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Bad Neustadt
Es geht nicht mehr um Vergewaltigung: Bewährungsstrafe für frühere Führungskraft des Rhön-Klinikums gefordert
Azubis hatten einem ehemaligen leitenden Mitarbeiter der Klinik in Bad Neustadt sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Wie Staatsanwältin und Verteidiger vor Gericht plädierten.
Ein früherer leitender Mitarbeiter des Rhön-Klinikum Campus muss sich wegen mutmaßlicher sexueller Übergriffe auf Azubis vor dem Amtsgericht Bad Neustadt verantworten. Seine Verteidiger fordern, dass er freigesprochen wird.
Foto: Anand Anders | Ein früherer leitender Mitarbeiter des Rhön-Klinikum Campus muss sich wegen mutmaßlicher sexueller Übergriffe auf Azubis vor dem Amtsgericht Bad Neustadt verantworten.
Kristina Kunzmann
 |  aktualisiert: 13.04.2025 02:33 Uhr

Wenn es nach den Anträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung geht, droht dem früheren leitenden Mitarbeiter des Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt, der sich im Oktober 2023 Auszubildenden gegenüber sexuell übergriffig verhalten haben soll, keine Gefängnisstrafe.

Laut Anklageschrift soll der 45-Jährige drei Auszubildenden bei der Grillfeier während einer Teambildungsmaßnahme in die Hose gefasst haben. Dabei soll er auch in ihre Körper eingedrungen sein, sie also vergewaltigt haben. Diesen Verdacht sehe die Staatsanwaltschaft nun nicht bestätigt, teilte Joachim Hein, Direktor des Amtsgerichts Bad Neustadt, am Montag auf Anfrage mit.

Staatsanwaltschaft fordert Verurteilung für sexuelle Übergriffe statt Vergewaltigung

Dies habe Staatsanwältin Melanie Roth am Freitag in ihrem nichtöffentlich gehaltenen Plädoyer deutlich gemacht. "Aus Sicht der Staatsanwaltschaft kann der Tatvorwurf der Vergewaltigung aufgrund der Zeugenaussagen nicht mehr bejaht werden", sagt Hein. Dafür würde die Mindestfreiheitsstrafe zwei Jahre betragen, erklärt der Direktor des Amtsgerichts. 

Forderte in ihrem Plädoyer eine Freiheitsstrafe von 16 Monaten auf Bewährung für den Angeklagten: Staatsanwältin Melanie Roth.
Foto: Anand Anders | Forderte in ihrem Plädoyer eine Freiheitsstrafe von 16 Monaten auf Bewährung für den Angeklagten: Staatsanwältin Melanie Roth.

Die Staatsanwaltschaft plädierte Hein zufolge auf eine Verurteilung des Angeklagten wegen sexueller Übergriffe zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung. Bei einem der drei mutmaßlich Betroffenen hätten sich nicht in ausreichender Zahl Hinweise auf einen sexuellen Übergriff ergeben. Die Staatsanwältin habe deshalb einen Teilfreispruch des Angeklagten gefordert.

Die Nebenklage habe keinen konkreten Antrag gestellt, teilt der Leiter des Amtsgerichts mit. Die Verteidiger des früheren Campus-Mitarbeiters hätten einen Freispruch in allen Anklagepunkten beantragt.

Angeklagte ehemalige Führungskraft bestreitet die Vorwürfe

Der frühere Campus-Mitarbeiter hatte in seiner Einlassung zum Prozessauftakt die Vorwürfe bestritten. Zwei der drei mutmaßlich betroffenen Auszubildenden hatten unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor Gericht ausgesagt. Weitere Teilnehmer der Teambildungsmaßnahme berichteten im Zeugenstand, der Angeklagte habe ihnen auf die Schulter geklopft, sie hätten sich aber nichts dabei gedacht. Dennoch war von unpassend "kumpelhaftem" Verhalten die Rede und davon, die Führungskraft sei wie einige Azubis angetrunken gewesen.

Eine Zeugin gab an, sie habe die Hand des leitenden Mitarbeiters "kurz über der Hose" eines Azubis gesehen. Ähnliches sagte ein Auszubildender aus. Mehrere Teilnehmer berichteten von einer Art Entschuldigung des Angeklagten in seinem Vortrag am Tag nach dem Grillfest. Sie hätten dies nicht einordnen oder auf konkrete Vorfälle beziehen können, sagten die Zeugen.

Das Urteil wird am Amtsgericht Bad Neustadt an diesem Donnerstag, 10. April, um 10 Uhr verkündet. 

