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Wargolshausen
Halb Wargolshausen half beim Film mit: Wie Ansgar Büttner und Co. die alte Dreschmaschine vor dem Verkauf retteten
Ansgar Büttner aus Wargolshausen erinnert sich, wie er und Lothar Büttner vor 40 Jahren die alte Dreschmaschine davor bewahrten, verkauft zu werden. Ein Super-8-Film sollte es richten.
Das Nachvertonen eines Super-8-Films war eine Sisyphosarbeit. Ansgar Büttner, Lothar Büttner und Alois Müller beim Vertonen des Dreschfilms im Jahre 1980.
Foto: Ansgar Büttner | Das Nachvertonen eines Super-8-Films war eine Sisyphosarbeit. Ansgar Büttner, Lothar Büttner und Alois Müller beim Vertonen des Dreschfilms im Jahre 1980.
Markus Büttner
 |  aktualisiert: 08.02.2024 17:50 Uhr

Es ist ein lautes Wummern. Fast ein Heulen, das die alte Wöhrle-Dreschmaschine aus dem Jahr 1957 von sich gibt. Geräusche aus einer anderen Zeit, einer anderen Landwirtschaft. Dass am kommenden Wochenende dieser einzigartige Sound der alten Dreschmaschine in Wargolshausen noch einmal zu hören sein wird, ist nicht selbstverständlich.

Fast wäre der hölzerne Koloss genauso entsorgt worden, wie dies in den meisten Dörfern der Fall gewesen ist. Die rasante Technisierung in der Landwirtschaft machte diese Supermaschinen der 1950er Jahre schon bald überflüssig. Die Dreschmaschine, die das Dreschflegeldreschen und viele andere Handgriffe von einst ersetzte, war durch den Siegeszug der Mähdrescher überflüssig geworden.

So wurde die alte Dreschmaschine gerettet

In Wargolshausen wäre es um die Wöhrle-Maschine auch fast geschehen gewesen. Die Zukunft dieses einstigen Stolzes der Bauern schien besiegelt, als im Jahre 1980 die Wa-Ka-Ge Interesse an der Dreschhalle zeigte und aus dem Fahrgestell einen Gaudiwagen bauen wollte. Dieser Stolz der Bauern, angeschafft im Jahre 1957 für 25.700 Mark, stand ja bereits 15 Jahre nutzlos in einer alten Feldscheune herum und verstaubte. In der Halle und in den Köpfen der Ortsbevölkerung. Doch es kam dann alles ganz anders.

Ansgar und Lothar Büttner, die 1979, ein Jahr vor den Verkaufsüberlegungen der Dreschmaschine, gemeinsam ein Buch über die Geschichte von Wargolshausen herausgebracht hatten, waren von einer Veröffentlichung der Dreschgenossenschaft nicht gerade begeistert. Per Aushang waren die Dreschgenossen zu einer Versammlung eingeladen worden. Einziger Tagesordnungspunkt war der Verkauf der Dreschmaschine. Wie konnte man nur?

"Rettungs-Aktion" binnen weniger Tage

Und so machten sich die beiden Buchautoren Gedanken, wie das historische Gerät noch einmal fotografiert und gefilmt werden könnte. Die Zeit drängte. Binnen einer Woche sollten die Dreschgenossen dem Verkauf der Maschine zustimmen. So kristallisierte sich bei den beiden innerhalb kürzester Zeit der Gedanke heraus, einen Film über die Getreideernte von anno dazumal zu drehen.

Wie bei den Profis. Mit einfachen Mitteln wurde vor 42 Jahren versucht, einen anschaulichen Film über die historische Getreideernte von anno dazumal zu produzieren.
Foto: Ansgar Büttner | Wie bei den Profis. Mit einfachen Mitteln wurde vor 42 Jahren versucht, einen anschaulichen Film über die historische Getreideernte von anno dazumal zu produzieren.

Die Voraussetzungen passten: Lothar Büttner war begeisterter Super-8-Filmer und hatte das erforderliche Equipment, Landmaschinenschlosser Alois Müller konnte die alte Maschine fachgerecht instandsetzen und Ansgar Büttner mobilisierte die Laienschauspieler. Nachdem der Pfarrgemeinderat, dessen Vorsitzender zu dieser Zeit Lothar Büttner war, dem Projekt zugestimmt hatte, fand drei Tage später der erste Drehtag statt.

