Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum. Hat einmal Nietzsche geschrieben. Und Frank Schmitt wäre der allerletzte, der diesen Aphorismus nicht unterschreiben würde. Musik ist sein Leben. Darum zieht es ihn schon fast von Kindesbeinen an auf die Bühne. Mit dem Papa in die Dorfkneipe. Später als Mitglied der Heustreuer, dann als Frontmann von Rhöner Bluat und zurzeit als spitze Zunge des Trios Spilk.
Und es zieht ihn nach Irland. Zum dritten Mal schon. Mit einem kleinen Rucksäckchen für das Nötigste und dem großen Koffer mit dem wertvollen Akkordeon. Menschen treffen, mit ihnen spontan musizieren. Völkerfreundschaft bei einem guten, irischen Lager-Bier. Und nicht zu vergessen: eine Stippvisite beim König von Tory Island, dem einzigen König Irlands.
Ein Motto für das Leben
Die Iren sind gewiss die Seelenverwandten des Steinachers. Geselligkeit leben, mit Musik den Tag bis weit in die Nacht ausklingen lassen und überhaupt das Leben feiern mit den Weisen der Altvorderen. „Life is short, relax“, hatte ihm eine der vielen Bekanntschaften in einem Pub im Norden Irlands gesagt. Ein Motto, das er mit nach Hause in die Rhön nahm.
Fünf Tage dauerte der Trip durch das nördlichste County Donegal nach Ballyshannon, Killybeggs und Tory Island. Eine Gegend, in der die Iren noch unter sich sind, ganz ohne Rosamunde-Pilcher-Touristen. Zeit genug, um der irischen Seele auf den Grund zu kommen. Und mit einem wildfremden 80-Jährigen Geburtstag zu feiern. Von der ausgelassenen Session im Pub der weltberühmten Dubliners in Irlands Hauptstadt ganz zu schweigen.
Mit acht Jahren ans Akkordeon
Solche Dinge tut man nur, wenn in einem die Leidenschaft für die Musik früh genug geweckt wird. „Im Kindergarten habe ich immer auf einer Spielzeugorgel gespielt. Mit acht Jahren bekam ich ein Akkordeon“, erzählt Frank Schmitt. Mit zehn, elf Jahren ging es zum Mahlmeister, der sangesfreudigen Wirtschaft in Windheim, mit den Eltern zum Singen und Musizieren. „Die Quetsche stand immer auf dem Tisch und mindestens jeden Freitag wurde gesungen und musiziert“, erinnert sich der Musiker.
In den Pubs von Irland ist das nicht anders. Wobei Frank Schmitt das Land in einen Süden und Norden unterteilt. „Im Süden ist viel mehr Tourismus, Musik in den Pubs ist da oft ein touristisches Angebot. Ich war im Norden, es war alles ein Stück ursprünglicher“, erzählt der Steinacher. „Sie spielen Musik für sich, das wollte ich erleben“, so Schmitt. Es war sein dritter Irlandaufenthalt, zuvor waren auch schon die drei Jungs von Spilk als Trupp dort unterwegs.
Spielen nach Gehör
Der Irlandtrip startete in Ballyshannon, knapp drei Stunden von Dublin entfernt und Geburtsort der Bluesrocklegende Rory Gallagher. Im ersten Pub des Abends hieß es nur: „Can you play?“ – „I try hard“, war die Antwort von Frank Schmitt. Also spielte er auf seinem Akkordeon mit. „Ich habe zwar mal Noten lesen gelernt, aber das schnell wieder abgelegt. Seit ich zehn Jahre bin, spiele ich ausschließlich nach Gehör. Der Rest hält nur auf“, schmunzelt der 40-Jährige. Ein bisschen zuhören also, und der Rhöner Musiker konnte mitmischen bei den Sessions in Irland. Ein Talent, das nicht jedem gegeben ist.
