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Bad Neustadt
"Ein bisschen wahnsinnig": So verlief die Arktis-Expedition von Max Kortmann und Co.
Einreise-Probleme, Eisberge, wenig Schlaf und unvergessliche Eindrücke - die Suche nach Mikroplastik bot eine große Gefühlspalette. Ob das Forschungsduo noch einmal in die Arktis möchte.
Mit einem Gewehr bewaffnet gegen mögliche Eisbären ging es auf der Arktis-Expedition der Sonne entgegen. Der Nebel löste sich später auf, es entstanden für die Forscher phänomenale Aussichten auf Spitzbergen.
Foto: Max Kortmann | Mit einem Gewehr bewaffnet gegen mögliche Eisbären ging es auf der Arktis-Expedition der Sonne entgegen. Der Nebel löste sich später auf, es entstanden für die Forscher phänomenale Aussichten auf Spitzbergen.
Christian Hüther
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:06 Uhr

Der eine oder andere kennt diese Situation: Man war mehrere Wochen im Urlaub und muss sich nach der Rückkehr erst einmal etwas vom Urlaub "erholen", um wieder zurück in den Alltag zu finden. Beim gebürtigen Bad Neustädter Max Kortmann und seinem österreichischen Kollegen Sebastian Pohl hat die Rückkehr nach dem "Urlaub" einige Wochen gedauert. Mit dem großen Unterschied, dass bei den beiden von Urlaub keine Rede sein konnte, trotz eindrucksvoller Schnappschüsse.

Denn die Innsbrucker Studenten befanden sich im Sommer auf großer Forschungsreise und segelte mit einem Boot um die Arktis - mit der entscheidenden Frage an Bord: Lässt sich selbst in den abgelegensten Gegenden der Welt - möglicherweise verbreitet über die Atmosphäre - Mikroplastik nachweisen? Die umfangreichen Auswertungen hierzu sind noch in vollem Gange. Über die Reiseerinnerungen können die beiden aber schon jetzt ausführlich berichten.

Auch abseits des Forschens im Feld hatten Max Kortmann (links) und Sebastian Pohl Arbeit. Hier nummerieren sie Proben und kümmern sich um Social Media.
Foto: Max Kortmann | Auch abseits des Forschens im Feld hatten Max Kortmann (links) und Sebastian Pohl Arbeit. Hier nummerieren sie Proben und kümmern sich um Social Media.

"Es war lang, kalt, anstrengend, aber auch phänomenal schön und krass", so schildern sie im Gespräch mit dieser Redaktion ihre Gefühlspalette, die nicht weiter gefasst sein könnte. Im Prinzip eine ganz andere Welt, in der man sich befand.

Corona sorgte für Probleme bei der Einreise

Dass die Forscher diese Welt überhaupt entdecken und unter die Lupe nehmen konnten, stand bis zuletzt auf wackeligen Füßen. Nach dem erfolgreichen Einsammeln von Spendengeldern im Vorfeld - auch dank Leserinnen und Lesern dieser Zeitung - sorgte dann die Corona-Pandemie bei der Einreise nach Norwegen für Probleme.

Vor der grönländischen Küste entdeckten die Forscher einen von unzähligen Eisbergen auf ihrer Expedition. Dieser war über 40 Meter hoch, also um einiges größer als der Eisberg, der damals die Titanic versenkt hatte.
Foto: Max Kortmann | Vor der grönländischen Küste entdeckten die Forscher einen von unzähligen Eisbergen auf ihrer Expedition. Dieser war über 40 Meter hoch, also um einiges größer als der Eisberg, der damals die Titanic versenkt hatte.

Obwohl es Wissenschaftlern für Forschungsreisen zum damaligen Zeitpunkt erlaubt war, einzureisen, wurde ihnen am Flughafen eben jene Genehmigung aufgrund ihres Studentenstatus zunächst nicht erteilt. 

Nach einiger Überzeugungsarbeit und Rücksprache mit der Einreisebehörde vor Ort ging es dann schließlich über ein Quarantäne-Hotel in Oslo weiter in den Ort Lyngseidet, in dem die weiteren Quarantänetage bis zum Start der Expedition abgesessen werden mussten. Im Gegensatz zu einer häuslichen Quarantäne durften Pohl und Kortmann jedoch beispielsweise einkaufen gehen oder sich alleine beschäftigten. Nur der Kontakt zu anderen Menschen war verboten.

Zeitgefühl völlig verloren

Nach zehn Tagen konnte das Forschungsduo schließlich mit dem Betreten des circa 15 Meter langen Segelboots der Schweizer Familie Schwörer die Expedition endgültig beginnen. Und da zeigten sich gleich völlig neue Tagesabläufe. "Du verlierst unterwegs völlig das Zeitgefühl, da es zu dieser Jahreszeit immer hell ist", stellten Max Kortmann und Sebastian Pohl fest.

Fagradalsfjall, ein Vulkan auf Island, bricht gerade aus. Diesen bekamen die beiden Forscher auf dem Weg zu einem Proben-Ort zu Gesicht. Gutes Timing: Nach dieser Aufnahme erlosch dieser Vulkan für Wochen wieder.
Foto: Max Kortmann | Fagradalsfjall, ein Vulkan auf Island, bricht gerade aus. Diesen bekamen die beiden Forscher auf dem Weg zu einem Proben-Ort zu Gesicht. Gutes Timing: Nach dieser Aufnahme erlosch dieser Vulkan für Wochen wieder.