 
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  • Jürgen Mayer
    Der Vorwurf der Vergewaltigung wurde von der Staatsanwaltschaft fallen gelassen. Weiterhin forderte die Staatsanwaltschaft einen Teilfreispruch des Angeklagten. Eine sinnlose Strafwut oder Aktionismus und ein erstarrtes System kann ich hier nicht erkennen.
    Oder sollte unsere Polizei und Justiz Ihrer Meinung nach solchen Fällen eher nicht nachgehen?
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  • Martin Deeg
    Ja, man muss einem solchen Verdacht und einer Anzeige nachgehen, Legalitätsprinzip - es geht jedoch darum, wie dies geschieht, um Verhältnismäßigkeit!

    Durchsuchung, Beschlagnahmen (wozu?) und letztlich Anklage - die damit einhergehende Vorverurteilung, Zerstörung des Arbeitsplatzes und der Reputation geht hier m.E. deutlich zu weit!

    Eine Einstellung wegen Geringfügigkeit wäre m.E. geboten gewesen. Es ist üblicherweise nämlich nicht so, dass sich der Sachverhalt in polizeilichen Vernehmungen so völlig "anders" darstellt wie dann später vor Gericht - auch wenn die heiklen Themen hier "nichtöffentlich" behandelt wurden.

    Aus einer Hand an/in der Hose wird keine "Vergewaltigung".
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  • Lutz Saubert
    "Hand in der Hose" - also für mich ist das keine Lappalie. Das ist eine deutliche Verletzung meiner Intimsphäre, schlimmer noch, wenn ein Vorgesetzter beteiligt ist. In anderen Bereichen würden Sie wieder Macht und Hierarchien ins Spiel bringen. Warum sehen Sie hier eine Bagatelle?
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  • Martin Deeg
    Ja, Herr Saubert, Machtstrukturen und Hierarchien werden nach meiner Erfahrung vor allem für psychischen Druck und strukturelle Gewalt missbraucht - dieser Missbrauch wird kaum wahrgenommen, man scheint hingegen völlig fixiert auf "sexuelle" Komponenten, dann aber richtig....das ist eine Fehlentwicklung, die Täter mit Status und Nimbus rechtsfremd schützt und Leute an den Pranger stellt, die kaum als "Straftäter" zu bezeichnen sind....

    Man muss immer den Einzelfall betrachten - das mag hier keine "Lappalie" sein, es ist aber sicher auch keine "Vergewaltigung", wie Justiz und Medien behaupteten.....
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  • Hans-Martin Hoffmann
    Was spricht eigentlich dagegen

    einfach die Finger wegzulassen von anderen Menschen, insbesondere Azubis?

    Ich finde es äußerst bedenklich, wenn hier verharmlost wird nach dem Motto "ist doch eigentlich gar nichts passiert". Mal eine Frage an die Mitforist/innen: was würden Sie davon halten, würde die Lehrkraft Ihres Kindes vor Gericht stehen, weil sie bei einem Schulausflug Kindern an/ in die Hose gefasst haben soll? "Ist doch eigentlich gar nichts passiert"? Oder nicht vielleicht vielmehr: "Wenn das stimmt, sollte diese Person nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen - zumindest bis ihr jemand eine erfolgreiche Behandlung attestiert"?

    Menschen, die sich aufgrund ihrer Stellung in einer Gruppe schlecht bis nicht gegen Übergriffe wehren können, sollten mMn (auch weiterhin) unter dem besonderen Schutz des Rechtsstaates stehen und entsprechende Vorwürfe rückhaltlos aufgeklärt werden - nicht nur im Fall der Kirche/n!!
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  • Martin Deeg
    Es geht hier nicht um Kinder, Herr Hoffmann!

    Und wie so oft spielt auch hier wohl die eigene Erfahrungswelt in die Beurteilung des Sachverhaltes mit hinein.

    Ich bspw. bin mit 18 Jahren zur Polizei, wir hatten in der Ausbildung Gruppenführer, somit "Vorgesetzte", die waren Mitte 20 - die Beschreibung dieses "Kriminalfalles" hier tritt zurück hinter nahezu jede Festivität, die ich in diesem Umfeld erlebt habe....
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  • Hans-Martin Hoffmann
    Azubi ist Azubi - @ Martin Deeg -

    und wenn Vorgesetzte ihre (Macht-)Stellung missbrauchen, um sich an einem solchen sexuelle Befriedigung zu verschaffen, ist das mMn eben nicht "nur" sexueller Missbrauch, sondern auch der Missbrauch der eigenen Stellung für niedere eigene Belange. Das geht gar nicht - oder sind Sie der Meinung, Azubis sollten solche Übergriffe dulden müssen, sobald sie volljährig sind?!

