Die schlechte Laune am Sonntagmorgen hätte sich Beate Hofmann-Landgraf, die evangelische Pfarrerin von Irmelshausen, sparen können. Schlechte Laune erfasst sie bei schlechtem Wetter, und ganz rosig sah es am Morgen für die Jubelfeier zum 500. Geburtstag der evangelischen Jakobus-Kirche nicht aus.
Am Sonntagmittag aber strahlte sie vor dem Gotteshaus mit dem evangelischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm um die Wette und hob mit der Gemeinde das Sektglas auf ein einzigartiges Jubiläum im Landkreis: Ein halbes Jahrtausend wird hier der christliche Glaube so gelebt, wie es dem Geist des Reformators Martin Luther entspricht.
Früh der Reformation gefolgt
Ein Jahr nach dem großen Reformationsjubiläum demonstriert also das evangelische Irmelshausen im Milzgrund, wie früh die Bewohner beziehungsweise die Herren von Bibra dem einstigen Augustinermönch Luther gefolgt sind.
Wie sehr die Vergangenheit bis heute wirkt, machte vor allem eines deutlich: das beeindruckende Gerüst um den imposanten Glockenturm, der gerade umfangreich renoviert wird. 1,2 Millionen Euro kostet die Sanierung, damit auch in Zukunft die Kirchenglocken dazu rufen können, dass in der Kirche von Irmelshausen das Licht der Welt scheint.
Sünde und Vergebung
Von diesem Licht war die Rede in der Festpredigt von Landesbischof Bedford-Strohm, der als EKD-Ratsvorsitzender auch der höchste Repräsentant der evangelischen Kirche Deutschlands ist. „Das Licht Gottes scheint hier seit 500 Jahren auf“, machte Bedford-Strohm die historische Zeitspanne deutlich.
Weil aber das Licht dazu da sei, die Dunkelheit zu erhellen, gehöre nach christlichem Verständnis auch Sündenerkenntnis dazu. Die Aufgabe der Selbstprüfung nach dem Johannes-Brief gelte bis heute. „Warum tun wir dies oder das? Wollen wir Gott zum Strahlen bringen oder uns?“, fragte der Landesbischof von der Kanzel herab.
Auch wenn der Begriff der Sünde heutigen Ohren fremd klinge, so sei er doch wahr. Vor allem sei der Gedanke der umfassenden Versöhnung nicht ohne denjenigen der Sünde zu denken. Das Christentum sei eben keine weichgespülte Wellness-Religion. Aber diese Schuldanerkenntnis sei ein erster Schritt aus der „Verkrümmung in uns selbst“, wie Luther Sünde umschrieb.
Politische Aspekte der Predigt
Auch in Irmelshausen hatte Bedford-Strohms Predigt einen politischen Aspekt. Wer heute den Begriff des Volkes und der reinen Vaterlandsliebe wieder besonders hochleben lassen möchte, der dürfe eines nicht vergessen. Nach christlichem Verständnis gehöre dazu auch, den dunklen Seiten der eigenen Geschichte ins Auge zu sehen.
Der EKD-Ratsvorsitzende nahm auch die Flüchtlings-Debatte mit in den Predigtzusammenhang auf. „Jeder Mensch ist nach dem Bilde Gottes gemacht“, so Bedford-Strohm. Egal, was der politische Diskurs entscheide, wie und wo ein Leben der Flüchtlinge in Würde möglich sei. Jeder Einzelne müsse an die Würde jedes Menschen erinnert werden, sagte Bedford-Strohm, der sich am Schluss seiner Predigt noch einmal dankbar zeigte, dass seit 500 Jahren in der Jakobuskirche den Menschen Orientierung gegeben wird.
Willmarser Wurzeln
Als „Fest des Lebens“ wollte denn auch Hausherrin Beate Hofmann-Landgraf den feierlichen Gottesdienst verstanden wissen, der natürlich die Jakobuskirche zum Bersten gefüllt sein ließ. Mit gewissem Stolz erinnerte sie an eine Gemeinsamkeit zwischen ihr und dem Landesbischof. Die Pfarrerin stammt aus Willmars und der EKD-Ratsvorsitzende hat Vorfahren aus dem kleinen Ort, wie Hofmann-Landgraf mit einem Augenzwinkern bemerkte.
An einem so bedeutenden Tag wurden natürlich auch Grußworte entrichtet, die Kirchenvorstand Peter Reutelshofer anmoderierte. Der Landessynodale Fritz Schroth aus Bischofsheim freute sich nicht nur über 500 Jahre reformatorische Prägung dieses Landstrichs. Ihm war es auch wichtig, dass mit dem Besuch des Landesbischofs auch eine ländliche Gemeinde Beachtung findet.
Der Kirchturm als Hoffnungszeichen
Die überdimensionierte Haube des Kirchturms mag einst auch ein Ausdruck übertriebener Selbstdarstellung gewesen sein. Für Landrat Thomas Habermann hat das aber insofern besondere Bedeutung, als dass dadurch den Menschen jenseits der innerdeutschen Grenze ein Zeichen der Hoffnung gegeben wurde.
„In einem Land, wo ein bezeugter Glaube vielerlei berufliche und sonstige Einschränkungen bedeutete“, machte der Landrat klar. Er freute sich über die gute Nachbarschaft von Politik und Kirchengemeinde in Irmelshausen. „Irmelshausen war mit der Übernahme des reformatorischen Gedankengutes modern und ist es bis heute geblieben“, sagte Habermann, der Bedford-Strohm wegen seiner Willmarser Wurzeln kurzerhand zum Botschafter des Landkreises ernannte.
Fels in der Brandung
Höchheims Bürgermeister Michael Hey hoffte, dass die Jakobuskirche auch weiterhin „ein Fels in der Brandung“ bleibe für die Menschen. Hans von Bibra, der mit seiner Frau Yvonne von Bibra die Schirmherrschaft für die Turmsanierung übernommen hat, erinnerte an die Anfänge der Reformation in Irmelshausen, wo es eben die evangelische Jakobuskirche gab, aber viele Jahre keinen festen Pfarrer, der reformatorisch predigte.
Musikalischer Genuss
Schließlich kam auch Kuno Holzheimer zu Wort, Geschäftsführer der Bayerischen Musikakademie in Hammelburg und verantwortlich für das Saale-Musicum-Festival, das am Sonntag Station in Irmelshausen machte. Wohlverdient, denn nicht nur die Auftritte des Posaunenchores Höchheim-Irmelshausen unter der Leitung von Otto Mauer beim Festgottesdienst waren ein Genuss.
Auch die schönen Stimmen des Liturgischen Chores unter der Leitung von Eva Kürschner sowie die Auftritte des Gemischten Chores Irmelshausen mit dem Gesangverein 1980 Höchheim unter Volker Seifert sorgten für musikalische Glanzlichter am Festtag. Nicht zu vergessen die Organisten Heiko Jucht, Horst Müller und der Irmelshäuser Maximilian Schnaus, Organist der Sophienkirche in Berlin-Mitte.
Fleißige Spender in Irmelshausen
Nach all den guten Botschaften an diesem Festtag, zu dem auch die Enthüllung eines Lutherbildes des örtlichen Künstlers Reinhold Fiederer gehörte, durfte eine gute Nachricht nicht fehlen, die das Spendenthermometer an der Kirchenfassade noch nicht ganz erfasst. Von den 100 000 Euro Eigenbeteiligung der Kirchengemeinde sind mittlerweile 80 000 Euro finanziert. Die Irmelshäuser wollen offenbar, dass das Licht der Welt auch weiterhin in ihrem Gotteshaus sichtbar wird.