Krise – das war gestern. Das Wort ist aus dem Unternehmensvokabular der Reich GmbH gestrichen, das Wort vom Aufschwung spiegelt die aktuelle Situation des Automobilzulieferers wider. Die Aufträge sprudeln wieder kräftig. Also reifen ganz konkrete Pläne, nicht nur am Standort in Mellrichstadt weiter kräftig zu investieren, auch auf dem amerikanischen Markt wird sich die Firma Reich, die sich als führender Hersteller von Fahrzeugteilen und Spezialkugellagern versteht, künftig ein Standbein schaffen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, wie Unternehmer Karl–Hermann Reich bei einem Pressegespräch versichert.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Der Firmenchef rückt keinen Deut von seinem Bekenntnis zur Standorttreue für Mellrichstadt ab. Auszulagern nach Osteuropa oder Asien, wie Angebote schon ins Unternehmen flatterten, kommt für ihn nicht in Frage, weil ein solcher Prozess Arbeitsplätze am Stammsitz kosten würde. Der Aufbau eines eigenen Reich-Werks in Nordamerika dagegen zielt ausschließlich auf den amerikanischen Markt ab. „Und das stärkt unsere Stellung international“, ist Karl-Hermann Reich überzeugt.
Sicherheit
Die Geschäfte florieren. So kann man getrost die Aussage von Betriebsleiter Christoph Renner interpretieren, der wie Prokurist Thomas Erhard vom Führungsteam am Pressegespräch teilnahm, als er hierzulande auf langfristige Verträge mit Kunden verwies, die weitere Projekte – unter anderem zur Herstellung von Lenksystemen und Automatikgetrieben sowie Einspritzsysteme für Diesel- und Benzinmotoren – garantieren. „Das gibt uns und den Mitarbeitern ein gutes Stück Sicherheit“, so Renner mit Blick auf die nächsten zwei Jahre.
Diese Entwicklung geht mit Millionen-Investitionen einher, auch werden zusätzliche Fertigungsflächen am Standort Mellrichstadt benötigt. Renner sprach dabei von 2500 Quadratmetern. Weit bedeutender jedoch ist diese gute Nachricht: Reich als Rhön-Grabfelds größter privater Arbeitgeber hat heuer schon 25 Mitarbeiter zusätzlich eingestellt, die Zahl der Neueinstellungen wird sich in den nächsten Jahren auf 50 erhöhen. „Und das sind Arbeitsplätze für qualifizierte Fachkräfte“, wie Karl-Hermann Reich deutlich machte. Verständlich, dass das Unternehmen mit Bewerbungen förmlich überrollt wird.
Der Ruf als Vorzugslieferant bei Kunden wie Bosch – dort kann sich die Firma Reich mit dem Prädikat, zu den 20 weltbesten Lieferanten zu zählen, schmücken – sowie ZF Friedrichshafen, ZFLS Schwäbisch-Gmünd und Conti trägt Früchte, reicht inzwischen bis nach Amerika. Das erfuhren Thomas Erhard und Christoph Renner, die gut eine Woche zu Sondierungs- und Verhandlungsgesprächen in North Carolina weilten, um einen Standort nebst Bedingungen für ein selbstständiges Werk des Mellrichstädter Familienunternehmens auszuloten. Schließlich war Reich „mit großen Vorschusslorbeeren von ZFLS, das mit einem Werk in Kentucky angesiedelt ist, empfohlen worden“, so die beiden „Unterhändler“. Wichtig war ihnen vor allem, mit möglichst konkreten Daten zum Aufbau der Fertigung in den USA nach Hause zu kommen. Und die hatten Erhard und Renner im Koffer.
In Amerika macht das Motto „buy local“, also „Kaufe amerikanisch“, die Runde. Da gerade die Automobilhersteller in den USA, wie Ford und GM, unter enormem Erfolgs- und Zeitdruck stehen, um effiziente und spritsparende Modelle auf den Markt zu bringen, müssen drüben dringend bewährte Zulieferer gefunden und aufgebaut werden. So auch für Lenksysteme für Automatikgetriebe und Einspritzsysteme für Diesel- und Benzinmotoren, auf die die Firma Reich spezialisiert ist.
Wachstumschancen
Was den Sprung über den großen Teich für das Mittelstandsunternehmen aus Rhön-Grabfeld interessant macht, ist ein Werk für die angesprochenen Zuliefererteile mit höchster Fertigungstiefe: die Firma Reich als Systemanbieter in Amerika. Dies bedeutet „enorme Wachstumschancen für Reich in einem schnell wachsenden Markt“, allerdings verbunden mit hohen Anfangsinvestitionen und personellem Aufwand. Das weiß die Reich-Führungsspitze nur zu gut.
So werden sich die Anfangs-Investitionen auf eine Summe von rund zwölf Millionen Euro belaufen. Und für die Projekte, die 2011 und 2012 anlaufen, werden nach den Worten von Betriebsleiter Renner 36 Mitarbeiter benötigt, davon mindestens vier Spezialisten aus dem Betrieb in Mellrichstadt. Für diese Aufgabe werden sie bereits ausgebildet, um dann in Amerika die Aufbauarbeit leisten zu können. Zudem hat Reich einen amerikanischen Mitarbeiter mit deutschen Wurzeln in seinen Reihen, der seit einigen Monaten als Koordinator für das Mellrichstädter Unternehmen in Amerika tätig ist.
Von Mellrichstadt in die USA
Für das Reich-Werk hat man den Ort Asheville in North Carolina im Auge, wo eine Betriebshalle über 4000 Quadratmeter für die Produktion inklusive Verwaltung zur Verfügung steht. Und zuversichtlich stimmt auch die Botschaft, dass „die relevanten staatlichen Stellen jegliche Unterstützung und Hilfe“ zum Start in den USA zugesagt haben, wie Erhard und Renner versicherten. Zum Ablauf selbst: Wie das Führungsteam betonte, wird der Fertigungsprozess mit den Spezialisten im Mellrichstädter Betrieb entwickelt und von hier aus nach Nordamerika transferiert.
Mit einem finanziellen Abenteuer wird das Projekt Amerika nicht verbunden. Seitens der Eigentümerfamilie hat die solide Finanzierung oberstes Gebot. Mit „Verschuldungsspielchen“ will sich Karl-Hermann Reich seinen amerikanischen Traum nicht erfüllen.
Reich GmbH
Meilensteine der Firmengeschichte: Die Firma Reich, 1919 in Zella-Mehlis in Thüringen gegründet, siedelte nach 1945 endgültig nach Mellrichstadt um. Das Unternehmen befindet sich noch heute zu 100 Prozent in Familienbesitz und wird unter Geschäftsführer Karl-Hermann Reich in der dritten Generation gemanagt. Unter seiner Verantwortung hat sich das Unternehmen, das mehr als 570 Mitarbeiter beschäftigt, zum bedeutenden Automobilzulieferer entwickelt. Die Reich GmbH arbeitet seit Jahrzehnten für viele bedeutende nationale und internationale Unternehmen. Das Prädikat „Vorzugslieferant“ zeugt von den Qualitätsprodukten aus Mellrichstadt. Deshalb wird nach der Firmenphilosophie kontinuierlich in die Modernisierung des Maschinenparks und der technischen Anlagen investiert. Und das sehr erfolgreich: Der Umsatz ist gegenüber dem Vorjahr um 55 Prozent angewachsen und der Auftragsbestand hat bereits Anfang Mai gut zwei Drittel des geplanten Jahresumsatzes erreicht.