    Da gibt es nichts zu bagatellisieren und nichts zu beschönigen:
    Missbrauch bleibt Missbrauch, und wer sich (auch unter Alkohol) nicht beherrschen kann, sollte entweder solchen Anlässen fernbleiben oder noch besser kompetente Hilfe in Anspruch nehmen, bevor die Justiz so eine eklige Sache aufarbeiten muss (wobei ich schon mal angemerkt hatte, wer die Justiz durch eine im Rausch begangene Straftat beschäftigt, sollte gleich mal sagen wir 10 Stundensätze an eine Drogenhilfsorganisation bezahlen müssen).

    Interessanterweise(?) gab es sowas in "meiner" Ausbildungskompanie übrigens nicht.
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  • Lutz Saubert
    Es geht um "Schutzbefohlene". Wenn die sonst so verdammte hierarchische Abhängigkeit hier missbraucht wird, läuft etwas falsch.
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  • Georg Wohlfart-Mitznegg
    Diese Teambildungsmaßnamen des bekannten Medizindienstleisters scheinen ja ein voller Erfolg zu sein.
    Azubis bringen harten Alkohol (war es Wiskey, Weinbrand, Rum, andere Substanzen?) mit zum geselligen Sommerfest, betrinken sich gemeinsam mit einer Führungskraft
    und im Nachgang der Party verfestigt sich in Azubikreisen und weit darüber hinaus die Erzählung vom distanzlos übergriffigen Vergewaltiger mit zweifelhaften sexuellen Tendenzen.
    Am Ende der Beweisaufnahme bleibt davon nicht mehr viel übrig, aber für die Staatsanwaltschaft scheints immernoch genug, um den Vorwurf der sexuellen Übergriffe aufrecht zu halten.
    Der schwerwiegenste Vorwurf, der in der Zeitung zu lesen war, lautete, falls ich nichts überlesen habe, der Angeklagte hätte die Azubis angefasst(!) beim zusammen feiern.
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  • Steffen Cyran
    "Anfassen"...naja.

    Es scheint ja unbestritten, daß der Angeklagte seine Hand in der Hose minderjähriger gehabt hat. Da gehört sie nicht hin, unabhängig davon, was sie dort weiter getan hat.

    Der Vorwurf der Vergewaltigung war wohl überzogen, wurde aber auch fallengelassen.
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  • Georg Wohlfart-Mitznegg
    Es scheint auch unbestritten,
    daß auf einem Sommerfest der Rhönklinikum AG hemmungslos an Hecken uriniert wird, als wären Toiletten ein sinnloser Luxus, so wurde das in einem der zahlreichen Artikel zu dieser Geschichte berichtet.
    Berichtet wird irgendwas von Händen und Hosen, wobei stets unklar bleibt, ob, wo, wie genau und warum das diese schwerwiegenden Vorwürfe begründet.
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  • Martin Deeg
    Dieser Fall zeigt schlaglichtartig, was passieren kann, wenn feministischer Lobbyismus und ein der populistischen Verwirrung nachlaufender Gesetzgeber, der glaubt, ständig "Strafen" erhöhen und "verschärfen" zu müssen, weil man irgendwelche Wähler-Fantasien befriedigen will, den Bezug zur Realität verlieren:

    Drohende "Mindestfreiheitsstrafe von zwei Jahren", weil im sozialen Überschwang mutmaßlich eine Hand in eine Hose geschoben wurde....! Angeklagt als "Vergewaltigung".

    Und Staatsanwaltschaft und Kripo offenbar sehr begeistert von sich selbst....

    Das ist auch ein Appell an all die schlichten Gemüter, die auf Basis von BILD-Schlagzeilen ständig von "Kuscheljustiz" faseln.

    Das Problem ist oft ein ganz anderes: Untätigkeit, Unlust und Inkompetenz (Aschaffenburg) wechseln sich ab mit Eifer, Aktionismus und sinnloser Strafwut....wo also liegt der Fehler?
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  • Martin Deeg
    Ein um sich selbst kreisendes, in Ritualen erstarrtes System, das sich für ungeheuer wichtig hält - aber längst den Bezug zur Lebenswirklichkeit verloren hat.

    Wie kommt man überhaupt als Staat auf die Idee für so eine Anklage?

    Mindestfreiheitsstrafe von zwei Jahren wegen "Vergewaltigung"....?

    Und warum plappern die Medien das alles unkritisch nach anstatt einmal auch nur auf die Idee zu kommen, statt dramatischer Schlagzeile den Popanz kritisch zu hinterfragen?
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