Die rund 80.000 Einwohner des Landkreises Rhön-Grabfeld könnte der Bio-Betrieb Warmuth aus Wargolshausen locker mit Kürbissuppe versorgen. Zumindest in diesem Jahr. Im Vorjahr wäre das schwierig geworden. "Da hat es einfach über Monate nicht geregnet", 2022 ist die Warmuthsche Kürbis-Ernte quasi ausgefallen. 60 Zentimeter tiefe Risse klafften damals im trockenen Ackerboden. Furchen, die in der Warmuthschen Erinnerung noch immer nicht ganz geschlossen sind.
"Als Bauer und Bäuerin arbeiten wir ein ganzes Jahr, um im Herbst eine Ernte zu haben. Das heißt, wir bereiten die Felder vor, wir säen, wir pflegen die Kulturen. Dann gibt es eine Zeit, in der wir hoffen, dass es ausreichend regnet, genug Sonne scheint und irgendwann ist es so weit, wir ernten. Wenn das gelingt, sind wir glücklich", beschreibt Eva Warmuth ihren Arbeitskreislauf.
Eine tausendfache Geste der Demut vor der Schöpfung
Ernten ist für die Kürbis-Bäuerin ein Sich-Verneigen: "Tausendfach machen meine Arbeiter diese Geste der Demut vor der Schöpfung. Sie bücken sich, um zu schneiden und sie bücken sich, um die Früchte einzusammeln."
Ein Stückweit ist der Landwirt den Umständen ausgeliefert, doch es gibt Gestaltungsspielraum: "Wir versuchen, die Bedingungen zu erschaffen, dass sich die Pflanzen, die wir ernten wollen, optimal entwickeln." Endgültig liege der Ernteerfolg aber nicht in ihrer Hand: "Dass es dann tatsächlich so kommt, dass aus einem winzig kleinen Saatgutkorn eine Pflanze wächst, ist immer noch ein Wunder, das wir jeden Tag geschenkt bekommen."
Ein Wunder, für das die Warmuths jährlich Danke sagen. Wenn auch nicht zwangsläufig im Rahmen des klassischen Erntedankfestes, wie es diesen Sonntag in vielen Kirchengemeinden gefeiert wird. In diesem Jahr beispielsweise hat Eva Warmuth, die nicht nur Biobäuerin, sondern auch studierte Bildhauerin ist, gemeinsam mit der indonesischen Tänzerin Supriyati und weiteren deutschen Künstlern auf ihrem Hof ein Dankritual mit traditionellen indonesischen Instrumenten, Tanz und Gesang gestaltet.
Dankritual mit der indonesischen Tänzerin Supriyati auf dem Bio-Hof in Wargolshausen
Die Intention der Performance? "Die Bitte um Segen für das kostbare Saatgut, aus dem die wunderbaren Kürbisse wachsen, die wir gerade ernten." Das Leben ist für Eva Warmuth ein Kreislauf. "Auch beim Kürbis beginnt und endet alles mit dem Samen." Aus Überzeugung bauen die Warmuths deshalb "samenfeste Sorten" an, das heißt die ausgereiften Früchte liefern bereits wieder die Samen für die nächsten Kürbis-Generationen. "Wenn eine Pflanze ihr gesamtes Pflanzenleben durchleben kann", schmecke sie besser und sei gesünder als andere "kernlose Inzucht-Linien", ist Eva Warmuth überzeugt.
Kunst und Landwirtschaft gehen für die 59-Jährige Hand in Hand. Ende der 80er Jahre übernahm sie gemeinsam mit ihrem Mann Albert den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie ihr Studium der Bildenden Künste an den Akademien in Nürnberg und New York abgeschlossen.
Wie Kunst und Landwirtschaft für Eva Warmuth zusammengehen
Seither hat sie neben ihrem landwirtschaftlichen Tun immer auch als Künstlerin gearbeitet, Kunstwerke im öffentlichen Raum gestaltet und als Dozentin gelehrt. Immer wieder geht es in ihren bildhauerischen Arbeiten und auch in ihrer Performance-Kunst um die Schöpfungsthematik: "Was entsteht, woraus entsteht es, was tun wir selber dafür und was bekommen wir geschenkt."
Die großen Entwicklungen stimmen sie manchmal ratlos: Folgt die Welt dem Vorschlag der EU-Kommission, dürften Europas Bauern weitere zehn Jahre Glyphosat einsetzen. Eva Warmuth sorgt sich um Probleme mit Insektiziden und Bodenherbiziden, darüber, dass Vögel nichts mehr zu fressen finden, "weil Insekten weggespritzt" würden. "An der Stelle muss man doch handeln, aber das findet nicht statt."
Die Warmuths als Kürbis-Pioniere im Landkreis Rhön-Grabfeld
"Seit vielen Jahren beobachten wir, wie die Natur sich zunehmend verändert." Dysbalancen träten auf, Rhythmen veränderten sich. Tendenziell würde die Landschaft trockener. Vor allem rund um Wargolshausen, "im Regenschatten der Rhön".
Mitunter komme aber auch in sehr trockenen Jahren der Regen punktuell in großen Mengen. Die Warmuhs sahen es voraus: Beinahe zwanzig Jahre ist es her, dass sie auf den Kürbis als Hauptfrucht setzten. Damals zählten sie zu den Pionieren in Sachen Kürbisanbau im Landkreis.Der Kürbis komme mit trockenen Phasen gut zurecht. Fehlt es an Feuchtigkeit, stagniert er im Wachstum. Folgt Regen, legt er noch einmal an Volumen zu.
Eva Warmuth weiß, wie es sich anfühlt, wenn man eigentlich alles richtig macht und trotzdem ab und an verliert. "Wir haben die passenden Früchte ausgewählt und den Boden so bearbeitet, dass das Wasser, das kommt, auch dableibt."
Wie es sich anfühlt, wenn das Ernteglück ausbleibt
Viel getan und doch kein Ernteglück? 2022 war es so. "Das macht einen närrisch", gesteht Eva Warmuth. Verharren will und wollte sie nicht in dieser Emotion. Sie will kein Opfer sein, sondern ins Handeln kommen und andere ins Handeln bringen. Auch vergangenes Jahr hatte sie deshalb trotz der Ernteausfälle für sich und ihr Dorf ein Ritual gestaltet. Im Rahmen eines Naturfestivals, rief sie dazu auf, "der Erde ein Gesicht zu geben". Mit Pickeln holten die Teilnehmer Erdboden aus einer Grube, vermengten das Material mit Wasser und formten Gesichter.
Ziel war es dabei nicht, den Regen zu beschwören. "Lustigerweise hat es kurz darauf aber wirklich zu regnen begonnen", schmunzelt Warmuth. Ihre Absicht sei es gewesen, die "Menschen in Kontakt mit der Erde zu bringen", einer möglichen Entkopplung entgegenzuwirken, Trockenheit spürbar zu machen.
Die Wertschätzung hochwertiger ökologischer Lebensmittel war nie so groß wie in den Corona-Monaten, erinnert sich Eva Warmuth. Damals, als die Menschen plötzlich begannen, ihren eigenen Garten zu bestellen und selber Brot backten. Inzwischen hätten die Zuwächse im Bio-Bereich wieder nachgelassen. Bleibt Eva Warmuth nur, einen Appell in die Welt zu schicken: "Gesunde Nahrung ist für jeden wichtig. Das Geld, das man dafür ausgibt, ist bestens angelegt."