Mit einem Zweimann-Betrieb im Keller des Privathauses der Familie Reich in Zella-Mehlis fing alles an. 1919 gründeten die Brüder Karl und Franz Reich in Thüringen eine Fahrradteilefabrik. Heute, hundert Jahre später, ist die Reich GmbH mit Hauptsitz in Mellrichstadt ein breit aufgestelltes Unternehmen mit 1200 Mitarbeitern und einem Umsatz von über 150 Millionen Euro. Die Geschäftsfelder sind vielseitig, und doch kehrt das Unternehmen dieser Tage gewissermaßen zu seinen Wurzeln zurück. Reich erwartet starke Zuwächse im Bereich der Fertigung für E-Bikes.
Die große Feier zum 100. Firmenjubiläum wirft ihre Schatten voraus. Die Geschäftsführer Nina und André Reich, die das Familienunternehmen in vierter Generation leiten, zeigten daher bei einem Pressegespräch die aktuelle Situation im Unternehmen auf und blickten auf die Höhepunkte der Firmengeschichte zurück.
Eine Erfolgsgeschichte
Insbesondere die vergangenen zehn Jahre waren für die Reich GmbH eine einzige Erfolgsgeschichte. Der steile Wachstumskurs mit Rekordumsätzen und stetig steigenden Mitarbeiterzahlen ist auch darin begründet, dass in der Vergangenheit die richtigen Weichen gestellt wurden. Karl-Hermann Reich hat für die heutige Positionierung der Firma die entscheidenden Weichen gestellt. 1976 war er in die Technische Leitung eingestiegen und hatte 1990 die alleinige Geschäftsführung übernommen. Er hat das Produktportfolio der Reich GmbH in Richtung Automobiltechnik erweitert und so die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg von Mellrichstadts größtem Arbeitgeber gelegt. Auch wenn im Moment Dieselskandal, Brexit und vom US-Präsidenten angekündigte Strafzölle auf deutsche Autos für eine unsichere Lage am Markt sorgen: Seine Kinder und Nachfolger, Nina und André Reich, sehen das Unternehmen bestens für die Zukunft gerüstet. Insbesondere am boomenden Markt für Elektro-Räder will die Reich GmbH in den kommenden Jahren ein gutes Wachstum generieren.
Dennoch: Verschweigen will man nicht, dass der Dieselskandal nicht spurlos am Unternehmen vorbeigegangen ist. Mitte 2018 gab es einen Rückgang, was die Stückzahlen in der Fertigung angeht, so André Reich. Mittlerweile habe man sich hier wieder auf ein stabiles Niveau eingependelt, es bestehe Hoffnung, dass es in Kürze wieder aufwärts geht. "Der Diesel wird derzeit totgesagt, aber das ist er noch lange nicht", sagt dazu Gebhard Hesselbach, verantwortlich im Bereich Entwicklung/Technik.
Diese Entwicklung habe allerdings dazu geführt, dass in der Region die Gerüchteküche brodelt. "Es heißt, bei Reich werden Mitarbeiter entlassen", so die Geschäftsführer. Das wollen Nina und André Reich nicht so stehen lassen. "Derzeit werden lediglich Mitarbeiter mit befristeten Arbeitsverhältnissen nicht unbefristet übernommen, wie das in den vergangenen Jahren bei uns üblich war", sagt Nina Reich. Etwa 25 Personen sind von dieser Entwicklung betroffen. Wenn neue Aufträge eingehen oder ein Kunde die Stückzahlen erhöht, wie erst kürzlich geschehen, werden diese Mitarbeiter gern wieder zurückgeholt, versichert die Geschäftsführung.
Keine Frage, noch macht die Automobilsparte einen großen Anteil des Geschäftsfelds der Firma aus. "In fast jedem Auto mit Dieselmotor, das weltweit auf den Straßen unterwegs ist, steckt ein Teil, das bei Reich gefertigt wurde", sagt André Reich stolz. "Aber wir arbeiten auch an spannenden Projekten abseits des Verbrennungsmotors." In Mellrichstadt werden Teile für Getriebe und Lenkung hergestellt, und auch im Bereich Fahrwerk/Hinterachslenkung hat sich das Unternehmen positioniert. Für das laufende Jahr erwartet die Firma einen Umsatz von 157 Millionen Euro.
Das stete Wachstum der vergangenen Jahre soll sich also fortsetzen. Auch bei den Investitionen ist ein Rekordwert zu vermelden. Mit rund 30 Millionen Euro investierte das Unternehmen im vergangenen Jahr den höchsten Betrag der Firmengeschichte, wobei die Summe vor allem für neue Maschinen und Anlagen sowie Gebäude, unter anderem das neue Logistikzentrum in der Loh, aufgewendet wurde. Im laufenden Jahr werden nochmals 20 Millionen in neue Technologien und Neuanläufe von Produkten investiert, insbesondere für den rasant wachsenden Markt der Elektrofahrräder. "Die E-Mobilität ist derzeit noch ein zartes Pflänzchen bei Reich, aber eines mit großem Wachstumspotenzial", ist sich die Firmenleitung sicher.
Das hören die Mitarbeiter sicher gerne. Seit 2009 hat sich die Zahl der Beschäftigten verdoppelt. 1040 Mitarbeiter arbeiten am Standort Mellrichstadt, 135 sind bei Reich LLC in Asheville in North Carolina beschäftigt. Das Werk in den USA wurde 2010 gegründet und fertigt unter anderem Teile für Automatikgetriebe. 40 Mitarbeiter zählt zudem die Firma Reich MIM in Schwarzenberg in Sachsen, wo Metallpulverspritzgussteile hergestellt werden. Die Firma kam 2016 zur Reich-Gruppe dazu.
Fachkräfte selbst ausbilden
167 Kunden in 30 Ländern werden von der Firma Reich beliefert, darunter große Zulieferer wie Bosch, Continental und ZF. Zudem werden mit Mercedes Benz und Fiat-Chrysler zwei Automobilhersteller direkt von Reich beliefert. Das Unternehmen verdankt seinen ausgezeichneten Ruf in der Branche auch einer Strategie, die für Qualität bürgt: Reich bildet seine Fachkräfte selbst aus und hat dafür 2012 kräftig in die neue Lehrwerkstatt auf dem Betriebsgelände in der Industriestraße investiert. 43 Azubis lernen derzeit im Unternehmen, im September starten weitere 13 Frauen und Männer bei der Reich GmbH ins Berufsleben.
Die 100-jährige Erfolgsgeschichte des Unternehmens wollen Nina und André Reich natürlich gebührend feiern. Am 13. Mai ist in der Oskar-Herbig-Halle ein Festakt mit Geschäftspartnern, Kunden und Lieferanten geplant, am 22. Juni sind dann die Mitarbeiter und ihre Angehörigen zu einem großen Familientag auf dem Betriebsgelände eingeladen.