marktgemeinde eingelagert. Kommandant Daniel Menninger hatte zuvor mit dem Bundesministerium für Strahlen- und Umweltschutz Kontakt aufgenommen. Die Mitarbeitenden möchten in den nächsten Tagen selbst vorbei kommen, um das Gefäß abzuholen. Dann wird es entsprechend entsorgt.
Im Gegensatz zu Hrn. Prof. Dr. Flentje, der – offenbar gänzlich ahnungslos – von einer angesichts des ja vorliegenden Messwerts komplett unnötigen "Authentifizierung und Charakterisierung" schwafelt.