Das halbe Dorf war innerhalb kürzester Zeit auf den Beinen, erinnert sich heute noch Ansgar Büttner. Schließlich waren es die Arbeitsabläufe, die den Älteren noch gut in Erinnerung waren. Gefilmt wurde die Ernte des Getreides mit Sense, Handablage und Selbstbinder, das Heimfahren der Garben und schließlich das Dreschen mit der Maschine.

Aufwendige Nachvertonung erschwert die Produktion

Weniger reibungs- und problemlos war die Nachvertonung des Films. Zwar fand man in Martin Wagner (damals Moderator der Mainfrankenwelle und später Hörfunkchef des Bayerischen Rundfunks) einen professionellen Sprecher der Texte, aber einen Tonfilm entstehen zu lassen kostete viel Zeit.

Von wegen, einfach auf den Auslöser drücken und Bild und Ton sind gemeinsam und synchron auf einen Chip gebannt, wie es heute bei jedem Smartphone der Fall ist. Empfindliches Celluloid war der Bildträger und die relativ teuren 15-Minuten-Filme mussten zum Entwickeln in ein Spezial-Labor eingesandt werden. Aussagen der Schauspieler, die Geräusche der Natur und der Maschine sowie die Sprecher-Kommentare wurden mittels Kassettenrecorder aufgezeichnet.

Bild und Ton waren zwei verschiedene Paar Schuhe

Und um die Synchronität von Bild und Ton zu erreichen, musste aufwändig experimentiert werden. "Es war ein Wahnsinn", erinnert sich Lothar Büttner, "als etwa das Schärfen der Sense synchron festgehalten werden sollte". Gelöst wurde das Problem, indem der Film an die Leinwand projiziert wurde und einer der Akteure mit Sense und Wetzstein daneben stand, um passend zum Film die Geräusche zu verursachen, die dann wiederum aufgenommen wurden.

Nach dem Schneiden des Filmes erhielt der Celluloid-Streifen eine Tonspur und die verschiedenen Tonquellen – Kommentare, Geräusche und Musik. Nach wochenlanger Arbeit war ein unterhaltsamer 30-Minuten-Streifen entstanden, der die Getreideernte von einst aufschlussreich dokumentierte und für die Nachwelt festhielt.

Die Anziehungskraft hat die alte Wöhrle-Dreschmaschine bis heute nicht verloren. So wie im Jahre 1996 bei der 800-Jahr-Feier wird das historische Gerät am kommenden Sonntag in Wargolshausen  wieder zum Einsatz kommen.
Foto: Ansgar Büttner | Die Anziehungskraft hat die alte Wöhrle-Dreschmaschine bis heute nicht verloren. So wie im Jahre 1996 bei der 800-Jahr-Feier wird das historische Gerät am kommenden Sonntag in Wargolshausen wieder zum Einsatz kommen.

Wie schon 1980: Großes Dreschfest mit Vorführung

Der Abschluss der Dreharbeiten wurde Anfang September 1980 mit einem Dreschfest gefeiert. Dass der Einsatz dieses acht Meter langen und 3,80 Meter hohen Kolosses schon vor 42 Jahren eine kleine Sensation war, bezeugt ein großer Bericht im Frankenteil der damaligen "Volkszeitung": "Ein Dorf schwelgte in Erinnerung" lautete die Überschrift und ging auf diese außergewöhnliche Dresch- und Film-Aktion ein.

Vom Verkauf der Maschine war nach den Filmaktivitäten jedenfalls keine Rede mehr. Noch zweimal, zur 800-Jahr-Feier im Jahre 1996 und zum Brauchtumsfest im Jahre 2011 kam das historische Gerät zum Einsatz. Nach der Restaurierung, gefördert durch die Fränkische Kulturstiftung, kann das Relikt einer längst vergangenen Zeit am kommenden Sonntag im Rahmen des Dreschfestes noch einmal live erlebt werden. Wie einst wird noch einmal live gedroschen, der inzwischen digitalisierte Dresch-Film wird vorgeführt. 

 
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