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Wülfershausen
Brieftauben aus Wülfershausen fliegen beim Grand Prix um die Welt: Was haben Tauben-Wettflüge mit Pferderennen gemeinsam?
Das Racing-Team Kießner-Englert aus Wülfershausen ist mit am Start. Der erfolgreiche Tauberich namens "Luca Toni" wird nur noch in der Zucht eingesetzt.
'Luca Toni' hat Hermann Kießner den bei internationalen Wettflügen erfolgreichen Tauberich getauft, der in seinem Schlag in Wülfershausen nur noch zu Zuchtzwecken eingesetzt wird.
Foto: Michael Petzold | "Luca Toni" hat Hermann Kießner den bei internationalen Wettflügen erfolgreichen Tauberich getauft, der in seinem Schlag in Wülfershausen nur noch zu Zuchtzwecken eingesetzt wird.
Michael Petzold
 |  aktualisiert: 30.05.2022 02:23 Uhr

In Hermann Kießners Taubenrefugium, wenn man die schmucke Räumlichkeit so nennen darf, treffen sich Vergangenheit und Zukunft des Taubenzüchter-Sports. Jedenfalls sieht das der 69 Jahre alte, ehemalige Baustoffhändler und Züchter wertvoller Rinderrassen so.

Im großen Wohnzimmerschrank stehen Siegerpokale und an den Wänden hängen gerahmte Erinnerungen an die Zeiten, als die Tauben Preise für die Schlaggemeinschaft einflogen, die er zusammen mit seinem Sohn betrieben hat. Gleich daneben ist ein riesiger Bildschirm montiert, über den per Internet die Ergebnisse des FCI Racing Pigeons Grand Prix angezeigt werden - einer Organisation, die täglich weltweit, mit Preisgeldern ausgestattete Tauben-Wettflüge veranstaltet.

Auch das Racing-Team Kießner-Englert ist am Start. Irgendwie erinnert das alles ein wenig an Pferderennen. Wohl gar nicht so abwegig, schließlich werden Brieftauben ja auch gerne Rennpferde der Lüfte genannt.

Ein Wettbewerb mit über die ganze Welt verstreuten Taubenschlägen

Wer an den internationalen Wettbewerben teilnehmen will, der überlässt seine Tauben einem der über die ganze Welt, wie in Portugal, Rumänien, Italien, aber auch Ägypten, Thailand oder Simbabwe verstreuten Standorte und zahlt eine Gebühr. Dorthin gebracht werden die Tiere mit speziellen Transportern.

In den Schlägen sind mindestens 3000 Brieftauben aus 50 Ländern untergebracht, die alle einen Chip besitzen. Über mehrere Ausscheidungsflüge werden schließlich die Endsieger ermitteln, die am ehesten die bis zu mehreren hundert Kilometer langen Distanzen zurückgelegt hatten, erklärt Kießner das Procedere. Am Ende der Saison werden alle Tauben versteigert, wobei die früheren Besitzer am Verkaufserlös beteiligt werden.

Bernhard Englert (links)  ist einer der Helfer von Hermann Kießner (zweiter von links), dessen Brieftauben an internationalen Wettbewerben teilnehmen.
Foto: Michael Petzold | Bernhard Englert (links)  ist einer der Helfer von Hermann Kießner (zweiter von links), dessen Brieftauben an internationalen Wettbewerben teilnehmen.

"Das alles kann man im Internet mitverfolgen", sagt Kießner, der seit einem Jahr mitmischt und dabei mit "Luca Toni", wie er den Tauberich nennt, ein so erfolgreiches Tier am Start hatte, dass er den Flugkünstler am Ende wieder ersteigerte. Den Vogel mit dem Namen des früheren Stürmerstars des FC Bayern München setzt er jetzt ausschließlich zur Zucht ein. Alle fünf Tage bekommt "Luca Toni" ein neues Weibchen. Wenn der Nachwuchs dann so weit ist, ums Haus zu fliegen, begutachtet der Züchter die jungen Tiere und sucht neue für die internationalen Wettflüge aus. Unterstützt wird er dabei von Bernhard Englert und Rainer Englert.

Eine Alternative zum herkömmlichen Brieftaubensport?

Kießner sieht darin eine Alternative zum herkömmlichen Taubensport und die Möglichkeit, Nachwuchs zu gewinnen. Um den sei es zahlenmäßig nämlich schlecht bestellt, sagt der Vorsitzende des Brieftaubenvereins Grabfeldkurier. Gerade einmal 12 Mitglieder, die meisten schon über 70 Jahre alt, zähle der Verein. Nur ein Taubenzüchter - Kießner selbst - lässt noch Tauben fliegen. Früher habe es 17 "reisende Schläge" gegeben, wie die Aktiven genannt werden.

Hermann Kießner in seiner Tauben-Zentrale im heimatlichen Wohnzimmer in Wülfershausen. Hier kann er bequem vom Sessel aus die Rennen verfolgen, an dem seine Tauben teilnehmen.
Foto: Michael Petzold | Hermann Kießner in seiner Tauben-Zentrale im heimatlichen Wohnzimmer in Wülfershausen. Hier kann er bequem vom Sessel aus die Rennen verfolgen, an dem seine Tauben teilnehmen.

Den Schwund bestätigt auch Karl Braungart, der Vorsitzende der Reisevereinigung Münnerstadt, in der die elf Vereine aus dem Rhön-Grabfeld organisiert sind, weiß auch, dass es ungeheuer schwer ist, junge Leute zu finden, die sich für den Sport interessieren. Dazu komme noch, dass dieses Hobby in reinen Wohngebieten nicht betrieben werden dürfe und dass es weit aus mehr Arbeit mache, als etwa ein paar Hühner zu halten, denen man ein paar Körner und einen Trog voll Wasser hinstellt. Wer erfolgreich sein wolle, müsse die Tauben behandeln wie Hochleistungssportler. Schließlich müssen sie bei den Wettbewerben sieben bis neun Stunden fliegen.

In China ist die Züchtung von Brieftauben ein Volkssport

Absoluter Volkssport sei die Züchtung von Brieftauben noch in Ländern wie Polen oder China, wo Millionen diesem Hobby nachgehen. Deutschland ist hiervon weit entfernt. 120.000 Aktive habe der Verband Deutscher Brieftaubenzüchter noch um die Jahrtausendwende gezählt, jetzt seien es gerade einmal noch 28.000. Herzkammer des Sports in Deutschland ist immer noch das Ruhrgebiet, wo der Verband sieben Mitarbeiter beschäftigt und in Essen sogar eine eigene Klinik für Tauben unterhält.  Braungart, der mit seinen 68 Jahren seit 59 Jahren sein Herz an die Brieftauben verloren hat, hält den Sport gerade auch für Ältere für geeignet. Der Verband unternehme aber eine ganze Menge, um junge Leute zu begeistern. So veranstaltet die Verbandsjugend eigene Flüge und Meisterschaften.

 
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