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Roth
Polizei-Razzia gegen rechtsextremistische "Artgemeinschaft": Haus der Vorsitzenden in der Rhön wird durchsucht
Die Polizei durchsuchte am Mittwoch bundesweit Wohnungen von Anhängern einer rassistischen Siedlungsbewegung. Auch das Haus der Vorsitzenden in Hausen-Roth.
Razzien gegen völkische Siedler: In Hausen-Roth in der Rhön haben Beamte am Mittwochmorgen ein Anwesen durchsucht.
Foto: Franziska Sauer | Razzien gegen völkische Siedler: In Hausen-Roth in der Rhön haben Beamte am Mittwochmorgen ein Anwesen durchsucht.
Franziska Sauer
,  Julia Back
 und  Thomas Pfeuffer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 16:32 Uhr

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat eine weitere rechtsextremistische Vereinigung verboten. Einsatzkräfte der Polizei durchsuchten am Mittwoch 26 Wohnungen von 39 Mitgliedern sowie Räume des Vereins "Die Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung" in zwölf Bundesländern, wie das Innenministerium in Berlin mitteilte.

Polizei-Razzia gegen "Artgemeinschaft" auch in der Rhön

Auch in Unterfranken fanden Durchsuchungen statt: Am Mittwoch war die Polizei in Roth, einem Ortsteil der Gemeinde Hausen/Rhön (Lkr. Rhön-Grabfeld), mit zahlreichen Einsatzkräften vor Ort. Um 6 Uhr begannen die Beamten mit der Durchsuchung eines Anwesens, wie ein Polizist gegenüber dieser Redaktion vor Ort bestätigte. Beamte mit Schusswesten gingen auf dem Anwesen ein und aus.

Laut Informationen dieser Redaktion wohnt in dem Anwesen die Vorsitzende der "Artgemeinschaft", Sabrina S. Schon vor mehreren Jahren sei sie mit ihrer Familie in den Ort gezogen, sagen die Nachbarn. Die Frau beschreiben sie als "freundlich, aber zurückhaltend, vielleicht auch ein bisschen kontaktscheu". Man kenne sich, doch ein enges nachbarschaftliches Verhältnis gab es nicht. "Die Leute wollten unter sich bleiben, das hat man gemerkt."

Ein weiterer Nachbar bestätigt, dass die Frau praktisch nie im Dorf gesehen wurde, lediglich bei der Gartenarbeit habe man sie beobachten können. Die Familie habe sechs oder sieben Kinder, so die Nachbarn. Diese seien öfter im Ort zu sehen gewesen.

Auch der Mann sei gelegentlich bei Veranstaltungen aufgetaucht. Das habe sich geändert, seit er im Mai 2022 beim Verlassen des Dorfgasthauses den Hitlergruß gezeigt haben soll. Dafür sei er angezeigt worden und jüngst vor Gericht gestanden

Mehrere Mannschaftswagen der Polizei im 200-Seelen-Ort

Der Bürgermeister der Gemeinde, Fridolin Link, wurde am Vorabend des Einsatzes von den Behörden informiert. Auch ein Mitarbeiter der Verwaltungsgemeinschaft sei bei dem Einsatz anwesend, so Link. "Ich war genauso überrascht wie alle anderen", sagte der Bürgermeister als am Mittwochmorgen etwa ein halbes Dutzend Mannschaftswagen der Polizei in das 200-Seelen-Dorf einrollten.

Die Familie lebe sehr isoliert und würde sich "in ihrer Burg verschließen", so Link. Eine andere Bürgerin machte sich Sorgen, dass "Reichsbürger" im Dorf Fuß fassen wollen. "Muss man jetzt Angst haben?", fragte sie. Im Dorf gebe es nämlich noch mehr von "dieser Sorte".

Im Ort befürchtete man schon länger rechte Tendenzen. "Anfangs dachten wir erst, die sind Ökos. Bis man dann irgendwann erkannt hat, in welche Richtung die ticken", so eine Bürgerin. Auch Bürgermeister Link bestätigt: "Die Gerüchte waren da."

Das habe seine Gründe, ergänzt ein weiterer Nachbar. Kurz nachdem die Familie vor etwa zehn Jahren in den Ort gezogen sei, habe es eine Razzia gegeben. Es sei der Verfassungsschutz gewesen, der die Durchsuchung wegen rechtsradikaler Vorwürfe veranlasste, habe es damals im Dorf geheißen. Daher habe er sich gleich den Hintergrund vorstellen können, als am Mittwochmorgen die Polizeiwagen vor dem Wohnhaus der Frau standen. 

