Diesen weiß-blauen Himmel kriegen nicht einmal die oberbayerischen Tourismus-Manager hin. Aber die Weisbacher haben ihn an diesem Sonntag in Vollendung. Die Sonne strahlt über der 500-Seelengemeinde. An der Straße vom unteren Dorf hoch zum Festplatz haben sich die Neugierigen schon posiert, um den feierlichen Zug zu verfolgen.
Männer lehnen mit ihren Zwiegenähten an den Zäunen und Hauswänden, Dirndl geben keinen Raum für falsche Bescheidenheit. Wer nicht mehr so gut zu Fuß ist, hat sich mit dem Rollator strategisch gut aufgestellt, zum Beispiel unterm schattigen Wegkreuz. Mit jedem Schweißtropfen, der die Stirn herunterrollt, wächst der Durst.
Gambrinus hatte ordentlich zu schwitzen
Für Rhöner Verhältnisse quält sich eine Blechlawine durchs Neubaugebiet auf Parkplatzsuche für den Höhepunkt des Weisbacher Oktoberfestes: den berühmten Umzug mit dem bärtigen Bierkönig Gambrinus, mit Blaskapellen und Vereinsabordnungen.
Heute allerdings ist Gambrinus, der König der Braukunst, etwas an den Rand gedrängt. Denn mit breiter Brust, als sei sie noch gefüllt mit der Erfolgsluft vom Münchner Parteitag tags zuvor, steht Ministerpräsident Markus Söder in der Mitte der Phalanx aus CSU-Prominenz: Dorothee Bär, Sandro Kirchner, Christof Herbert, Juliane Demar, Altbürgermeisterin Birgit Erb und natürlich Oberelsbachs Bürgermeister Björn Denner. Der bayerische Landesvater höchstpersönlich, das ist ein Fall fürs Weisbacher Geschichtsbuch.
Habermanns Trachtenhut passt dem Landesvater wohl nicht
Einen Händedruck von Söder gibt es für Heidi Köstler, die Dirigentin der Weisbacher Musikanten. Söder findet Gefallen an Habermanns Hirtenhut mit Blumenschmuck. Ein kurzer Abgleich der Hutgrößen mit der Dame aus Söders Team ergibt aber schnell, dass der Landrat den dickeren Kopf hat. Und schon geht's los. Der Musikverein Hohenroth läuft vorneweg, der Rhythmus der Basstrommel macht den Aufstieg hoch zum Festplatz erträglich.
Den Kapellen und Gruppen schlägt der Applaus entgegen. Wenn die Umstehenden plötzlich den Ministerpräsidenten erkennen, gibt es noch mehr "Ahs" und "Ohs". Am Fußballplatz sammeln sich die Festzug-Teilnehmer. Christoph Kamm, Vorsitzender der gastgebenden DJK Weisbach, begrüßt die Vereine von den schottischen Dudelsack-Spielern über thüringische Kirmes-Freunde aus Exdorf bis hin zu den Rhönmomente-Jungs mit ihren Rhön-Alpakas. Eine bunte Mischung, auch wenn ein offensichtlicher Söder-Fan laut "schwarz ist bunt genug" brüllt.
Ein kurzes Gespräch über die Gefahren des Wolfs
Ein kurzes Gespräch noch mit Rhönschäfer Josef Kolb über das Wolfsproblem. Dann schmeißt sich der Landesvater mit seinem Tross aus hochkonzentrierten Sicherheitskräften in das Getümmel. Der schwüle Bier- und Haxen-Dunst im Zelt fordert den Kreislauf heraus, für den leidenschaftlichen Franken sind es hingegen Idealbedingungen. "Bayern ist schön, aber Franken ist am schönsten", schmettert Söder der Bierzelt-Menge zu. Das fränkische "weiche D" ist für die Rhöner extra-weich gesprochen. Am Abend, in der Schalte beim Anne-Will-Talk, wird er es etwas härter aussprechen für den Rest der Republik.
"Ich kämpfe dafür, dass Franken seinen Anteil bekommt, den es zum Wohlstand Bayerns beiträgt", sagt Söder. Er nutzt die Gunst der Stunde, um Berlin gegen Weisbach auszuspielen und damit Bayern gegen die "verhungerten Funktionäre" der Ampelkoalition. In den kleinen Dörfern mit ihren kleinen Vereinen erlebe man Zusammenhalt, Ehrenamt und echten Sportsgeist. "Hier findet man mehr Verstand als in den Berliner Schickimickivierteln", frotzelt Söder, und die Trachtenhemden spannen sich noch ein Stück mehr vor Rhöner Stolz.
Das Leistungsprinzip muss auch im Nachwuchs-Sport bestehen bleiben
Nichts anfangen kann Söder mit Bestrebungen, beim Fußballnachwuchs auf Torezählen zu verzichten. Söder will das Leistungsprinzip, bei ihm kommt es im sanften Fränkisch daher: "A weng an Ansporn braucht es schon". Wirklich politisch wird es im Weisbacher Bierzelt freilich nicht, keines der großen aktuellen Themen wird gestreift. Über Joe Biden erfährt man nur, dass er seine eigene Gangway mit nach München brachte. Stattdessen fränkische Selbstvergewisserung.
"Die Welt wird immer verrückter. Aber sollen sich die Leute mit ihrem Krimskrams beschäftigen. Wir hier in Franken arbeiten, sind fleißig und feiern miteinander", setzt er den Identitäts-Debatten der Großstädte die heile dörfliche Welt entgegen. Und darum ist das Weisbacher einfach "ein geiles" Fest, gibt Söder dem stickigen Zelt noch mit. Und ist plötzlich so schnell verschwunden wie das Bier aus den Krügen der Durstigsten.