Dass es so weit gekommen ist, das wollte Sabine Sturm eigentlich nicht. Eine Teigausroll-Maschine im Keller, einen Backofen mit drei Kammern, Knetmaschinen, Tuben und Töpfe mit Lebensmittelfarben, Glasuren und allerlei Konditor-Bedarf im alten Kinderzimmer. "Nein, ich wollte niemals selbstständig sein", sagt die Fladungerin in ihrem kleinen Reich. Doch jetzt ist sie es. Und sie wandelt auf großen Spuren. Denn sie trägt in ihrer Fladunger Konditorstube ein großes Erbe weiter: das Erbe des Café Elbert, der einstigen Bad Neustädter Institution.
Eine Berühmtheit im Café Elbert war die Tutti-Frutti-Torte. "Auch die backe ich hier in meiner Konditorstube, sie war ja ein Markenzeichen", sagt Sabine Sturm. Aber auch die legendären Elbert-Butterhörnchen, ein altes Familienrezept mit viel Butter und viel Sahne, hat Sabine Sturm in ihrem Repertoire. Sie sorgt dafür, dass es ein Stück vom Café Elbert noch gibt, auch wenn das Haus an der Salzpforte am 19. Dezember 2021 seinen letzten Öffnungstag hatte.
Sabine Sturm ist mit dem Café Elbert in der Kreisstadt eng verbunden. Schließlich hat die gebürtige Unterwaldbehrungerin dort ihre Ausbildung zur Konditorin gemacht. Der 10. September 1986 war ihr erster Arbeitstag. "Es ist ein schöner Beruf, sehr vielseitig. Im Café Elbert haben wir vom Plunderbrötchen bis hin zu Schokoladenfiguren alles gemacht. Und natürlich Pralinen", erzählt die 52-Jährige.
Nach einigen Zwischenstationen kam sie 1999 wieder zum Bad Neustädter Lehrbetrieb, Chef Bernd Elbert hatte sie angeworben. "Dort habe ich also gearbeitet, bis zum letzten Tag", sagt Sabine Sturm. Am letzten Tag flossen in der Backstube die Tränen, nach all den Jahren, nach all den Erlebnissen im ersten Haus am Platz. Dann wurden die Gerätschaften weitergegeben, wer sich dafür interessierte. Sabine Sturm interessierte sich für den wuchtigen Teigausroller.
Anfangs haderte Sabine Sturm mit sich. Aber die Töchter Jelena und Sophia sprachen der Mutter Mut zu zum Sprung in die Selbstständigkeit: "Komm' Mama, das probierst du!". Und Sabine Sturm probierte es. Sie machte Pralinen auf Bestellung oder die Linzer Torte, die im Café Elbert ebenfalls ein Renner war. Für Feierlichkeiten rund um Fladungen kamen Pizzataschen oder ähnliches dazu. Ihr erster Kunde war der Nachbar, ein Bauunternehmer. Stück für Stück weitete sich ihr Kleingewerbe aus.
"Kleines Glück" hat Sabine Sturm ihr Geschäft genannt. Mittlerweile macht es große Arbeit. Denn vor allem ihre Hochzeits- oder Kommunion-Torten sind der Renner. Jede ist ein Unikat und mit viel Fantasie gestaltet, meist nach Entwürfen zum Beispiel der Kommunionkinder selbst. "Das ist sehr aufwändig, Geld verdienen tut man damit nicht wirklich", sagt die Jungunternehmerin. Aber das Strahlen in den Kinderaugen entschädigt jedes Mal für die Mühen.
Viele Bestellungen aus Bad Neustadt
Nicht nur Kinder oder Familien aus dem Streutal haben an ihrer Konditoren-Kunst Geschmack gefunden. Ob Steuerbüro, Wohlfahrtsorganisation oder Erdbeerkuchen für die Chef-Feier eines Bad Neustädter Industriellen: Bis heute lassen es sich die Freunde der Elbert-Kreationen schmecken, auch wenn sie im Fladunger Keller entstanden sind.
"Mein Geschäft ist ganz schön gewachsen. Um ehrlich zu sein, war ich belastungsmäßig auch schon an der Grenze", erzählt Sabine Sturm. Auftrag um Auftrag trudelte ein, aus dem Nebenerwerb wurde ein richtiges Gewerbe. "Rechnungen und Lieferscheine, das macht alles mein Mann Dieter nach Feierabend bei der Firma Reich", erzählt die Unternehmerin. Ein ganz schönes Stück zusätzlicher Arbeit, die zu leisten ist.
Plötzlich also war die ganze Familie eingespannt. "Heuer haben meine Kinder 14 Tage Urlaub markiert im Kalender. Denn frei hatten wir schon seit Monaten nicht mehr. Wir werden sie garantiert nehmen", beteuert Sabine Sturm.
Dann bleibt auch mal der kleine Laden im Keller geschlossen, in dem man sich mit Pralinen und anderem Naschwerk vom "Kleinen Glück" eindecken kann. Irgendwann soll der Pfad im Garten ausgebaut werden, damit man nicht durch die Wohnung laufen muss, um in den Laden zu gelangen.
Aber eines nach dem anderen. Wie gesagt, die ganze Familie ist ja eingespannt. Tochter Jelena hat das richtige Gespür für die Dekorationen, ihre Schwester Sophia wiederum bestückt den Instagram-Kanal mit den neuesten Torten-Kreationen der Mutter. Währenddessen nimmt Vater Dieter zur Frühschicht die frischen Torten nach Mellrichstadt mit, die Ehefrau Sabine ab 3 Uhr morgens kreiert. Das Stadthotel Reich ist seit einigen Wochen Kunde. "Darüber bin ich sehr froh, das sorgt für eine gewisse Struktur", so Sabine Sturm.
Froh ist man auch im Hause Elbert, dass das eine oder andere Rezept aus Bad Neustädter Café-Zeiten weiterlebt. "Wir haben immer noch Kontakt, Rosi und Dieter schauen auch hin und wieder mal vorbei", sagt Sabine Sturm. Dann geben die Elberts mal eine neue Kundenanfrage aus der Kreisstadt weiter oder ein weiteres Rezept aus dem Familien-Archiv.
Das "Kleine Glück" ist also ganz schön groß geworden. "Aber größer wollen wir nicht werden", sagt Sabine Sturm. Der Kellerraum, extra gefliest und mit Starkstrom versehen, hat ja nicht grenzenlos Platz. Auch wenn der Appetit nach Süßem aus Fladungen augenscheinlich im ganzen Landkreis wächst.
Sie ist in meinen Augen eine wahre Künstlerin.
Kleiner Tipp am Rande: Die köstlichen Pralinen und weitere süße Schmankerl von Frau Sturm können darüber hinaus auch im Schlemmereck der Familie Stiel (Unterwaldbehrungen) erworben werden!