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Meiningen
Malerfürst macht Oper: Markus Lüpertz' "Bohème" in Meiningen
Was passiert, wenn ein berühmter Maler eine Oper inszeniert? Richtig: zunächst einmal viele Bilder. Aber auch eine ganze Menge mehr. Ein Premierenbericht.
Ein prachtvolles Bühnenbild und prachtvolle Kostüme sind dem berühmten Maler Markus Lüpertz bei seiner ersten Operninszenierung wichtig. 
Foto: Jochen Quast | Ein prachtvolles Bühnenbild und prachtvolle Kostüme sind dem berühmten Maler Markus Lüpertz bei seiner ersten Operninszenierung wichtig. 
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:05 Uhr
  • Was ist das für ein Stück? "La Bohème" von Giacomo Puccini wurde 1896 uraufgeführt und war zunächst ein Flop. Heute gehört die Oper zu den beliebtesten weltweit. Es geht um eine Clique von abgebrannten, aber fröhlichen Künstlern, zu denen die Näherin Mimi stößt. Sie und der Dichter Rodolfo verlieben sich, doch die Beziehung endet tragisch.
  • Wer ist der Regisseur? Markus Lüpertz, geboren 1941, ist einer der bekanntesten deutschen Künstler der Gegenwart. Er ist bekannt für seine wuchtigen Werke, sein aristokratisch-gepflegtes Auftreten und sein aufbrausendes Wesen. Die "Bohème" am Staatstheater Meiningen ist seine erste Regiearbeit.
  • Wie ist es geworden? Markus Lüpertz denkt in Bildern. Das sieht man am eigenhändig gemalten Bühnenbild und an den Figuren, die ihrerseits wie gemalt wirken. Als Regisseur kommt es Lüpertz nicht auf psychologische Prozesse an, sondern auf die Eigenwirkung von Kunst und Musik. Das funktioniert, auch wenn die Darstellung der menschlichen Konflikte etwas flüchtig wirkt.

Im Grunde hat Markus Lüpertz in seinem bundesweit mit Spannung erwarteten Regiedebüt in Meiningen eine Barockoper inszeniert: Prachtvolles Bühnenbild, prachtvolle Kostüme. Sängerinnen und Sänger halten sich nicht groß mit Schauspielerei auf, sondern treten nach vorne, fügen sich ins Bild ein und liefern ihre Partien ab. Selbst Mimi stirbt zum Schluss im Stehen – alle Möbel inklusive Bett sind ja nur gemalt. Das könnte man als rückwärtsgewandt oder gar verfehlt sehen, schließlich ist "La Bohème" eine Oper des Verismo. Also ein Stück, das so nah wie möglich an der Realität gedacht ist. 

Vor der Premiere: Markus Lüpertz im Meininger Malsaal.
Foto: Michael Reichel | Vor der Premiere: Markus Lüpertz im Meininger Malsaal.

Stattdessen entwirft Lüpertz, der auch Bühne und Kostüme verantwortet, mit breitem Pinselstrich und Farben, die wie unvermischt direkt aus der Dose wirken, eine mit Symbolen vollgestopfte Kunstwelt, in der Kunstfiguren leben, die mit der Realität – Winterkälte, Geldmangel, Einsamkeit – so wenig wie möglich zu tun haben wollen.

In diese Kunstwelt der Künstler dringt die Näherin Mimi ein, die sich mit ihrem elementaren menschlichen Bedürfnis nach Liebe und Nähe zum Störfaktor im kreativen Prozess entwickelt. So jedenfalls erklärt Markus Lüpertz, warum Rodolfo Mimi im Stich lässt: "Das ist künstlerische Selbstbehauptung. Ich habe Verständnis für ihn." Bezeichnend ist auch, dass der Künstler Lüpertz, der gerne auch als "Malerfürst" tituliert wird, Mimi als "Bürgerliche" bezeichnet – für ihn sind Maler, Dichter, Musiker und Philosophen die wahren Aristokraten.

Markus Lüpertz und der Meininger Intendant Jens Neundorff von Enzberg bei einer Probe.
Foto: Marie Liebig | Markus Lüpertz und der Meininger Intendant Jens Neundorff von Enzberg bei einer Probe.

