Die Welt ist voller Baustellen – das ist den Geschäftsführern der Kunert Wellpappe GmbH in Bad Neustadt, Mathias Kunert und Hubertus Kompe, durchaus bewusst: Ukraine-Krieg, Präsidentschaftswahlen in den USA, die Situation in China. "Manchmal ist einem schon ein bisschen mulmig", gesteht Mathias Kunert, seit 35 Jahren in der Verpackungsbranche bei Kunert. Nichtsdestotrotz halte er an der Devise fest: "Die Zukunft wird aus Mut gemacht."
Den globalen Baustellen setzt Kunert Wellpappe Bad Neustadt entschlossen eine eigene Baustelle entgegen: Zwei weithin sichtbare Riesen-Kräne, die derzeit das 70.000 Quadratmeter große Werksgelände der Firma in der Bad Neustädter Besengaustraße überragen, zeugen von dem Bekenntnis des mittelständischen Produzenten von Verpackungsmaterial zum Standort.
Wenn eine Investition zur nächsten führt: Eigentlich sollte nur eine Maschine ausgetauscht werden.
"Es ist kein geringer Betrag, den wir hier investieren", verrät Mathias Kunert, ohne konkreter werden zu wollen. Letztlich würden rund zehn Prozent der Firmenfläche saniert. Hubertus Kompe, seit Juli 2023 zweiter Geschäftsführer bei Kunert, spricht von einem "tollen Signal" für die Belegschaft: "Wir halten am Standort und an den Arbeitsplätzen fest."
Ursprünglich hatte das Management nur eine 25 Jahre alte Produktionsmaschine durch eine Verpackungsmaschine der neueren Generation ersetzen wollen. So sollten der Produktmix durch neue Kartonabmessungen erweitert und die Effizienz gesteigert werden, so Mathias Kunert.
Zwei Riesen-Kräne sind schon da, gebaut wird aktuell aber noch gar nicht
Doch am Ende habe eins zum anderen geführt: Die neue, 15 Meter längere Maschine, mache einen Anbau an die bestehende Produktionshalle nötig, was den Blick der Verantwortlichen auf das in Teilen undichte Sheddach lenkte. Eine energetische Sanierung wäre kaum realisierbar. Weshalb letztlich die Entscheidung fiel, die Dachflächen des ältesten, 67 Jahre alten Teils der Fabrik zu erneuern.
Auch wenn die Riesen-Kräne bereits seit zwei Wochen über Bad Neustadt thronen, gebaut wird aktuell noch nichts. Das soll sich hoffentlich in Kürze ändern: Der entsprechende Bauantrag –350 Quadratmeter Produktionshalle sollen angebaut und 4300 Quadratmeter Sheddachfläche saniert werden –liegt aktuell zur Prüfung beim Landratsamt Rhön-Grabfeld. Der Bad Neustädter Stadtrat hat dem Vorhaben bereits zugestimmt. Geht alles erwartungsgemäß seinen Gang –und davon gehen Kunert und Kompe aus – könnten die Arbeiten noch im April starten.
Ausgeklügelt: So soll die Produktionshalle bei laufendem Betrieb saniert werden
Dann soll bei laufendem Betrieb die alte Halle überbaut, und erst später die darunter liegenden alten Teile der Dächer abgerissen werden. "Bauen im Bestand ist stets eine Herausforderung", weiß Kunert. Die Geschäftsführer hoffen, dass alles "reibungslos und unfallfrei" vonstattengehe. "Sicherheit hat für uns oberste Priorität."
Bereits im Januar 2025 wird die neue Maschine geliefert, entsprechend sollen die Arbeiten noch 2024 abgeschlossen werden. Ausgetauscht wird damit eine von drei Großmaschinen in der zur Sanierung vorgesehenen Produktionshalle. Am Ende ist die Produktionshalle mit fast zwölf Metern Höhe rund drei Meter höher als bisher. Ortsbildprägend wie das 2017 bis 2019 gebaute Hochregallager wird die neue Halle aber nicht. Das derzeitige Sheddach wird durch ein Flachdach in Stahlkonstruktion ersetzt. "Deshalb auch die überdimensionalen Kräne", verrät Kompe. Die müssten später nämlich Stahlfachwerkbinder mit 40 Metern Spannweite heben.
Dass zwei Kräne schon Wochen vor Baubeginn in Bad Neustadt auf ihren Einsatz harren, hat den einfachen Grund, dass derartige Riesen-Kräne nicht allzeit verfügbar sind, weshalb die Firmenleitung frühzeitig reservierte.
Weshalb die Kunert-Geschäftsführer genau die Entscheidungen der Dax-Unternehmen beobachten
Was die Zukunft angeht, ist den Kunert-Geschäftsführern mit Blick auf ihr Produkt kein bisschen bang: "Verpackungen aus Wellpappe sind nachhaltig", erklären sie. Egal, was passiere, es würden "weiterhin Produkte von A nach B transportiert werden müssen."
Kalt lassen sie die globalen Krisen dennoch nicht: Denn auch, wenn Kunert in Bezug auf seine Kundenstruktur –beliefert werden vor allem Firmen im Bereich chemische Industrie, Maschinenbau, Elektrogeräteindustrie, Automobilindustrie – sehr breit aufgestellt sei: Am Ende sei entscheidend, dass ihre Kunden in Deutschland bleiben und weiter vor Ort investieren. Was angesichts der überbordenden Bürokratie in Deutschland und der hohen Energiekosten nicht mehr selbstverständlich sei, so Kunert. Setzen die großen DAX-Unternehmen auf Verlagerung in andere Länder, treffe des letzten Endes indirekt auch Kunert, und sei es nur als Zulieferer von Zulieferern.
250 Kilometer, das ist der Radius, in dem potenzielle Kunden sitzen. Nur in diesem Umkreis könne Verpackung sinnvoll vermarktet werden. "Weitere Entfernungen machen ökologisch und ökonomisch keinen Sinn", so Kunert.
Wunsch nach Zusammenhalt von Gesellschaft, Politik und Unternehmen
Breit aufgestellt, wie sie sind, seien sie nah dran am Puls der Industrie. "Wir bemerken sehr schnell, ob sich Zyklen des Bestellens verlängern oder verkürzen." Was sie derzeit wahrnehmen, sei tendenziell eher beunruhigend. Verglichen mit den Spitzenzeiten 2021/2022 – während Corona ging es der Verpackungsbranche richtig gut – verzeichne Kunert aktuell ein Minus von zehn bis 15 Prozent.
Dennoch entschied die Geschäftsleitung zu investieren: Die nötige Gelassenheit für derartige Schritte gewinnt Mathias Kunert, der für die vierte Generation im traditionsreichen Familienunternehmen steht, auch mit Blick auf die Geschichte: Seit 130 Jahren gibt es die Kunert-Gruppe, seit 67 Jahren den Standort Bad Neustadt: "Blickt man auf das 20. Jahrhundert mit all seinen Schrecken und sieht dann die Probleme von heute, relativiert sich manches." Was nun gefragt ist, sei ein gewisser Zusammenhalt, so Kunert: Gesellschaft, Politik, aber auch die Unternehmen selbst müssten das ihre dazu beitragen, dass industrielle Produktion "nicht auf Dauer woanders stattfindet".
Bei so vielen eigenen Fehlern, braucht einfach jemanden auf dem man die Schuld schieben kann.