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Meiningen
Generalmusikdirektor Philippe Bach über das Meininger Theater: "Das gibt es sonst nirgends auf der Welt"
Generalmusikdirektor Philippe Bach verlässt nach zwölf Jahre als Leiter der Hofkapelle das Meininger Staatstheater. Warum er sich als Anwalt der Komponisten versteht.
Philippe Bach bei seinem letzten Sinfoniekonzert als GMD der Meininger Hofkapelle mit Werken von Gion Antoni Derungs und Anton Bruckner.
Foto: Christina Iberl | Philippe Bach bei seinem letzten Sinfoniekonzert als GMD der Meininger Hofkapelle mit Werken von Gion Antoni Derungs und Anton Bruckner.
Siggi Seuß
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:51 Uhr

Mit Ende der Spielzeit verlässt Generalmusikdirektor Philippe Bach das Meininger Staatstheater. Künftig will er sich vor allem seinen beiden Schweizer Kammerorchestern widmen. Als Gastdirigent wird er Meiningen erhalten bleiben. Was seine ersten Meininger Erkenntnisse und seine persönlichen musikalischen Höhepunkte waren, verrät er in einem Abschiedsgespräch.

Frage: Sie wollen hier nicht Ihren Ruhestand erleben, Herr Bach?

Philippe Bach: Auf keinen Fall. Man sagt immer: zehn Jahre, plus minus, an einem Haus ist gut.

Und Sie wechseln auch nicht den Beruf, wie Ihre Kollegin Dufour, und werden Tierheilpraktiker?

Bach: Nein, nein. Ich habe in Graubünden schon länger ein Orchester, da bin ich festangestellt, ein Kammerorchester, 36 Musiker, und eins führe ich in Bern. Momentan möchte ich mich mehr auf Konzerte konzentrieren.

Haben Sie sich in Meiningen wohlgefühlt?

Bach: Das ging ziemlich schnell. Vorher war ich Erster Kapellmeister in Lübeck. Für einen Schweizer war die norddeutsche Mentalität schon so etwas wie ein Schock. Da war mir Meiningen weit näher.

Was waren Ihre ersten Meininger Erkenntnisse?

Bach: Die Sparten hier sind keine Rivalen, sondern wir sind ein ganzes Haus. Eines habe ich gleich gelernt, von Frau Schwabe, der damaligen Verwaltungsdirektorin: "Das Theater muss gut laufen. Dafür sind wir verantwortlich. Wenn das Theater gut läuft, geht’s der Stadt gut." Und Meiningen ist tatsächlich ein Märchen. So eine kleine Stadt und so viele Zuschauer - das gibt’s sonst nirgends auf der Welt!

Kürzlich lief das Theater sehr gut, beim Crossover verschiedener Sparten im "Symphonic Pops"-Open Air.

Bach: Das Publikum, das so etwas mag – man hat immer gesagt: das "Schubidu"-Publikum - das gibt es hier reichlich und das ist gut so. Aber es ist eben schwierig, Menschen, die das mögen, zum Beispiel für zeitgenössische Oper zu erwärmen.

Wie reagiert das Meininger Publikum auf Neue Musik?

Bach: Ich glaube, das Meininger Publikum weiß, dass die Tradition weiterleben muss, nicht im Sinne von "Anbetung der Asche", sondern als "Bewahrung des Feuers". Meiningen kann nicht nur von Brahms und Reger leben. Wir müssen auch Gegenwarts-Komponisten nach Meiningen bringen, damit diese große Geschichte weiterlebt. Die klassische Musik muss vom hohen Ross runterkommen. Ich glaube, dass Hochkultur hierzulande nicht mehr ewig staatlich hochsubventioniert sein wird wie jetzt. Deshalb muss man eben etwas marktwirtschaftlichere Wege finden als bisher.

Wie weckt man die Neugierde der Menschen und bringt sie dazu, die Schwellenangst vor "großer Kunst" zu überwinden?

Bach: Gerade junge Musiker müssen flexibel und vielseitig sein. Es gibt heutzutage immer mehr gute Musiker für immer weniger Stellen. Und das Niveau wird immer höher. Die Meininger Hofkapelle ist ein unglaublich offenes Orchester. Es gibt eine sehr gute Durchmischung von älteren, erfahreneren Musikern und Musikerinnen und ganz jungen, hungrigen, die ein unglaubliches Niveau haben, aber vielleicht Sachen noch nicht können, die man nur im Beruf lernt. Man inspiriert sich gegenseitig.