In Bed&Breakfast-Häusern hat er übernachtet. Seine Abendlektüre war „Mit dem Kühlschrank durch Irland“ von Tony Hawks, ein komische Reisebeschreibung entlang der Küste Irlands, bei der tatsächlich ein Kühlschrank die Hauptfigur ist. „Und was mit einem Kühlschrank funktioniert, kann mit einem Akkordeon nicht schwieriger sein“
Morgens ging es mit dem Tramper-Daumen, Lederhose und im fränkisch rot-weiß-karierten Trachtenhemd auf Reisen. „Da hat zum Beispiel ein Arbeiter-Büssle gehalten. 20 Kilometer Umweg haben sie gemacht, um mich zur nächsten Station zu bringen“, lobt Schmitt die enorme und selbstverständliche Hilfsbereitschaft der Iren.
Lkw-Fahrer mit Improvisationstalent
„Einmal hat sich die Schraube vom Trolley für das Akkordeon gelöst. Mit dem Rad am Daumen hab' ich dann getrampt“, sagt Schmitt. Bis ein Lkw-Fahrer angehalten hat. „Er hat kurzerhand an seinem Lkw eine Achter-Mutter gesucht und sie für mich abgeschraubt“, schmunzelt Frank Schmitt.
Einmal wäre der Musik-Fanatiker beinahe nicht weiter gekommen. „Eigentlich mache ich das nie, aber hier hab sogar ein Fluch- und Bittgebet gen Himmel gerichtet. Und wer kam dann doch vorbei auf der menschenleeren Landstraße? Ein Pfarrer“, schmunzelt Schmitt.
Am Abend in Ardara an der Westküste, im Pub „The Ceili House Bar“, konnte die nächste Session starten, die dann nebenan im Pub „Corner“, fortgeführt wurde. „Play an bavarian tune“, hieß es dort. Davon waren die irischen Mitmusizierenden begeistert. Am Schluss stimmten sie alle ein in das Lied „Galway girl“, ein Klassiker auf den Straßen und in den Pubs und in einer Neufassung ein Chart-Hit von Ed Sheeran.
Unterstützung von höchsten Kreisen
Am nächsten Tag war Schmitts Ziel eigentlich die Insel Arranmore Island. Doch Hitchhiker-Chauffeuer David riet ihm: „Go to Tory!“. Tory Island, die nördlichste irische Insel, weltvergessen und umtost von den Wellen des Atlantik. Um dorthin zu gelangen, wurden höchste Kreise bemüht. „Ich bin mit David bei der Bezirksregierung in in Dungloe gelandet. Ich habe erzählt, dass ich in Nord-Bayern sehr berühmt bin, die Bevölkerung auf Facebook und die lokale Presse meinen Trip verfolgt und mich für das Bekanntwerden des irischen Nordens einsetzen will“, erzählt Schmitt mit einem Augenzwinkern.
Die Beamten und Politiker setzten alle Hebel in Bewegung, damit der Franke auf die entlegene Insel mit ihren gerade einmal 140 Einwohnern, den Leuchtturm nicht eingerechnet, kam. Herrscher von Tory Island ist der König „An Ri“. König Patsy Dan Mac Ruairdhri ist der einzige Monarch Irlands und von den Inselbewohnern ausgerufen. Über einen Palast verfügt er nicht, ein geducktes Häuschen reicht ihm. Dafür steht im Wohnzimmer neben dem LCD-Fernseher ein imposanter, hölzerner Königsthron.
„Leider war Patsy Dan am Tag meines Besuchs im Krankenhaus. Aber sein Sohn hat mich durch seine Gemächer geführt. Ich sollte gar auf seinem Thron Platz nehmen, was ich aber ausgeschlagen habe“, muss Schmitt immer noch über diese Episode schmunzeln. „Ehre, wem Ehre gebührt“, findet der Rhöner.
Der 80. von Paul
Abends im Pub von Tory war nicht all zuviel los. Auf dem Weg zurück ins Bed&Breakfast der jungen Eheleute Winny & Patrick und im Begriff, an diesem Tag zeitig und nüchtern zu Bett zu gehen, sah Frank Schmitt einen Mann mit Gitarre auf dem Rücken im einzigen kleinen Hotels der Insel verschwinden. „Two Beer, or not Two Beer?“ … Frank Schmitt ging hinterher – und feierte unverhofft mit der Gesellschaft und Bar-Gästen bis in die Nacht den 80. Geburtstag eines gewissen Paul, der noch den Krieg erlebt hatte und vorzüglich Akkordeon spielte. „Woher ich die Heimatlieder von Donegal und Tory-Island kenne…?“, habe Gitarrist Oweney von ihm wissen wollen. „Ich kenne kein einziges der Lied, aber ich höre sie“, lautete Schmitts Antwort.
