- Was ist das für ein Stück? "Lohengrin" ist eine der zehn großen Opern Richard Wagners, die in Bayreuth gespielt werden. Ein Stück mit überirdisch schöner Musik über Glauben und Aberglauben, Macht und Intrige, vor allem aber Liebe und Vertrauen.
- Wie ist es umgesetzt? Regisseur Ansgar Haag siedelt das märchenhafte Stück in dessen Entstehungszeit an, also im Vormärz um 1848. Das ist optisch ansprechend, bringt die "Lohengrin"- Deutung aber nicht wirklich weiter.
- Lohnt der Besuch? Ja, und zwar vor allem für Wagner-Einsteiger: Die Regie erzählt das Stück geradlinig und ohne Schnickschnack. So wird die Handlung gut verständlich, die Figuren werden zu nahbaren Menschen mit echten Sorgen und Nöten.
Die deutsche Eiche ist gefällt, die Landschaft karg und zerklüftet, das Schloss bröckelt vor sich hin. Dazu riesige symbolische Bilder: Caspar David Friedrichs "Eismeer" und Arnold Böcklins "Toteninsel". Alles an der Bühne von Dieter Richter für den neuen Meininger "Lohengrin" ruft Verfall, Abschied, Niedergang. Die "Edlen von Brabant" wirken wie ein Haufen abgehalfterter Nachwächter, König Heinrich wie der Generalsekretär einer längst untergegangenen Staatspartei.
Ansgar Haag, ehemaliger Intendant des Staatstheaters, hat ebenda die romantische Märchenoper mit dem Schwan neu inszeniert. Abgesehen davon, dass der Schwan tatsächlich zweimal auftaucht (wenn auch nur als ironische Anspielung), ist von Märchen und Sage wenig übrig: Haag verlegt das Stück in seine Entstehungszeit, also in Vormärz und deutsche Revolution um 1848.
Die Parallelen zwischen Wagners Gegenwart und seiner Fantasiewelt sind offensichtlich
Ist das nötig? Die Idee, den Männerchor als debattierende Paulskirche zu zeigen (Kostüme: Kerstin Jacobsen), leuchtet zwar ein, reicht aber nicht aus, um diese Inszenierung als Neudeutung durchgehen zu lassen. Und mit den Motiven Niedergang, Aufbruch, Glaube, Aberglaube sind die Parallelen zwischen der Fantasiewelt Wagners und der damaligen Gegenwart ohnehin offensichtlich. Warum also mit dem Zaunpfahl winken?
Dennoch hat diese Inszenierung eine große Stärke: Ansgar Haag erzählt die Handlung geradlinig, persönlich und voller Anteilnahme. Die Figuren sind nahbar und menschlich. Ein idealer "Lohengrin" für Wagner-Einsteiger also. Die Hofkapelle unter Philippe Bach begleitet direkt und zupackend ein spielfreudiges Ensemble, das etliche gute bis großartige Wagner-Stimmen aufzuweisen hat, allen voran Lena Kutzner als Elsa. Nach ihrer tollen Senta im "Holländer" gelingt auch dieses Rollendebüt aufs Feinste.
Der Ehekrach zwischen Elsa und Lohengrin wird zum privaten Kern des Stücks
Der Quasi-Ehekrach mit Lohengrin zu Beginn des dritten Aufzugs ist immer die Schlüsselstelle, hier wird er zum starken, sehr privaten Kern des Stücks. Es geht um das Wesen der Liebe an sich: Vertrauen. Da werden alle Fragen von Macht, Glauben und Magie zweitrangig. Der kurzfristig eingesprungene dänische Heldentenor Magnus Vigilius spielt einen fehlbaren Gralsritter, er wirkt anfangs stimmlich etwas verhalten, singt sich dann aber schön frei.
Sabine Hogrefe (Ortrud) und Shin Taniguchi (Telramund) bilden ein würdiges Gegenpaar. Die beiden sind unterhaltsam böse, wie sich das gehört. Aber auch hier: Der im Programm formulierte Anspruch, Ortrud als "emanzipatorische Frau" zu zeigen, wird nicht eingelöst. Macht nichts: Es zählt, was auf der Bühne passiert. Und da sind auch noch ein würdevoller Heerrufer (Tomasz Wija), ein stimmgewaltiger König (Selcuk Hakan Tirasoglu) und ein prachtvoll mitspielender Chor (Leitung: Manuel Bethe) zu erwähnen.
Langer, herzlicher Beifall für einen "Lohengrin", dem es gelingt, sein Publikum über die ganze, lange Strecke mitzunehmen.
Weitere Vorstellungen: 24., 29. April, 1., 8., 13., 21., 28. Mai, 4. Juni, 10. Juli. Kartentelefon (03693) 451 222. www.staatstheater-meiningen.de