Für ihre Masterarbeit reisten Max Kortmann und Sebastian Pohl ans Ende der Welt. Ein Aufwand, den nicht alle Studenten auf sich nehmen. Doch ihre Forschungen in Sachen Mikroplastik wollten die beiden Kommilitonen des Studiengangs Ökologie und Biodiversität der Universität Innsbruck auf jeden Fall mit neuesten Ergebnissen untermauern. In der Stadthalle Bad Neustadt haben Kortmann und Pohl in einem spannenden Vortrag ihre Erlebnisse im hohen Norden Europas einem begeisterten Publikum nahegebracht. Die Ergebnisse ihrer Forschungsreise sind allerdings besorgniserregend.
Mit einem Quiz zu Beginn des Abends wie am Ende nahmen Max Kortmann und Sebastian Pohl ihr Publikum mit hinein in die Thematik (Mikro-) Plastik. Und das interaktiv via Smartphone. So geht Vortrag im 21. Jahrhundert!
Weshalb die beiden in der Tiroler Hauptstadt lebenden Studenten in der Stadthalle referierten, ist schnell erklärt: Max Kortmann stammt aus Brendlorenzen, hat am Rhön-Gymnasium Abitur gemacht und wollte unbedingt eine Forschungsreise für seine Masterarbeit unternehmen. Voraussetzung der Uni Innsbruck: Nur zu zweit! Also hat er Sebastian Pohl angerufen, und der konnte sich ebenfalls für eine Reise nach Nordnorwegen, Spitzbergen, auf die Insel Jan Mayen, nach Grönland und Island begeistern. Zahlreiche Sponsoren haben die beiden für ihren Forschungstrip an Land gezogen und ziehen müssen, darunter auch die Sparkasse Bad Neustadt.
Auch die Ausrüstung ist aus Plastik
"Science!" (Wissenschaft) rufen die beiden in ihren zahlreichen Videoschnipseln immer wieder in die Kamera, wenn sie durchgefroren auf hohen Bergen in Eiseskälte stehen, oder mal wieder mit nassen Füssen am Meer unterwegs sind. Auf dem Segelschiff einer Familie verbrachten sie mehrere Wochen, alles im Dienste der Wissenschaft ("Science!").
Eine Expedition, die in Sachen Ausrüstung schon ein wenig grotesk anmutet. Da begeben sich zwei junge Wissenschaftler auf eine Forschungsreise ans Ende der Welt um Mikroplastik in Luft und Wasser nachzuweisen, und woraus bestehen die meisten Teile ihrer Ausrüstung? Aus Plastik! Deshalb traten Kortmann und Pohl in Baumwollanzügen in der Stadthalle auf, jene Anzüge, die sie bei Probenentnahmen über ihre aus Kunstfasern bestehenden Funktionsklamotten übergezogen hatten. "Wir wollten ja nicht unser eigenes mitgebrachtes Mikroplastik nachweisen."
"In euch drin ist Plastik!"
Die 1000 Kilometer von der nächsten größeren Stadt entfernt gefundene Plastiktüte an einem Strand im nördlichen Atlantik war nur das Symbol davon, dass in den vergangenen Jahrzehnten Plastik bis in die entlegensten Gebiete der Erde vorgedrungen ist. Und in unsere Körper. Die Menge einer Kreditkarte nehmen wir regelmäßig in uns auf. Pro Woche! Das meiste wird wieder ausgeschieden, aber eben nicht alles. "In euch drin ist Plastik!", sagte Max Kortmann.
Was das für Langzeitfolgen für Mensch wie Tier hat, ist noch völlig ungeklärt. Klar ist hingegen, dass Plastik, beziehungsweise dessen polymere Verbindungen, sehr lange haltbar sind. "Hätte ein Ritter im Mittelalter seine Dönerverpackung in eine Hecke geworfen, so könnten wir diese heute noch als Mikroplastik nachweisen", sagte Kortmann.
Auf ihrer mehrmonatigen Reise haben die beiden Nachwuchswissenschaftler so viele Proben aus Wasser, Luft und den Hinterlassenschaften von Eisbären, Polarfüchsen und Vögeln genommen, dass sie noch lange mit deren Auswertung beschäftigt sein werden.
Plastik auch in der Luft
Dass sie Plastik in Wasser wie Kot nachweisen konnten, war eigentlich klar. Was Max Kortmann und Sebastian Pohl aber als erste Wissenschaftler der Welt nachgewiesen haben, ist, dass es Mikroplastik in ganz geringen Mengen auch in der Luft im arktischen Meer gibt. Das war bislang unbekannt und ist eben eine weitere besorgniserregende Entwicklung.
Der Verbreitung von Nano-, Mikro- und allem anderen Plastik wird ihrer Meinung nach viel zu wenig entgegengesetzt. Jährlich werden weltweit 400 Millionen Tonnen Verpackungsmaterial aus Plastik hergestellt. Nur ein Bruchteil davon wird recycelt. Diese 400 Millionen Tonnen übertreffen das Gewicht der gesamten Menschheit auf diesem Planeten. Grund genug, über den eigenen Verbrauch von Plastik vermehrt nachzudenken und, noch viel besser, diesen zu vermeiden.