Vor der Rückreise aufs Festland schnappte Frank Schmitt noch etwas frische Luft draußen am Leuchtturm. Und blickte gebannt die steilen Kliffs hinab zu den schäumenden Wellen des Nordatlantik.
So reihte sich Anekdote an Anekdote auf Frank Schmitts Reise durch den Norden Irlands. Auch jene, wie er auf der Insel Aran Island in einem Hostel übernachtete, das von dem Polen Sebastian bewirtet wurde. Dem kamen beinahe die Freudentränen, als er in der abendlichen Musizierrunde eine echte Polka zu hören bekam auf dem Akkordeon von Frank Schmitt.
Ein mystischer Auftritt
Und dann war da noch ein großes Erlebnis. Ein Treffen mit Jerry Early, eine gewisse Größe in der irischen Folkszene. Er kam extra wegen dem Rhöner in seinen Pub, als er erfuhr, dass ein Bayer mit Lederhose und Akkordeon auf dem Buckel ihn suchte.
„Ich durfte mit ihm ein paar Stücke spielen. Seine samtige, weiche Stimme, sein Gitarrenspiel, einfach toll. In einem der Lieder ging es um eine Vater-Sohn-Beziehung. Ein anderes Lied schickten Jerry und Frank als Liebesgruß per WhatsApp nach Unterfranken. „Es war irgendwie ein mystisches Treffen“, bekommt Frank Schmitt noch immer Gänsehaut. Vielleicht begegnen sie sich in Nürnberg, wo Jerry Early noch heuer zu Gast ist.
Vier anstrengende Tage und nicht minder anstrengende Nächte fanden in Dublin ihr Ende. Nicht in irgendeinem Pub. Sondern im Pub der Dubliners, wo Frank Schmitt sogar Zugabe-Rufe bekam. „Und ich habe den Neffen von Michael Weiß getroffen, dem geschäftsleitenden Beamten der Stadt Bad Neustadt. Auch der ist begeistert vom irischen Lebensgefühl“, sagt Schmitt.
Wieder im Alltag
Mittlerweile ist wieder Alltag eingekehrt bei Frank Schmitt, der beim Staatlichen Bauamt in Schweinfurt arbeitet. Der Terminkalender von Spilk, die schon zwei Mal die Närrische Weinprobe im Residenzkeller begleiteten, ist gut gefüllt. Auch wenn Frank Schmitt mit der deutschen Hektik und Geschäftigkeit jetzt etwas hadert: Wo er auftritt, ist ein wenig irisches Lebensgefühl dann doch dabei.
Zwei Buchtipps für Irlandreisende
Tony Hawks: Mit dem Kühlschrank durch Irland. Nach einer durchzechten Nacht erwacht Tony und erinnert sich an seine Wette: die Küste Irlands gemeinsam mit seinem Kühlschrank zu umrunden. Sein unternehmungslustiger Kühlschranks gerechnet, der die Herzen der Bevölkerung im Flug erobert.
Tony Hawks: Mit dem Kühlschrank durch Irland; Goldmann Verlag; 384 S.; 8,50 Euro.
Thomas Starost, Michael Bauer, Oliver Schikora: Reiseführer Irland – Zeit für das Beste. Aus der Vielzahl an Reiseführern über Irland sticht der Bruckmann-Band heraus. Schon deshalb, weil die drei Autoren als Redakteure oder freie Mitarbeiter dieser Redaktion verbunden sind. Der vielfach gelobte Band ist 2018 in vierter Auflage erschienen.
Starost/Schikora/Bauer: Reiseführer Irland – Zeit für das Beste. Bruckmann Verlag, 288 S.; 15,99 Euro