Ein schmuckes Fachwerkhaus in einem Gässchen mitten im idyllischen Bastheim (Lkr. Rhön-Grabfeld). Es fällt nicht weiter auf zwischen den Nachbaranwesen. Doch wenn Besitzer Martin Omert mit dem Hinweis "Nicht erschrecken" das Türchen zu seinem Garten aufmacht, öffnet sich dem Besucher oder der Besucherin eine andere Welt. Eine Welt, die er "Martins Vogelparadies" getauft hat und in der als Erstes das laute Zwitschern und Zirpen, Piepen und Tirilieren auffällt.
Über eine Treppe führt der 57-jährige Omert in seinen Wintergarten – von hier oben hat er einen guten Blick auf seine rund 80 einheimischen und exotischen gefiederten Schützlinge. Er setzt sich an seinen Tisch mit Vogelmotiv-Tischdecke ("Die hab' ich zufällig gesehen und musste sie haben"). Die Vereinszeitschrift "Vogelinfo aus fernen und europäischen Ländern" liegt griffbereit.
Dann beginnt er zu erzählen von seinem liebsten Hobby, stets begleitet von einem Konzert aus Vogelstimmen. "Ich höre das gar nicht mehr, für mich ist diese Geräuschkulisse normal. Mir fällt nur auf, wenn ein bestimmter Vogel nicht singt. Dann fehlt plötzlich etwas", sagt Martin Omert. Wenn nicht gerade Brutzeit ist – da ist es normal, dass die Männchen aufhören zu singen – geht Omert in solchen Fällen nachschauen, ob etwas nicht stimmt.
Bartmeise, Wiedehopf und Exoten aus Vietnam oder Borneo leben bei Martin Omert
In seinen Volieren finden sich einheimische Vögel wie Bartmeise, Wiedehopf und Bienenfresser, aber auch Exoten mit klangvollen Namen. So etwa der Weißkappenschama aus Borneo oder das Tibetrubinkehlchen aus Tibet und China oder der Baltimoretrupial, der in Süd- und Nordamerika vorkommt.
Auch Schwarzkehlhäherlinge besitzt er, sie sind in Südostasien und China heimisch. Seine Vögel kauft Martin Omert meist über Märkte im Internet bei Züchtern in Holland oder Belgien.
10.000 Euro für ein Vogelpaar sind ihm dann doch zu viel
"Mir hat jemand Blaukappenhäherlinge - sie kommen nur in einem kleinen Gebiet in China vor - angeboten, die sind ein großer Wunsch von mir", erzählt Omert. "Er wollte mir zwei Jungtiere für 11.500 bis 12.000 Euro abgeben. Oder ein drei- bis vierjähriges Paar für 10.000 Euro. Da hab ich erstmal geschluckt." Wegen des hohen Preises verzichtete er auf die Blaukappenhäherlinge. Die Züchter würden meist Liebhaberpreise aufrufen, die happig sein könnten, sagt er.
"Ich bin seit meinem sechsten Lebensjahr begeistert von Vögeln. Wenn ich sie beobachte, kann ich abschalten und alles um mich herum vergessen. Am meisten Spaß machen mir die Bienenfresser – wegen ihrem Verhalten und weil sie so schön bunt sind", erzählt Omert. Entsprechend stolz war er, als er mit sechs Jahren seine ersten Vögel bekam: Brieftauben.
Aus dem Nutzgarten machte er ein Vogelparadies
Zum Taubenschlag in der Scheune und später einer Voliere von einem auf zwei Metern Größe kamen mit der Zeit immer mehr hinzu. "Dafür habe ich Stück für Stück immer mehr vom Garten abgezwackt, in dem es früher Gemüse und Obstbäume gab. Und so ist das in den letzten 51 Jahren immer weiter gewachsen", sagt Omert. Er hält heute rund 80 Vögel von 25 bis 26 verschiedenen Arten auf 600 Quadratmetern naturnah gestalteter Fläche.
Für die Tiere hat er ein künstliches Biotop anlegen und eine Sandgrube für Bienenfresser bauen lassen. Und er hat bunte Blumen gepflanzt. Außerdem gibt es eine Wand in Steinoptik mit Wasserlauf für Vögel, die im Alpenraum heimisch sind.
Warum das Ganze nur für sich selbst nutzen, fragte sich Omert. Der 57-Jährige berichtet von einem Freund in Nordholland, der Fotografen anbietet, einen Tag lang in seiner großen Voliere die Vögel zu fotografieren. "Da hab ich gedacht, das gefällt mir, das machst du auch", erzählt Omert, der mit Fotografie selbst "gar nichts am Hut" hat. Anfang Mai 2022 stellte er sein Angebot online.
Vögel beobachten und fotografieren in Bastheim statt in China oder Borneo
Fotografinnen und Fotografen oder Vogelinteressierte können Tagestickets kaufen, einen Tag mit den Tieren verbringen und Vögel sehen, für die sie sonst an den Kaiserstuhl, nach China oder Amerika reisen und auf die sie dort lange in der freien Natur warten müssten. "Wenn Bekannte bei mir sind, sagen sie oft, wie erholsam das Vogelbeobachten ist. Du brauchst nichts zu denken und bist abgelenkt", sagt der Vogel-Besitzer.
Bisher konnte Omert noch keine Fotografen in seinem Vogelparadies begrüßen. Er würde sich aber freuen, wenn sich das ändert. "Wenn ab und zu mal jemand zum Fotografieren kommt, ist es in Ordnung. Dann kann ich ein bisschen Geld damit verdienen. Wenn nicht, hab' ich es eben nur für mich gemacht. Mir gefällt es und macht Spaß, das ist das Wichtigste."
Von Zeit zu Zeit verkauft Omert Exemplare seiner Vögel. Zum Beispiel das Baltimoretrupial-Weibchen, dessen Partner gestorben ist und das ein Freund von ihm gerne hätte. Dazu muss er es allerdings erst einmal fangen. Vorsichtig zieht er an einer Schnur mit Strick am Ende. Sie ist mit einem Draht und einem Stecken als Sperre an der großen Voliere verbunden und reicht bis zu seinem Tisch.
Wenn der gewünschte Vogel unter ein Sieb läuft und der Draht sich hebt, kann Martin Omert mit dieser "ältesten Fangmethode der Welt" das Tier einfangen. Doch diesmal ist der Vogel offenbar nicht damit einverstanden. Der Fangversuch wird verschoben.
Und was denkt sein Umfeld über sein Hobby? "Ich werde schon ein bisschen belächelt. Jeder, der etwas Außergewöhnliches macht, ist erstmal ein 'Spinner'", sagt er. "Aber wenn man dabei bleibt, sehen die Leute, dass man es ernst meint."