Hinzu kam der neue Tagesrhythmus mit abwechselnd zwei Stunden Wache halten auf dem Boot und vier Stunden Ruhezeit. "Du schaust dann eben anders aufs Meer, als im Urlaub", stellte Kortmann dabei keine Entschleunigung, sondern ständigen Stress fest. Eher lag ein kleiner Vergleich mit der "Titanic" nahe: "Du bist verantwortlich dafür, dass das Boot nicht mit einem Eisberg kollidiert."

Glück gehabt mit Seekrankheiten

Schon kleinere Brocken, die man hinter Wellen oft nicht sieht, seien sehr gefährlich für Leib und Leben. Hinzu kamen kontinuierlich kalte Temperaturen, Nieselregen, eine Nebelsuppe und Wind. "Das ist schon ein bisschen wahnsinnig", dachten sich die beiden nicht selten. Immerhin hielten sich die Auswirkungen von Seekrankheiten in Grenzen. Denn schließlich wollte man unversehrt an Land mit der Forschungsarbeit beginnen und nach dem Vorkommen von Mikroplastik suchen.

"Sollte das so sein, würde das der Thematik viel mehr Vehemenz verleihen", erklärt Sebastian Pohl. Schließlich sei Umweltverschmutzung neben der Klimaerwärmung das zweitgrößte Problem in diesem umfangreichen Komplex Klimawandel, der zuletzt durch die Weltklimakonferenz in Glasgow wieder in aller Munde war.

Sebastian Pohl auf Spitzbergen. Hier wurden Proben genommen, um nach Mikroplastik zu suchen. Man sieht einen Filterhalter. Mit dem Pickel wurde Eis von der Oberfläche abgekratzt, im Topf geschmolzen und durch den Filterhalter laufen lassen. Alle potenziellen Partikel würden dann darin zurückgehalten werden.
Foto: Max Kortmann | Sebastian Pohl auf Spitzbergen. Hier wurden Proben genommen, um nach Mikroplastik zu suchen. Man sieht einen Filterhalter.

Max Kortmann kann sich durchaus vorstellen, dass er aus der Arktis ähnliche Forschungsergebnisse erhält, wie bei einem nachfolgenden, kleineren Projekt, welches er zuletzt in Albanien durchgeführt hat. Dort stellte er bereits vor entnommenen Wasserproben diverse Mikroplastik-Partikel fest, die vom Forscher selbst stammten. Bei der Entnahme der Proben kann man sich bildlich eine Kaffeefilter ähnliche Apparatur vorstellen, in dem beispielsweise geschmolzener Schnee durchläuft. Das, was letztlich im Filter hängen bleibt, könnte Mikroplastik sein.

Interessierte auf dem Laufenden gehalten

So anschaulich wollen Max Kortmann und Sebastian Pohl auch ihre Forschungsergebnisse und -erlebnisse mit der Öffentlichkeit teilen. Bereits während der Reise hielten sie Interessierte auf ihren Social-Media-Kanälen auf dem Laufenden, sobald eine Internetverbindung bestand. Zudem sind in jeder freien Minute teilweise in stundenlanger Feinarbeit Videos auf dem wackelnden Segelboot bearbeitet und geschnitten worden. Und auch ganz klassisch "analog", unter anderem in Vorträgen vor Schulklassen, wollen sie auf das große Klimaproblem aufmerksam machen. 

Auf dem Weg zum höchsten Berg Islands beim Manövrieren durch ein schier unendliches Labyrinth an Gletscherspalten. In diese Spalten hätten zum Teil Fußballstadien hineingepasst.
Foto: Max Kortmann | Auf dem Weg zum höchsten Berg Islands beim Manövrieren durch ein schier unendliches Labyrinth an Gletscherspalten. In diese Spalten hätten zum Teil Fußballstadien hineingepasst.

In diesen Vorträgen könnten dann auch ein paar Worte zu den Erinnerungen fallen, die den beiden Jungforschern besonders in Erinnerung geblieben sind: Eisberge und Eisbären, abgelegene Gletscher, abbrechende Eiskanten bei strahlendem Sonnenschein oder vereinzelte Vögel, die plötzlich aus dem Wasser kommen oder es sich auf diesem gemütlich machen. 

Ist die Wiederholung einer solchen sechs Wochen langen Expedition mit ganz wenig Schlaf in Zukunft für die beiden denkbar? Ein klassisches "Jein" antwortet das Duo, das während dieser Zeit viel Muskelmasse ab-, dafür Fett aufgebaut habe, auf diese Frage. 

Besuch von Forschungsstationen im Sinn

Denn: "Ein Segelboot ist nicht so gut mit der wissenschaftlichen Forschung zu vereinbaren", geben Max Kortmann und Sebastian Pohl zu. Auf dieser wetterabhängigen Reise sei das Boot an erster Stelle gestanden. Zwar konnten sonst nur schwer erreichbare Stellen erreicht werden, dafür kamen die Forschungsorte nur zufällig zustande - wie es die Fahrroute eben ermöglichte. Wissenschaftlich mache daher in Zukunft der Aufenthalt auf speziellen Forschungsstationen, wie auf Spitzbergen, mehr Sinn.

Alles in allem "hat es aber für das, was wir machen wollten, gepasst", so Max Kortmann, der nach etwas Abstand der ganzen Reise jetzt sicher sagen kann: "Ich will nochmal in die Arktis."

Bilder und Videos der Expedition

Wer einen Einblick in die Arktis-Expedition von Max Kortmann und Sebastian Pohl bekommen möchte, hat dazu auf ihren Social-Media-Kanälen Gelegenheit: Facebook: https://www.facebook.com/plastic.arctic/, Instagram: "plastic.arctic" und Twitter: @plastic_arctic. Umfangreiche Videos gibt es auf dem YouTube-Kanal, hierzu einfach "plastic arctic" in den Suchschlitz eingeben.
Quelle: chü
 
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