Der Parkplatz am Schwarzen Moor ist voll am Sonntagmittag. Nicht völlig überlaufen, wie tags zuvor. Viele Parkmöglichkeiten gibt es aber nicht mehr. Trotz des ungemütlichen Wetters strömen wieder Massen von Wanderern zum ehemaligen Grenzturm, jede Menge Langläufer sind in der Loipe und vor dem berühmten Kiosk warten Hungrige - zumindest in diesem Moment - mit Abstand auf die berühmte Bratwurst.
Maik Prozeller macht hier ebenfalls Mittagspause. Er holt ein kleines Notizbuch aus der Tasche. Darin protokolliert der Ranger des Biosphärenreservats Rhön die von ihm registrierten Verstöße gegen die Vorschriften des Naturschutzgebiets Lange Rhön. In seinem Büchlein macht Prozeller schon in normalen Zeiten viele Einträge. In Corona-Zeiten ist deren Zahl mit der zunehmenden Zahl der Touristen gewachsen. Erst Recht seit Schneefälle die Rhön und damit das Naturschutzgebiet in eine herrliche Winterlandschaft verwandelt und für den bislang wohl größten Besucheransturm aller Zeiten gesorgt haben.
50 Verstöße in einer Stunde
Diesen Sonntag hat der Ranger eine umfangreiche Strichliste in sein Helft gemacht. Er hat sich am Eingang des Schwarzen Moores postiert und Neugierige abgehalten, den Rundweg zu betreten. Der ist aktuell wegen Corona und zum Schutz der Winterruhe dort lebender Tiere gesperrt. Knapp 50 Striche in knapp einer Stunde hat Prozeller für die Besucher gemacht, die die Verbotsschilder - warum auch immer - nicht beachtet haben.
Keine Strichlisten werden bei einem weiteren Problem geführt, das sich mit dem Massenandrang ebenfalls verschäft hat. Wegen Corona muss die Toilettenanlage am Schwarzen Moor geschlossen bleiben, was bei Tausenden von Besuchern zahllose unappetitliche Spuren im Schnee zur Folge hat.
Auch ansonsten berichtet der Ranger von hitzigen Wortgefechten mit resoluten Damen, die abseits der Wege umherspazierten oder einem Brautpaar, dem er zunächst gratulierte. Dann musste er die Neuvermählten samt Fotografen darauf hinweisen, dass die Lange Rhön sicherlich schöne Hintergründe für Hochzeitsfotos biete. Da, wo sie sich gerade aufhielten, sei das allerdings schlicht verboten.
Schutzgebiet statt Freizeitpark
Solche "netten Geschichten" sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die massenhaften Verstöße gegen die Regelungen im Naturschutzgebiet in Summe zu ernsten Störungen führen, wie Torsten Kirchner auf der Fahrt in Richtung Heidelstein betont. Für den Gebietsbetreuer in der Langen Rhön besteht das Problem darin, dass viele Besucher das größte außeralpine Naturschutzgebiet Bayerns nicht als einen Bereich sehen, in dem der Schutz der Natur Vorrang hat, sondern als eine Art Freizeitpark betrachten.
Viele hätten von all den Einschränkungen, die Corona mit sich bringe, wohl die Nase voll und wollten in ihrer Freizeit keine weiteren. Beschilderungen und Verbote würden daher schlicht ignoriert. Würde man sie auf die Verstöße hinweisen, gäben sich die Betroffenen unwissend oder würden gar aggressiv. Unter den verschiedenen Meldungen des Wochenendes, die bei ihm zusammenlaufen, führt er als Beispiel einen Schneeschuhwanderer an. „Wir müssen Abstand halten wir haben Corona!!!", habe der begründet, warum er querfeldein unterwegs war.
Kirchner stoppt seinen Jeep und läuft durch den Tiefschnee. Etwa 100 Meter entfernt veranstalten zwei junge Damen ein Fotoshooting im Tiefschnee - abseits aller Wanderwege in Stoffschuhen und Söckchen, wie der Schutzgebietsbetreuer kopfschüttelnd feststellt. Ein weiteres Problem: Viele unterschätzten die Wetterbedingungen und überschätzen ihre Kondition. Das ende darin, dass sie in der Dunkelheit entlang der Hochrhönstraße unterwegs seien, so der Schutzgebietsbetreuer.
