
Warnungen vor Schockanrufen finden sich fast täglich in den Medien, und trotzdem werden immer noch meist ältere Menschen Opfer von Betrügern. Die oft mit großer Dreistigkeit agierenden Drahtzieher bleiben meist ungeschoren, erwischt werden die Boten – wie der, gegen den das Amtsgericht in Bad Neustadt jetzt verhandelte.
Angeklagt war ein 27-jähriger gebürtiger Rumäne aus dem Raum Bad Nauheim. Er soll Mitglied einer Bande sein, die sich durch Schockanrufe in den Besitz von Erspartem oder Wertsachen bringt. Verhandelt wurde ein Vorfall aus dem Mai 2023, bei dem eine ältere Frau aus Mellrichstadt um etwa 30.000 Euro gebracht wurde.
Die Ereignisse begannen mit dem Anruf eines Mannes, der sich als Polizist aus Bad Kissingen ausgab, schilderte die Staatsanwältin. Der angebliche Ordnungshüter erklärte der Frau, dass Diebe nach Wohnungseinbrüchen gefasst worden sind und bei ihnen eine Liste entdeckt wurde, auf der auch ihr Name aufgeführt ist. Sie solle also besondere Vorsicht walten lassen, falls sie Wertsachen im Besitz hat. Die Frau rief daraufhin ihren Sohn an und berichtete von dem Vorfall. Der Sohn ahnte gleich, dass etwas nicht stimmt und informierte die Polizei Mellrichstadt.
Polizistin aus Mellrichstadt als Zeugin vor Gericht
Eine Polizistin aus der Inspektion schilderte als Zeugin, dass sie zunächst vergeblich einen Rückruf bei dem angeblichen Kollegen absetzten. Anschließend wurde die Frau benachrichtigt und ihr dringend ans Herz gelegt, nicht auf Aufforderungen zu reagieren, die mit der Übergabe von Geld oder Wertsachen verbunden waren.
Schon am nächsten Tag erfolgte der nächste Anruf und zum Unverständnis der Polizistin holte die Frau ohne den Sohn oder die Polizei zu informieren rund 30.000 Euro aus einem Wertfach. Wie angewiesen legte sie das Geld auf eine Bank vor ihrem Haus, wo es bald verschwunden war.
An sich genommen hatte das Päckchen der Angeklagte, wie er auch bei der Verhandlung einräumte. Seine Beteiligung konnte aber erst durch Ermittlungen nach einem weiteren Vorfall mit ähnlichem Muster nachgewiesen werden. Dabei war der Mann in Aschaffenburg auf frischer Tat ertappt worden. Dass er auch an dem Verbrechen in Mellrichstadt mitverantwortlich ist, stellte sich erst im Zuge der weiteren Ermittlungen heraus, schilderte ein Kriminalbeamter aus Würzburg.
Angeklagter ließ sich überreden, Mitglied einer Bande zu werden
In einer eigenen Abteilung der Kripo der Bezirkshauptstadt laufen alle Fälle zusammen, die mit der Methode der Schockanrufe zusammenhängen, erklärte der Beamte. Bei der Auswertung von Beweisen sei er auf ein Video gestoßen, das ein Taxi am Tattag von Mellrichstadt an einer Tankstelle zeigt. Ihm sei das Kennzeichen aufgefallen, das aus dem Landkreis stammt, in dem der Mann wohnt, der den hessischen Kollegen ins Netz gegangen ist. Über das Kennzeichen konnte der Besitzer des Taxis ausfindig gemacht werden, der schließlich den Angeklagten als Passagier der Fahrt nach Mellrichstadt identifizierte.
Der Beschuldigte räumte seine Beteiligung unumwunden ein und schilderte auch die Vorgeschichte.
Bei einer Party habe er die Bekanntschaft mit einem Mann gemacht, der sich wenige Tage später bei ihm telefonisch meldete und ihn überredete, Mitglied einer Bande zu werden. Der Mann lockte unter anderem damit, für ihn einen Führerschein zu beschaffen, da er seinen hat abgeben müssen. Dafür brauche er nur eine Fahrt machen und ein Päckchen holen, das er an einen Mittelsmann übergeben sollte. "Ich hatte keine Ahnung, worum es eigentlich geht", beteuerte der junge Mann, und versicherte auch, dass es ansonsten zu keinem persönlichen Kontakt mit den Auftraggebern gekommen ist.
Was der Angeklagte eingeräumt hat
Die Aussage erschien glaubhaft, denn die Tat passt zum üblichen Ablauf, dass die Drahtzieher häufig in der Türkei oder im Libanon sitzen und von dort aus die Beutezüge einfädeln, schilderten der Kripobeamte und die Richterin.
Erst nach hartnäckigen Drängen räumte der Angeklagte ein, geahnt zu haben, dass nicht alles mit rechten Dingen zugehen könne. Immerhin hat er für das Abholen eine Entlohnung von 1000 Euro erhalten. Der Kripobeamte aus Würzburg erklärte zudem, dass die Auswertungen des Chatverkehrs ergab, dass der Angeklagte sehr wohl wusste, dass er in einen kriminellen Vorgang verwickelt ist.
Dass das auch beim Taxifahrer der Fall ist, konnten die Staatsanwältin und Richterin trotz einer Kreuzverhör-ähnlichen Befragung des Betroffenen nicht nachweisen. Der Angeklagte sei zwar Stammkunde, so lange Touren wie nach Mellrichstadt habe er aber nur einmal gefahren. Vom Abholen des Pakets habe er nichts mitbekommen und die Bezahlung erfolgte mit Geld, das der Angeklagte bei sich gehabt habe. Als der Zeuge auf widersprüchliche Angaben aufmerksam gemacht wurde, machte er Erinnerungslücken geltend.
Die Verhandlung wird am 12. Februar mit der Hörung weiterer Zeugen fortgesetzt.