Insgesamt fünf Durchsuchungen in Bayern

Offenbar gab es auch eine zweite Durchsuchung in Unterfranken. Diese soll am Bayerischen Untermain, im Westen des Regierungsbezirks, stattgefunden haben.

Mehr als 50 Polizistinnen und Polizisten waren in Bayern im Einsatz. Die Polizei durchsuchte von acht in Bayern ansässigen Mitgliedern insgesamt fünf Wohnungen in den Regierungsbezirken Oberbayern, Mittelfranken und Unterfranken.

"Die sogenannte 'Artgemeinschaft' ist eine rechtsextreme Organisation, die mit abstoßendem rassistischem und antisemitischem Gedankengut operiert", erklärte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann. "Es ist erschütternd, dass eine solche Ideologie im Deutschland des 21. Jahrhunderts immer noch Anhänger findet."

Wie Herrmann erläuterte, wurden zahlreiche Beweismittel und Datenträger sichergestellt, die im Detail ausgewertet werden. "Davon erhoffen wir uns noch mehr Einblick in die Organisationsstruktur und das Umfeld", so Herrmann.

Innenministerin Faeser: "Rassistische und antisemitische Vereinigung"

Das Verbot der Vereinigung, die dem Milieu der völkischen Siedler zugerechnet wird, sei mehr als ein Jahr vorbereitet worden, so das Innenministerium in Berlin. Maßgeblich seien hierbei Erkenntnisse des Verfassungsschutzes gewesen. Faeser beschrieb in einer Mitteilung "Die Artgemeinschaft" als "sektenartige, zutiefst rassistische und antisemitische Vereinigung". 

Faeser begründete ihre Entscheidung auch mit dem Kindeswohl: "Diese rechtsextremistische Gruppierung hat versucht, durch eine widerwärtige Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen neue Verfassungsfeinde heranzuziehen."

Razzien gegen völkische Siedler: Am Mittwoch fand auch eine Durchsuchung in einem Anwesen in Roth, einem Ortsteil von Hausen/Rhön, statt.
Foto: Franziska Sauer | Razzien gegen völkische Siedler: Am Mittwoch fand auch eine Durchsuchung in einem Anwesen in Roth, einem Ortsteil von Hausen/Rhön, statt.

Laut Bundesinnenministerium umfasst das Verbot auch alle Teilorganisationen der Bewegung, die nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden rund 150 Mitglieder hat. Dazu gehörten sogenannte "Gefährtschaften", "Gilden", "Freundeskreise" und ein Verein namens "Familienwerk".

Neonazi-Gruppierung "Hammerskins Deutschland" wurde bereits verboten

In der vergangenen Woche hatte Faeser die elitäre Neonazi-Gruppierung "Hammerskins Deutschland" verboten. Im Rahmen dessen wurden auch zwei Wohnungen in Unterfranken durchsucht: Die Einsatzorte waren Ermittlern zufolge Haßfurt und Roden im Landkreis Main-Spessart.

Vor allem durch die "manipulativ indoktrinierende Erziehung ihrer Kinder" und den Vertrieb entsprechender Schriften sei die "Artgemeinschaft" nicht weniger gefährlich als die "Hammerskins", sagte die Ministerin.

Zur Begründung des Verbots führte ihr Ministerium aus, die Siedlerbewegung verbreite unter dem Deckmantel eines pseudoreligiösen germanischen Götterglaubens ein gegen die Menschenwürde verstoßendes Weltbild. Zentrales Ziel sei die Erhaltung und Förderung der eigenen "Art", was mit dem nationalsozialistischen Begriff der "Rasse" gleichzusetzen sei.

Mit Informationen von dpa. Dieser Artikel wurde im Laufe des Tages aktualisiert.

 
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Kommentare
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  • Peter Koch
    Dass der Verein verboten wurde ist ja nicht schlecht, aber wie geht es weiter. Es wird wohl ein paar Strafverfahren geben und ein paar Bewährungs- oder Geldstrafen. Und dann?
    Ich bin mir auch sicher, dass die Vereinsmitglieder ihre Kinder behalten dürfen und auch sonst so weiter machen wie bisher.
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  • Monika Klaus
    Sehr gut! Weiter so, wir müssen uns alle gegen rechtsradikale Tendenzen wehren!
    Ch. Behringer
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