Tödliche Störungen
Winterwanderer und Langläufer - auch am Heidelstein sind sie in Massen unterwegs. Kirchner zeigt auf eine Wiese oben am Berg. Quer darüber springt ein Hund auf den Wald zu. Ein Halter ist nicht zu sehen. "Für Wildtiere sind freilaufende Hunde gerade im Winter fatal", stellt der Biologe dazu fest. Ebenso Schneeschuhgänger, die nachts mit Stirnlampen unterwegs sind und die Tiere aufscheuchen. Vier von ihnen wurden in der Nacht zum Sonntag im Naturschutzgebiet gesehen. "Die Reh rennen nur noch rü und nü", lautet eine Meldung, die Kirchner dazu erreichte.
Auf dem nahen Parkplatz Schornhecke geht es chaotisch zu. Ein BMW hat sich festgefahren und blockiert ein Ein- und Ausfahrt. Es bilden sich Rückstaus bis auf die Straße. Grund für das Problem: Der Parkplatz wird nur nachrangig geräumt. Ganz offensichtlich hatte der Räumdienst noch keine Kapazitäten. Fehlende Kapazitäten. Die sind ist das eigentliche Problem dieser Tage an allen Parkplätzen, nicht nur im Naturschutzgebiet, weiß auch Raphael Blum. Der Berufsjäger, ebenso wie Torsten Kirchner, für die Wildlandstiftung des Bayerischen Jagdverbandes in der Rhön tätig, ist von seinen Kontrollgängen und all den Verstößen am Wochenende reichlich genervt.
Rücksichtslose Autofahrer
Nicht nur, wenn die Parkplätze nicht geräumt sind, wird kreuz und quer und einfach überall geparkt, obwohl das natürlich verboten ist. Die Straßen waren teils so zugestellt, dass bei Gegenverkehr oft nichts mehr ging. Selbst Räumfahrzeuge oder das Loipenspurgerät kamen nicht mehr weiter. Blum weiß zahllose Beispiele von rücksichtslosen Autofahrern zwischen Holzberghof und Schwarzem Moor. Einen hat er gar erwischt, der in einer Wiese Richtung Hillenberg seine Runden drehte. "Auch jetzt sind die Parkplätze schon wieder alle voll", berichtet er diesen Montagmittag. Mit Spannung erwartet er daher, wie sich die Lage am Feiertag und dann am Wochenende weiterentwickelt.
Dass die derzeit alles andere als gut ist, sieht auch Michael Geier. Für den Leiter der Bayerischen Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats Rhön, ist auch klar, dass beim Thema Verkehrslenkung neue Lösungen her müssen. Daran arbeite man schon seit Monaten. Klar sei allerdings auch, dass eine kleinräumige Lösung nichts bringe. "Ohne Hessen geht da nichts", lehnt er einen bayerischen Alleingang ab. Das werde allerdings einige Zeit brauchen.
KG NES
Eine Sperrung wäre wenigstens ein kleiner Anreiz weniger, sich mal eben schnell in ein geschütztes Gebiet zu begeben und sich dort um gar nichts zu scheren, schon gar nicht um Verbote.
Ach so, die Bananenschalen, die wir wegwerfen, sind ja Bio. Dann macht es ja nichts....
Was glaubt ihr denn, warum es im Flachland nicht mehr schneit?
Durch unseren Lebensstil werden wir aber in 1-2 Generationen vermutlich gar keinen Schnee mehr in Deutschland haben.
Schon mal zur Stoßzeit in einem Zug/Bus/Straßenbahn gewesen?
Wenn man daheim sitzten kann und womöglich schon die Rente kassiert, lässt es sich leicht aushalten.
Mit so einer Einstellung macht man es sich ganz schön einfach.
Und zwar von ihren sinnfreien Kommentaren!!!
Der Vorschlag so mancher Foristen, dass die Schutzmaßnahmen ignorieren darf, wer unterschreibt, im Falle einer Covid-Erkrankung auf (intensiv-) medizinische Behandlung zu verzichten, wird mir so langsam sympathisch...
Wer jetzt meint, fernab der Heimat durch die Botanik marschieren zu müssen, ist einfach nur doof, egoistisch, rücksichtslos und beratungsresistent. MHO.