
Die Erschütterung im Stiftungs- Alten- und Pflegeheim, bekannt als Vill'sche Stiftung, in Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) ist groß. Eine Pflegeassistentin soll dort während ihrer Arbeit Videos für ihren Account auf einem Online-Erotikportal erstellt und veröffentlicht haben. Publik gemacht hat die Vorwürfe YouTuber Kevin Hartwig.
Der 31-jährige Content Creator aus Essen ist selbst gelernter Pfleger und studierter Pflegepädagoge und prangert immer wieder vor allem Datenschutzverstöße von Influencern im medizinischen Bereich an. Nachdem er auf die Videos der Frau aufmerksam gemacht worden war, recherchierte Hartwig zu dem Fall und veröffentlichte auf seinem YouTube-Kanal am 22. Januar dazu ein 17-minütiges Video.
Frau hat sich im Pflegeheim für Erotik-Portal entblößt
In dem Beitrag sind Ausschnitte aus den Videos einer unkenntlich gemachten Frau zu sehen. Diese soll während ihrer Arbeit wiederholt Inhalte für mindestens ein Online-Erotikportal produziert haben. Zu sehen ist beispielsweise, wie sie sich in den Zimmern entblößt, sexuell anzüglich in die Kamera spricht und zum Teil Patienten in Gespräche einbezieht.
Besonders schwerwiegend: Teilweise sind diese Patienten des Alten- und Pflegeheims, das 80 Betten hat, zu sehen oder zu hören. Zudem sieht man die Frau durch die Einrichtung laufen, Zimmer oder Gänge sind deutlich erkennbar. So erkennbar, dass Hartwig mithilfe von Nutzerinnen und Nutzern das Gebäude als das Stiftungs- Alten- und Pflegeheim in der Bad Neustädter Innenstadt identifizieren konnte.
Der Account der Frau auf der Erotik-Plattform wurde inzwischen deaktiviert. Die Videos seien aber auch auf anderen Internetseiten archiviert und auffindbar, sagt Hartwig im Gespräch mit dieser Redaktion. Die Frau war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Kriminalpolizei Schweinfurt ermittelt
Das Polizeipräsidium Unterfranken hat bestätigt, dass die Kriminalpolizei Schweinfurt wegen der Vorgänge gegen eine 39-jährige ehemalige Beschäftigte der Bad Neustädter Einrichtung ermittelt. Gegenstand der Ermittlungen sei die "Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen" und die "Verletzung der Vertraulichkeit des nichtöffentlich gesprochenen Wortes", teilt Sprecher Denis Stegner mit.
Mit den juristischen Begriffen sind heimliche Filmaufnahmen umschrieben, auf denen Bewohner ohne ihr Wissen im Heim zu sehen oder zu hören waren. Laut Stegner erstrecken sich die Ermittlungen auf den Zeitraum "von Anfang 2022 bis Anfang 2024". Wie viele Videos in dieser Zeit erstellt wurden, werde nun untersucht.
Die Polizei Unterfranken gehe momentan davon aus, "dass durch die Tathandlung die Persönlichkeitsrechte von zwei Personen verletzt wurden", erklärt Stegner. "Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen ermitteln wir ausschließlich aufgrund der beiden Delikte. Erkenntnisse hinsichtlich einer Sexualstraftat ergaben sich bislang nicht."
Im Senioren- und Pflegeheim habe man sofort reagiert
Der Geschäftsführer des Vill'schen Stiftungsheimes, Philipp Krech, sagt, die Einrichtung habe durch eine Mail Hartwigs am 9. Januar von den Vorwürfen erfahren – und sei sofort aktiv geworden. "Ich war geschockt und habe umgehend Maßnahmen eingeleitet", sagt Krech. Auch die Beschäftigten seien nach einer eigens einberufenen Personalversammlung "geschockt" gewesen, berichtet der 36-Jährige. Die Frau sei – unabhängig von den aktuellen Vorwürfen – seit dem vergangenen Jahr bereits nicht mehr in der Vill'schen beschäftigt.
Die Angehörigen sowie die betreffenden Bewohner seien am Freitag informiert worden, sagt Geschäftsführer Krech: "Das habe ich persönlich gemacht, auch bei ihnen war der Schock erst einmal groß. Bei der Aufklärung über die Sachverhalte waren sie dann beruhigt." Auch der Aufsichtsrat wurde in Kenntnis gesetzt.
Bad Neustadts Bürgermeister Michael Werner, Aufsichtsratsvorsitzender des Heims, bestätigt, dass sich die Verantwortlichen nach juristischer Prüfung an die Polizei gewandt und Anzeige erstattet haben.
Bürgermeister Werner sieht die Angelegenheit entspannt
"Für uns ist keine weitere Maßnahme erforderlich", sagt Werner. "Zu keiner Zeit waren Bewohner gefährdet." Es seien Selbstdarstellungen der Frau, so der Bürgermeister. "Sie hat unsere Einrichtung als Drehort genutzt und sonst nichts." Wenn man die Videos ansehe, sei man "maximal bei der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes und Bildaufnahmen", sagt der Bürgermeister. "Deshalb sind wir recht entspannt." Für die Einrichtung sei kein Schaden entstanden.
Philipp Krech hingegen fürchtet um den Ruf der Pflege. Der Vorfall schädige "in erster Linie den ganzen Berufsstand in der Öffentlichkeit" sowie die Einrichtung: "Mit Bekanntwerden des Vorfalls haben wir alle möglichen Schritte eingeleitet, nichtsdestotrotz wirft das einen Schatten auf uns und den Beruf."
Bis Dienstagnachmittag hatte Hartwigs aktueller YouTube-Beitrag über die Vorfälle in Bad Neustadt bereits über 165.000 Aufrufe, zwei vorausgegangene Videos hatten sich bereits mit dem Fall beschäftigt. Auch auf seinen Accounts auf Instagram (kevinits_official) und TikTok (kevinits) postete Hartwig dazu. Insgesamt seien diese Beiträge rund 300.000 Mal aufgerufen worden, sagt der YouTuber.