Und so entpuppt sich die Kunstwelt als die eigentliche Realität. Verismo pur mit ganz und gar unveristischen Mitteln, wenn man so will. Markus Lüpertz, der Meister der Selbstinszenierung, der sich im öffentlichen Vorgespräch mit Intendant Jens Neundorff von Enzberg so gekabbelt hatte, dass er – scheinbar – wutentbrannt von der Bühne stürmte, hat mit Co-Regisseur Maximilian Eisenacher eine "Bohème" geschaffen, die ihre ganz eigene Logik entwickelt. "Ich hatte nie das Gefühl, ich tue etwas, wovon keine Ahnung habe", sagt Lüpertz, "und ich glaube, ich kann sagen, es ist mir gelungen."

"Ich hatte nie das Gefühl, ich tue etwas, wovon keine Ahnung habe. Und ich glaube, ich kann sagen, es ist mir gelungen."
Markus Lüpertz beurteilt seine eigene Arbeit

Das Premierenpublikum des bei 50-prozentiger Belegung ausverkauften Hauses ist geneigt, dieser Einschätzung zu folgen, und feiert Regisseure, Ensemble, Orchester und Chor, der im zweiten Bild übrigens kein bisschen wuselt, sondern mit grünen Schürzen und Kerzen einen gigantischen Weihnachtsbaum darstellt. 

 Sieht nach Liebe aus; aber am Ende wird Rodolfo (Alex Kim) Näherin Mimi ( Deniz Yetim) im Stich lassen. 
Foto: Jochen Quast |  Sieht nach Liebe aus; aber am Ende wird Rodolfo (Alex Kim) Näherin Mimi ( Deniz Yetim) im Stich lassen. 

Die Musik passt zur Optik: Generalmusikdirektor Philippe Bach dirigiert die Hofkapelle mit direktem Ton, handfestem Zugriff und deutlich gezeichneten Konturen. Aus dem durchwegs hochklassigen Ensemble ragen der bewegliche Bariton Julian Younjin Kim (Marcello), die überzeugend flatterhafte Monika Reinhard (Musetta) und der robuste Tenor Alex Kim (Rodolfo), der vor allem bei den Spitzentönen glänzt, hin und wieder aber auch ein Piano versuchen könnte. Über ein solches und noch viele weitere wunderbare Schattierungen verfügt Deniz Yetim, deren Mimi ganz eindeutig das Herz dieser Inszenierung ist – auch, wenn sie nur eine Bürgerliche ist.

Markus Lüpertz verfolgt die Premiere von der Proszeniumsloge rechts vorne aus. Im ersten Teil für alle sichtbar, einmal unwillkürlich sogar mitdirigierend, im zweiten meist verborgen, stehend in den Schatten zurückgezogen. Dass er da ist, vergisst dennoch niemand im Saal auch nur eine Minute lang. Das Bühnenbild, das ja aus lauter potenziell höchst wertvollen Originalgemälden besteht, wir er übrigens dem Meininger Theatermuseum stiften: "Was soll ich damit sonst? Im Garten aufbauen?"

Mit einer aktuellen Inzidenz von über 1000 zählt auch der Landkreis Schmalkalden-Meiningen derzeit zu den Corona-Hotspots im Freistaat. Die angekündigte Allgemeinverfügung des Landkreises sieht bei Kulturveranstaltungen in Innenräumen eine Auslastung von nur noch 30 Prozent der verfügbaren Platzkapazität bzw. maximal 100 teilnehmenden Personen vor – Mitarbeiter zur Besucherbetreuung einberechnet. Unter diesen Bedingungen ist ein Vorstellungsbetrieb an unseren Spielstätten nicht mehr umsetzbar.

Das Staatstheater Meiningen stellt den Spielbetrieb bis einschließlich Mittwoch, 5. Januar 2022, ein. Die anhaltend hohe Inzidenz an Corona-Neuinfektionen im Landkreis Schmalkalden-Meiningen von über 1000 und die neuen Regelungen für Hotspot-Regionen in Thüringen machten diesen Schritt erforderlich, so eine Pressemitteilung. Die angekündigte Allgemeinverfügung des Landkreises sehe bei Kulturveranstaltungen in Innenräumen eine Auslastung von nur noch 30 Prozent der verfügbaren Platzkapazität bzw. maximal 100 teilnehmenden Personen vor – Mitarbeiter zur Besucherbetreuung einberechnet. Unter diesen Bedingungen sei ein Vorstellungsbetrieb nicht mehr umsetzbar.
Vorstellungen nach dem 5. Januar: 6., 14., 23. Januar; 12. Februar; 3., 26. März; 3., 17. April. Kartentelefon (03693) 451 222. www.staatstheater-meiningen.de

 
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