Mit 'Rienzi' (Freiluftinszenierung Spielzeit 2010/11) hat Philippe Bach sein Meininger Wagneropernrepertoire begonnen, mit Wagners 'Lohengrin' vor kurzem beendet.
Foto: Siggi Seuß | Mit "Rienzi" (Freiluftinszenierung Spielzeit 2010/11) hat Philippe Bach sein Meininger Wagneropernrepertoire begonnen, mit Wagners "Lohengrin" vor kurzem beendet.
Wie macht man aus dem "Universum Orchester" einen einheitlichen Klangkörper?

Bach: Jeder Dirigent muss sich seinen Respekt verdienen. Dazu gehört auch Demut. Man sollte nicht den Eindruck hinterlassen, man wisse alles besser. Ich versuche, die Menschen immer so mit Respekt zu behandeln, wie ich auch selbst behandelt werden möchte. Aber man kann nicht immer "ja" sagen. Das musste ich lernen. Ich möchte immer allen alles recht machen. Das funktioniert nicht, wenn man Chef ist. Insofern ist ein Orchester keine demokratische Institution. Aber dann denke ich: Das Wichtigste ist das Wohl der Meininger Hofkapelle. Mir geht es letztlich immer um die Musik. Ich mache das ja nicht wegen mir, sondern, zum Beispiel, wegen Wagner oder wegen Richard Strauss. Wir sind nur die "Anwälte der Komponisten".

Was waren Ihre persönlichen musikalischen Höhepunkte in Meiningen?

Bach: Es gab Highlights, wo einfach alles passt. In der Oper war das sicher Richard Strauss' "Capriccio" zum Jubiläum der Hofkapelle, oder jetzt auch Wagners "Lohengrin".

Glauben Sie, ein paar Türen zum Verständnis Neuer Musik geöffnet zu haben?

Bach: Das Konzertabo ist immer noch das größte Abonnement. Und wir machen ziemlich viel Neue Musik. Ich glaube schon, dass ich auch bei den Musikern Interesse dafür geweckt habe. Die jungen Musiker – bei denen gehört das einfach dazu. Bei den Älteren gab es manchmal schon Vorbehalte. Ja, die Meininger Hofkapelle ist ein sehr gutes Orchester, gerade auch für Neue Musik.

Das konnte man gut bei den Kammeropern spüren.

Bach: Genau. "Powder Her Face", zum Beispiel - das war auch eines der Highlights. Das hat soviel Freude gemacht!

Zum Schluss: Wir wissen, wo Sie hingehen. Wissen wir auch schon, wer nach Ihnen kommt?

Bach: Es gibt weit über hundert Bewerbungen. Das wird kurz nach den Theaterferien entschieden.

Sie werden hier manchmal noch als Gast erscheinen?

Bach: Der Neue/die Neue beginnt ja erst 2023/24. Ich werde in der nächsten Spielzeit noch sehr viel als Gast dirigieren.

Sind Sie schon im Sentimentalmodus?

Bach: Nein, sicher nicht. Ich schaue lieber vorwärts.

Aber Sie wissen, wo Sie herkommen?

Bach: Absolut.

Im Meininger Dampflokwerk "Bahn frei!" finden am Samstag und Sonntag, 16. und 17. Juli, jeweils um 19 Uhr die traditionellen Hofkapellenkonzerte statt. Das sind die letzten öffentlichen Auftritte von Philippe Bach als Meininger GMD.

Philippe Bach

Philippe Bach wurde 1974 im schweizerischen Saanen (Kanton Bern) geboren. Er wuchs in einer musikalischen Familie auf. Sein Vater leitete die örtliche Musikschule und die Blaskapelle. Bach absolvierte die Hochschule für Musik in Bern mit Hauptfach Horn. Ein Dirigierstudium in Zürich, Aufbaustudien in Manchester und Madrid und etliche Meisterkurse schlossen sich an. 2008 wurde er Kapellmeister und stellvertretender Generalmusikdirektor (GMD) am Theater Lübeck. Er war der Wunschkandidat der Meininger Hofkapelle für die Stelle des neuen GMD ab der Spielzeit 2010/11 und hatte sich gegen 240 Mitbewerber behauptet. Bach ist verheiratet und Vater einer dreizehnjährigen Tochter und eines elf Jahre alten Sohnes. In Meiningen gehörten Richard Strauss' "Rosenkavalier" und "Capriccio", Mozarts "Zauberflöte", Verdis "Rigoletto" und sieben Wagnerwerke, zuletzt "Lohengrin", zu seinem Repertoire. Auch als Förderer Neuer Musik und zeitgenössischer Kammeropern machte er sich einen Namen. Der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Musiker ist zudem Chefdirigent des Berner Kammerorchesters und der Kammerphilharmonie Graubünden.
Quelle: sis
 
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